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Kategorien sozialer Differenz und die Herausforderung der Intersektionalität — Geschlecht, ‚Rasse’/Ethnizität und Klasse

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Auszug

In verschiedenen Bereichen der Wissenschaft, der Geschlechterforschung, der Migrationsforschung oder der Ungleichheitsforschung scheint es immer weniger selbstverständlich zu sein, jeweils nur eine Kategorie sozialer Differenz in den Mittelpunkt der Analysen zu stellen. Inzwischen geht es, wie Rommelspacher feststellt, „schon lange nicht mehr vorrangig um die Frage, welche Kategorie Vorrang vor der anderen habe“ (2006, 1). Vielmehr wird nun diskutiert, wie man sich das Zusammenwirken der verschiedenen Kategorien sozialer Differenz und Ungleichheit vorstellen könne (vgl. z. B. Erel et al. 2007, Klinger/Knapp 2005, Knapp 2005, Lehmann 2008, Lenz 2006, Lutz/Davis 2005, Guitérrez Rodríguez 2006, Rommelspacher 2006, Walgenbach/Grohs 2006, Walgenbach et al. 2007, Weiß et al. 2001b). Da es auch für mein Forschungsanliegen zentral ist, verschiedene soziale Differenzierungen gleichzeitig in den Blick zu nehmen, scheint eine Auseinandersetzung mit dieser Frage am Beispiel der intersektionalen Analyse sinnvoll. Hierbei handelt es sich um eine aus den USA stammende Forschungstradition, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die „Schnittstellen“ („intersections“) von Geschlecht, ‚Rasse’/Ethnizität und Klasse zu untersuchen. Die intersektionale Analyse wird als Paradigma insbesondere im Bereich der Geschlechterforschung angesehen, mit dem eine eigenständige und grundlegende Orientierung verbunden ist (vgl. Knapp 2005). In Kapitel 2.1 werde ich genauer darauf eingehen. Dabei wird deutlich werden, dass mit der intersektionalen Analyse zwar eine Erweiterung der Perspektive verbunden ist und die Berücksichtigung von Geschlecht, ‚Rasse’/Ethnizität und Klasse inzwischen zumindest in der angloamerikanischen Diskussion einen gewissen Grad an Selbstverständlichkeit erreicht hat; andererseits lässt der Ansatz bislang jedoch eine Reihe von Fragen ungeklärt.

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Literatur

  1. Allerdings lässt sich derzeit eine Annäherung der beiden Ansätze aneinander feststellen, die sich unter anderem daran bemerkbar macht, dass Vertreter/innen der Diversity Studies die oben genannte Kritik aufgreifen und sich damit stärker von dem aus der Wirtschaft stammenden Ansatz des Managing Diversity abgrenzen, auf den die Kritik nach wie vor zutrifft (vgl. Krell et al. 2007b).

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  2. Auch wenn der intersektionale Ansatz von Crenshaw ursprünglich eine Abgrenzung von Ansätzen intendierte, die von einem additiven oder multiplikativen Verhältnis der Kategorien Geschlecht, ‚Rasse’ und Klasse zueinander ausgingen, werden in aktuellen Veröffentlichungen mitunter alle diese Ansätze unter den Begriff der Intersektionalität subsummiert (vgl. Landry 2006b).

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  3. So benennt beispielsweise Yuval-Davis die Ebenen und Bereiche von „specific institutions and organizations, such as state laws and state agencies, trade unions, voluntary organizations and the family“, die sie in Hinblick auf intersektionale Analysen für relevant hält. Doch bleibt auch sie unkonkret bzgl. der Frage, was das in theoretischer und methodologischer Hinsicht für das Verhältnis der Kategorien sozialer Differenz zueinander bedeutet (2006, 198).

