Auszug
Ansätze und Praktiken zur Regulierung des globalen Bankensystems stellen bereits seit einigen Jahren ein viel beachtetes Thema politikwissenschaftlicher aber auch sozialwissenschaftlicher Forschung dar. Insbesondere die Phänomene der Globalisierung des Bankensystems und die Liberalisierung des globalen Kapitalverkehrs haben Fragen nach dem Verhältnis zwischen nationalstaatlichen Aufsichtsbehörden und einer Bankwirtschaft, die in weiten Teilen entterritorialisiert operiert, virulent werden lassen. Eine weitere wissenschaftliche Betrachtung dieses Forschungsfeldes trotz bereits vorliegender reichhaltiger Analysen ist zunächst vor allem der Veränderungsdynamik des empirischen Feldes geschuldet. Bereits vor dem Ausbruch der jüngsten Finanzkrise im Jahr 2007 haben die Regulierungsbehörden mit einer grundsätzlichen Reform ihrer Aufsichtstätigkeiten begonnen. So kommt es im Zuge der Implementierung des supranationalen Regulierungsstandards „Basel II“ in den führenden Industriestaaten zu Formen der Bankenaufsicht, die in vielerlei Hinsicht mit bisherigen Regulierungskulturen brechen. Zu Beobachten ist die Entwicklung hin zu einem Modus öffentlicher Regulierung, der nicht mehr allein Zahlen und Bilanzen, sondern zudem auch „Menschen, Prozesse und Systeme“ berücksichtigt. Reguliert werden demnach nicht mehr allein die Ergebnisse bankinterner Abläufe, sondern vielmehr auch die Abläufe selbst. In den Fokus geraten zudem die Kompetenzen einzelner Mitarbeiter und ihr Verständnis der Arbeitsabläufe. Relevant werden die bankinternen Kommunikationswege, die Dokumentation interner Entscheidungsprozesse sowie die Unternehmensentscheidungen als solche.
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Literatur
Siehe dazu bei Niklas Luhmann (Luhmann 2005g).
Darauf wird im Folgenden noch explizit eingegangen werden. Siehe zunächst exemplarisch bei Stephen Gill und David Law oder auch bei Margaret Karns und Karen Mingest (Gill/ Law 2004; Karns/Mingst 2004, 360ff.).
Siehe zu diesem Schema grundlegend bei James Coleman (Coleman 1994, 6–10). Im konkreten Themenkontext Bankenregulierung arbeitet beispielsweise Andreas Busch mit derartigen Begrifflichkeiten (Busch 2003, 238)
Im Falle der WestLB brachtet die Londoner Investmentbankerin Robin Saunders durch Risikogeschäfte, die bis 2003 etwa 1,7 Milliarden Euro kosteten, an den Rand der Liquidität und führte zur Ablösung des Vorstandschefs Sengera. (Meiritz 2008). Das französische Finanzinstitut Société Générale musste gar einen Verlust von 4,9 Milliarden Euro verkraften, die durch die riskanten Transaktionen des Händlers Jérome Kerviel entstanden waren (O.A. 2008; Zydra 2008). Die Konsequenzen sind in diesem Fall noch nicht absehbar.
Aufschlussreich ist in diesem Kontext eine psychologische Einordnung des Begriffs (Dörner 2003).
Unbestritten ist, dass es bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts so etwas wie eine europäische Hochfinanz gab, die supranational agierte. Jedoch war auch diese in hohem Maße von politischen Konstellationen abhängig und kann somit hinsichtlich ihrer operativen Autonomie nicht mit multinationalen Unternehmen verglichen werden (Polanyi 1977).
Siehe dazu bei Athur Wilmarth (Wilmarth 2004, 80).
Diese selektive Wahrnehmung wird beispielsweise in dem Umstand deutlich, dass das Finanzsystem sowohl für Transaktionen von Microsoft und Coca Cola, gleichzeitig aber auch für die von AlQuaida offen ist. Das politische, aber auch das Rechtssystem stehen bislang noch vergleichsweise hilflos dem Umstand gegenüber, dass sich der Topterrorismus der Dynamik der internationalen Finanzmärkte bedient und bedienen kann. Siehe dazu auch (Schneider 2004a).
Niklas Luhmann vergleicht bereits die Risikopotentiale des Wirtschaftssystems mit denen des ökologischen Systems (Luhmann 1991c).
Der Chairman der BCBS Accounting Task Force Arnold Schilder bemerkt dazu: „As the laws, regulations and standards are continuously changing, compliance becomes a moving target“ (Schilder 2006, 3).
Im wissenschaftlichen Kontext z.B. bei Torsten Strulik (Strulik 2000, 228) aber auch kritisch verwendet (Paul 2000). Der Begriff der qualitativen Aufsicht wird zudem von Aufsehern für neue Aufsichtsformen verwendet, die es im Kontext von Basel II zu implementieren gilt (Schmidt Bies 2006).
Ian Hacking beschreibt in seiner Studie “The avalanche of printed numbers“, wie im 19.. Jahrhundert die Zahlenbasiertheit von Politik in exponentieller Weise wächst (Hacking 1982, 282). Michel Foucault hat unter dem Begriff der Gouvernmentalität einen bestimmten Typus des Regierens ausgemacht, der sich nicht mehr auf einzelne Subjekte, sondern auf statistische Entwicklungen stützt (Foucault 2000). Darauf kommen wir in Abschnitt 5.1 zurück.
Siehe zur grundsätzlichen Definition von Nichtwissen und Formen seiner Unterscheidung bei Klaus Japp (Japp 2000).
Dazu Reinicke im Original-Wortlaut: „Having a top-rated risk measurement model but a poor risk management and control process could be worse than having a poor internal VAR model but good risk control“ (Reinicke 1998, 125).
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(2009). Einleitung. In: Organisation der Regulierung — Regulierung der Organisation. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91376-6_1
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-16275-1
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