Auszug
Seit die Schulgewaltforschung Anfang der 1990er-Jahre intensiviert wurde, ist auch die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Gewalterlebnissen der Schüler in ihrer Familien und ihren eigenen Gewalthandlungen bzw. ihren Gewalterfahrungen in der Schule thematisiert und erforscht worden. Die Ergebnisse mehrerer (z. T. auch auf Bundeslandebene repräsentativer) Untersuchungen (vgl. Wilmers et al. 2002; Fuchs et al. 2001; Mansel 2001; Pfeiffer et al. 1999; Fuchs et al. 1996) wiesen auf einen eindeutigen, wenn auch nicht sehr stark ausgeprägten Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen hin, ein Zusammenhang, der von Pfeiffer (1999) mit dem Titel „Auch Ohrfeigen sind nicht harmlos“ pointiert formuliert wurde de. Die Forschungsergebnisse fielen seit den 1990er-Jahren in eine Zeit, in der deröffentlich-politische Diskurs die Legitimität und in der Folge auch die Legalität körperlicher Sanktionen durch die Eltern sukzessive in Frage stellte. Diese veränderte Wahrnehmung bedeutete einen Bruch mit konventionellen elterlichen Sanktionsgepflogenheiten, einem gewohnheitsmäßigen „Zühtigungsrecht“ und löste daher auch Kontroversen aus. In einer bundesweiten, repräsentativen Längsschnittuntersuchung verfolgte Bussmann (2005, 2001) die Entwicklung elterlicher Haltungen zu körperlichen Sanktionen in der Erziehung sowie die Entwicklung der ausgeübten Sanktionspraktiken und erhob einen Selbstbericht von Jugendlichen über erlebte bzw. erlittene körperliche Erziehungsgewalt ihrer Eltern; diese Untersuchungsreihe, die zuletzt vom Bundesfamilienministerium gefördert wurde, hatte auch zum Ziel, die Abschaffung dieses Gewohnheitsrechts bzw.
Dies war Teil eines umfassenderen Diskurses zur „Gewalt in der Familie“, der seit Mitte der 1980er-Jahre besonders von der Frauenbewegung in die politische Diskussion mit dem Ziel eingebracht wurde, gegen Gewalt in der Partnerschaft, verstanden als Mann-gegen-Frau-Gewalt, vorzugehen. Etwa seit Mitte der 1980er-Jahre wurde dies in Deutschland auch langsam zum Gegenstand der Forschung (vgl. u. a. Schneewind et al. 1983; Honig 1986), einige Jahre nach den USA (vgl. Straus et al. 1980). Gewalt gegen Kinder bzw. Gewalt in der Erziehung kam allerdings erst später, nämlich gegen Mitte der 1990er-Jahre, verstärkt als Thema auf, sowohl in der Politik als auch in der Forschung. In der aktuellen Diskussion rückt inzwischen auch die Gewalt gegen Männer in der Wahrnehmung nach vorne (vgl. dazu die Beiträge in Lamnek/Boatca 2003; Lamnek/ Luedtke 2005) — allerdings nicht unumstritten (vgl. u. a. Kavemann 2002, 2001). Dennoch bleibt die Datenlage gerade für Deutschland unvollständig, weil keine Überblicks-studien für die Lage beider Geschlechter vorliegen (dazu auch: Luedtke 2008). Dahinter steht nicht zuletzt, dass eine eingehende Analyse dessen, was „Mann“ und „ Mannsein“ bedeutet, ebenfalls erst in den Anfängen ist (vgl. u. a. Hollstein 2008; Wedgwood/Connell 2004; Meuser 2003; siehe auch die Beiträge in: Baur/Luedtke 2008).
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
o
Schneewind, Klaus/ Beckmann, Michael/ Engfer, Anette (1983): Eltern und Kinder. Umwelteinflüsse auf das familiäre Verhalten. Stuttgart.
Honig, Michael-Sebastian (1986): Verhäuslichte Gewalt. Frankfurt a. M.
Straus, Murray A./ Gelles, Richard J./ Steinmetz, Susanne K. (1980): Behind Closed Doors. Garden City, N.Y.
Kavemann, Barbara (2001): Kinder und häusliche Gewalt. In: BMFSFJ (Hrsg.): Gewaltfreies Erziehen in Familien — Schritte der Veränderung. Materialien zur Familienpolitik Nr. 8. Bonn/ München, S. 111–125.
Kavemann, Barbara (2002): Gewalt gegen Männer — ein vernachlässigtes Problem? Vortrag zur Fachveranstaltung der FHVR Berlin 18.11.2002. Berlin.
Fuchs, Marek/ Luedtke, Jens (2008): Jugendbanden (Gangs) und gangbezogene Verhaltensweisen. Erscheint in: Scheithauer, Herbert/ Hayer, Tobias/ Niebank, Kay (Hrsg.): Problemverhalten und Gewalt im Jugendalter. Erscheinungsformen, Entstehungsbedingungen und Möglichkeiten der Prävention. Stuttgart. (im Erscheinen).
Hollstein, Walter (2008): Was vom Manne übrigblieb. Krise und Zukunft des starken Geschlechts. Berlin.
Wedgwood, Nikki/ Connell, Robert (2004): Männlichkeitsforschung: Männer und Männlichkeiten im internationalen Forschungskontext. In: Ruth Becker, Ruth/ Kortendiek, Beate (Hrsg): Handbuch Frauen-und Geschlechterforschung. Wiesbaden, S. 112–121.
Rights and permissions
Copyright information
© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
(2009). Gewalt in der Familie — Gewalt in der Schule?. In: Gewalt an Schulen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91311-7_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91311-7_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-15768-9
Online ISBN: 978-3-531-91311-7
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)