Auszug
Probleme kognitiver Gouvernanz ließen sich sicher zahlreiche finden. Dies liegt auch daran, dass zunächst völlig unklar ist, was denn genau als ‚Problem‘ verstanden werden soll und inwieweit ein Bezug zu kognitiver Gouvernanz besteht. Auf den ersten Blick geraten wir mit der Frage nach den Problemen sofort in die Nähe der in Kapitel 3 skizzierten evaluativen Perspektive. Demnach ginge es darum zu eruieren bzw. zu evaluieren, ob Basel II oder einzelne Aspekte (z.B. die kognitiven Elemente!?) als Erfolg oder Misserfolg zu verbuchen seien. Denkbar wäre dann etwa eine Diagnose, wonach die Steuerungswirkung von Basel II zu ‚gering‘ oder zu ‚ungenau‘ ist — und dies ließe sich dann als Problem ausflaggen. Eine solche Analyse können wir hier schon allein deswegen nicht leisten, weil es für ein entsprechendes Fazit viel zu früh ist, und wir uns für ein solches Unterfangen gleichsam historisch in einer ungünstigen Ausgangsposition befinden. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, unter Kostengesichtspunkten Berechnungen durchzuführen und etwaige Mehrbelastungen (z.B. für Banken) zu problematisieren. Auch darauf wird in dieser Arbeit verzichtet. Vor allem, weil unser Erkenntnisinteresse mit der gewählten funktionalen Perspektive deutlich neben dem liegt, was im Rahmen einer evaluativ-orientierten Implementationsforschung oder ökonomischer Betrachtungen zentral stünde. Wir wollen weder die Umstellungen im Gouvernanzmodus bewerten, noch wollen wir sie quantifizieren. Uns geht es darum eine angemessene Beschreibung der beobachtbaren Verschiebungen im Gouvernanzmodus anzufertigen und sowohl deren Ursachen als auch der Folgen in den Blick zu nehmen. Im Rahmen dieses Erkenntnisinteresses haben wir in den bisherigen Kapiteln dieser Arbeit viel Wert darauf gelegt, die Funktionslogik von cognitive governance möglichst genau herauszuarbeiten und zu analysieren.
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Literatur
Eine entsprechende Zuspitzung auf das Problem systemischer Risiken findet sich auch in wissenschaftlichen Reflexionen. So etwa Eatwell/ Taylor 1998.
Das Argument, wonach Imitationsprozesse aber auch professionelle Standards zu Homogenisierungseffekten führen, findet sich am deutlichsten im Rahmen der neo-institutionalistischen Organisationsforschung ausgearbeitet. Vgl. einschlägig DiMaggio/ Powell 1983.
Im Zusammenhang mit der zweiten Säule wird stattdessen insbesondere der kooperative Aufsichtsstil skeptisch betrachtet. Dabei wird vor allem das Problem des regulatory capture herausgestellt. Siehe hierzu Ward 2002.
Helmut Willke (2002: 29) diagnostiziert die Form Wissen/Machen als für die Industriegesellschaft dominant, wohingegen die Form Wissen/Nichtwissen den Übergang zur Wissensgesellschaft markiere.
Ganz ähnliche Ergebnisse präsentiert auch die kognitive Individualpsychologie. Demnach wird der lernende Wissenserwerb als umso einfacher beobachtet, je größer die Anschlussfähigkeit an ein etabliertes Schema ist (vgl. Piaget 1981). Zudem wird die Bedeutung von auffälligen und leicht zu beschaffenden Informationen überschätzt (vgl. Tversky/Kahneman 1973).
In dieselbe Richtung argumentiert auch Petra Hiller (1999).
Niklas Luhmann zeigt auf, dass dieser Prozess der Unsicherheitsabsorption über (zugeschriebene) Verantwortung läuft. Auf Personen zurechenbare Verantwortung ermöglicht es, von den Umständen ihrer Entscheidungen und Hintergründen der von Ihnen zur weiteren Verwendung bereitgestellten Informationen abzusehen. „Verantwortung ist der ungedeckte Informationswert einer Entscheidung, der Überschuß an Information, die jemand gibt, im Vergleich zu der, die er erhalten hat“ (Luhmann 1964: 175).
Zur Eigenständigkeit organisationalen Wissens, über das Organisationen unabhängig vom Wissen konkreter Einzelpersonen verfügen können, siehe Willke 1996.
Dass ein solcher Vorrang von Macht gegenüber Wissen auch dysfunktionale Folgen haben kann, zeigt etwa die Studie von Karl Weick (1990) zum Flugzeugunglück auf Teneriffa. In diesem Fall war in der Kommunikation zwischen Pilot und Co-Pilot das Hierarchie-Schema dominant, was es dem Piloten ermöglichte über die Bedenken (Wissen!) des Co-Piloten (kommunikativ) hinwegzugehen.
Niklas Luhmann (1989: 145) bringt diesen Umstand auf den Begriff der Resonanz, den er wie folgt definiert: „Resonance signifies that systems can react to environmental events only in accordance with their own structure“.
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(2008). Probleme kognitiver Gouvernanz. In: Bankenregulierung als Cognitive Governance. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91375-9_10
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