Auszug
Raum, Territorium und Grenzen stellen seit jeher in den Planungen des Militärs und der Politik einen prominenten und bestimmenden Faktor dar.54 Die Geographie mit ihren naturräumlichen Faktoren wird dabei häufig in Tradition der realistischen Schule als objektives und unumstößliches Momentum klassifiziert, aus dem sich normative Handlungszwänge herleiten, die mit den Begriffen der Geopolitik und der Geostrategie umschrieben werden. Geographische Konstellationen lassen sich demnach zum eigenen Vorteil und zum gegnerischen Nachteil nutzen und determinieren politisches Handeln. „Geography does not argue, it just is“, brachte es Spykman 1938 auf den Punkt (zitiert nach Lossau 2002). Mit dem Ende des bipolaren Blockantagonismus wurden neue Erklärungsmuster und Interpretationen nötig, die den geänderten Rahmenbedingungen zum Ende des ausklingenden Jahrhunderts gerecht wurden. Nachdem der Begriff der Geopolitik lange Zeit aus den akademischen und populären Diskursen in Deutschland verbannt war, erfreut er sich seit den 1980er Jahren (wieder) einer wachsenden Beliebtheit. Dabei handelt es sich jedoch nicht ausschließlich um eine Renaissance im Sinne einer Wiederholung alter Konzepte. Der Wegfall politischer Grenzen bedeutete gleichzeitig die Schaffung intellektueller Freiräume, aus denen sich ein kritisches Verhältnis zur traditionellen Auffassung von Geopolitik entwickelte. In der Politischen Geographie und den Internationalen Beziehungen setzt sich immer mehr ein theoretisches Verständnis durch, welches die traditionelle positivistischszientistische Sichtweise der Geopolitik und Geostrategie nicht länger hinnimmt und ein fatalistisch-deterministisches Raumverständnis kritisch hinterfragt. Damit geraten die Prozesse sozialer Raumkonstruktion in den Fokus des Interesses (Ruggie 1993). Dass die kritischen Ansätze jedoch nicht zum Substitut des klassischen geopolitischen Denkens geraten, zeigt die unvermindert häufige Verwendung der Geopolitik als ‚realistische’Kategorie bei der Beschreibung politischen Handelns (vgl. Gray/Sloan 1999).
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(2008). Geopolitik — Raum als grundlegendes Element der Politik. In: Metaphern in geopolitischen Diskursen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91201-1_4
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