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  4. Vgl. neben den bereits genannten Beiträgen zu den Zusammenhängen von Geschlecht und Ethnizität z. B. Bednarz-Braun/ Heß-Meining 2004, Gümen 1996, 1998, Lenz 1996, 2006, Müller 2003, Rodríguez 1999, 2006, Weber 2003 sowie Beiträge in Apitzsch/Jansen 2003, Castro-Varela/Clayton 2003 und Schlehe 2000, 2001; zu Klasse, Geschlecht und ‚Rasse’/Ethnizität vor allem Beiträge in Weiß et al. 2001a.

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  5. Vgl. auch virtuelles Seminar der Humboldt-Universität Berlin zum Thema „Interdependenzen: Geschlecht, Ethnizität, Klasse“ (http://www.geschlecht-ethnizitaet-klasse.de), hier Veröffentlichungen von Walgenbach/ Grohs (2006), Rommelspacher (2006).

  6. Vgl. auch Rommelspacher 2002, 2006.

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  7. McCall (2005) unterscheidet in ihrem methodologisch orientierten Aufsatz zur intersektionalen Analyse drei verschiedene Ansätze, die sich aus ihrem Verhältnis zu den Kategorien und der damit verbundenen Komplexität bestimmen: Anti-kategoriale Ansätze dekonstruieren Kategorien wie Geschlecht, ‚Rasse’/Ethnizität und Klasse; intra-kategoriale Zugangsweisen konzentrieren sich beispielsweise auf Narrationen einzelner Personen, in denen die jeweiligen Kategorien in nur jeweils einer Dimension abgebildet werden; inter-kategoriale Zugangsweisen vergleichen systematisch verschiedene Gruppen und verschiedene Kategorien, sie sind methodologisch überwiegend quantitativ ausgerichtet.

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  8. Mitunter werden die drei Kategorien auch um weitere Kategorien wie z. B. sexuelle Orientierung oder Behinderung ergänzt (vgl. z. B. Weber 1998, Ore 2003).

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  9. Vergleichbar konstruktivistischen Perspektiven auf die Kategorie Geschlecht finden sich auch bezogen auf Ethnizität und ‚Rasse’ verschiedene „Spielarten des Konstruktivismus“ (Knorr-Cetina 1989), die nicht immer expliziert und scharf voneinander unterschieden werden und auf die an dieser Stelle nicht genauer eingegangen werden kann.

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  10. Der Kulturbegriff hat den der ‚Rasse’ an vielen Stellen als Rechtfertigungsargument für Diskriminierung und Unterdrückung ersetzt, wobei nun Kulturen als wesensmäßig und unabänderlich erscheinen und in der Konsequenz eine ähnliche Wirkung für die Betroffenen haben wie der Begriff der ‚Rasse’ (vgl. Hauck 2006, 8); im Rahmen dieses Kapitels kann leider weder ausführlicher auf den Begriff der „Kultur“ noch auf den der „Nation“ eingegangen werden, die beide in Zusammenhang mit der Herkunft eine Rolle spielen (können).

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  11. Vgl. ausführlich zum historischen Bedeutungswandel von „Ethnizität“ und „Rasse“ in der amerikanischen Soziologie Bös 2005 und zum historischen Bedeutungswandel von „Ethnizität“ in Deutschland Müller 2003. Anthias (1998) verbindet ‚Rasse’ und Ethnizität zu „Ethnos“, womit sie Bevölkerungsgruppen bezeichnet, die sich selbst einer Gemeinschaft zuordnen (oder von anderen zugeordnet werden), die sich in irgendeiner Form aus der ‚Herkunft’ oder essentiellen und besonderen Erfahrungen ableitet.

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  12. Die Vorstellung, ethnische Zugehörigkeit sei eine „interessegeleitete() soziale() Konstruktion der Grenzmarkierung“ (Groenemeyer 2003, 23), geht auf Barth (1969) zurück (vgl. dazu auch Müller 2003).

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  13. Der Staat übt über Einwanderungs-und Förderpolitiken einen wesentlichen Einfluss im Sinne von Fremdethnisierung aus (vgl. Nagel 1994, Müller 2003).

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  14. Gomolla/ Radtke (2002) haben in ihrer Studie zur Herstellung ethnischer Differenz in der Schule die Institutionalisierung von Fremdethnisierung und Diskriminierung besonders anschaulich dargestellt.

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  15. Dies entspricht der Kritik von Gildemeister/ Wetterer (1995) an der Reifizierung der Geschlechterkategorisierung in der feministischen Forschung.

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  16. Schichtenmodelle sehen in Berufen das primäre Kriterium gesellschaftlicher Differenzierung und Ungleichheit (vgl. Burzan 2004).

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  17. In ähnlicher Weise wie West/Fenstermaker bemüht sich auch Acker (1998b, 2003) um eine Rekonzeptionalisierung der Kategorie Klasse. Klasse wird hier nicht als abstrakte Struktur gesehen; vielmehr handele es sich um etwas, das durch aktive Praktiken hervorgebracht werde. Dabei werde Klasse in denselben Prozessen hervorgebracht, die auch Geschlecht und ‚Rasse’ (re-)produzierten.

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  18. Vgl. hierzu beispielsweise Groh/Keller und Vester/Gardemin, die sich in dem von Rademacher/Wiechens herausgegebenen Band „Geschlecht — Ethnizität — Klasse“ (2001) mit der Kategorie Klasse auseinander setzen.

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  19. Bourdieu verwendet in der Regel den Begriff des „sozialen Raums“, wenn es ihm um die Gesellschaft als Ganzes geht, und den Begriff „sozialer Felder“, wenn eher die ausdifferenzierten Bereiche einer Gesellschaft wie z. B. Kunst, Wissenschaft oder Politik gemeint sind. Festgestellt wird, dass das Verhältnis zwischen Feld-und Raumbegriff in der Theorie Bourdieus unklar bleibt (vgl. Blasius/ Winkler 1989, 73, zit. n. Rehbein 2006, 172).

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  20. In den „Feinen Unterschieden“ hat Bourdieu (1998) auf diese Weise die Klassenstruktur Frankreichs veranschaulicht. Hier berücksichtigt er allerdings nur das Verhältnis von ökonomischem und kulturellem Kapital und lässt das soziale Kapital außer Acht.

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  21. Aus einer anderen Perspektive problematisiert auch Acker die Verwendung des Klassenkonzepts im Rahmen der intersektionalen Analyse. Sie konstatiert, Feministinnen, die seit den 1960er Jahren traditionelle Klassentheorien kritisierten, da diese entweder Frauen grundsätzlich ignorierten oder die klassenbezogene Position von Frauen in Abhängigkeit von der Position ihrer Männer bestimmten, seien nicht vollständig erfolgreich in der Rekonzeptualisierung des Klassenbegriffs gewesen. Dies habe Folgen für die Verwendung der Kategorie „Klasse“ im Kontext intersektionaler Ansätze: „When scholars in the U.S. began to call for an understanding of the inter-sections between class, gender, and race/ethnicity, only the unreformulated idea of class was available.“ (2003, 49).

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  22. Radikaler noch als die drei genannten Konzepte stellt die „Individualisierungsthese“ (Beck 1983, 1986) Klassen-und Schichtenmodelle in Frage. Neuere Ansätze versuchen, die verschiedenen Perspektiven zu integrieren. Vester geht beispielsweise davon aus, dass die Individualisierung die vertikale Klassenteilung nicht außer Kraft setzt, sondern sich mit ihr überkreuzt (vgl. Vester 1998, 197, zit. n. Bittlingmayer/Kramer 2001, 279).

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  23. Bittlingmayer/Bauer sprechen im übrigen auch von einer „praxeologischen Milieutheorie“ (vgl. 2006, 213), was eine gewisse Nähe zwischen ihrem Ansatz, der Theorie Bourdieus und der dokumentarischen Methode verdeutlicht; vgl. zu praxeologischen Perspektiven Kapitel 3 der vorliegenden Arbeit.

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© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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(2008). Kategorien sozialer Differenz und die Herausforderung der Intersektionalität — Geschlecht, ‚Rasse’/Ethnizität und Klasse. In: Habituelle Konstruktion sozialer Differenz. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91120-5_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91120-5_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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