Auszug
Im letzten Jahrzehnt hätte man leicht den Eindruck gewinnen können: Polizeigeschichte sei eine Erfolgsgeschichte. Innenministerien, agile Polizeipräsidenten und Initiativen von Interessierten, die die Modernität ihres Berufstandes deutlich machen möchten, fördern gleichzeitig Buch-, Dokumentations- Ausstellungsprojekte in Köln, Wuppertal, Bonn, Recklinghausen, Mönchengladbach, Hamm und Düsseldorf und inzwischen auch in anderen Bundesländern.1 Polizeigeschichtliche Sammler innerhalb der Behörden, früher von ihrem Umfeld eher als Exoten wahrgenommen, erhielten über diese Projekte eine positive Resonanz und höhere Reputation. Mit dieser Entwicklung scheint die Form der berufsorientierten, erfahrungsgeschichtlichen Selbstvergewisserung in einer neuen Qualität angekommen zu sein. Täuscht dieser Eindruck? Oder ist dies nur eine polizeihistorische Fata Morgana derjenigen, die sich in der ‘Erkenntniswüste’ an einigen Oasen die Lage schönreden? In jedem Fall ist die selbstkritische historische Analyse des eigenen Berufstandes bundesweit eher die Ausnahme, denn der Regelfall. Sollte dies grundlegend geändert werden, mit welchen Methoden wäre es sinnvoll und wie erreicht diese historisch-politische Anstrengung auch die Menschen, die in Uniform ihren gesellschaftlichen Auftrag ausüben sollen?
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Literatur
Vgl. Harald Buhlan/ Werner Jung (Hg.), Wessen Freund und wessen Helfer? Die Kölner Polizei im Nationalsozialismus, Köln 2000; Stefan Goch (Hg.), Städtische Gesellschaft und Polizei. Beiträge zur Sozialgeschichte der Polizei in Gelsenkirchen, Essen 2005; Norbert Schloßmacher (Hg.), Die Bonner Polizei im Nationalsozialismus, Bonn 2006; Carsten Dams/Klaus Dönecke/Thomas Köhler (Hg.), „Dienst am Volk“? Düsseldorfer Polizisten zwischen Demokratie und Diktatur, Frankfurt/M 2007
Vgl. Jürgen Matthäus/ Konrad Kwiet/ Jürgen Förster/ Richard Breitmann, Ausbildungsziel Judenmord? „Weltanschauliche Erziehung“ von SS, Polizei und Waffen-SS im Rahmen der „Endlösung“, Frankfurt/M. 2003.
Zur Bedeutung der generationellen Umbrüche in der Polizei vgl. Klaus Weinhauer, Schutzpolizei in der Bundesrepublik. Zwischen Bürgerkrieg und Innerer Sicherheit: Die turbulenten sechziger Jahre, Paderborn u.a. 2003.
Vgl. Klaus Weinhauer, „Staatsbürger mit Sehnsucht nach Harmonie“ — Gesellschaftsbild und Staatsverständnis in der westdeutschen Polizei, in: Axel Schildt/ Detlef Siegfried/ Karl Christian Lammers (Hg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000, S. 444–470.
Regierungsdirektor Hacker an das Bayerische Staatsministerium des Innern, 28.05.1960; BayHStA, Präsidium der Bereitschaftspolizei 173; zusammenfassend vgl. Michael Sturm, „Gewalt wird mit Gewalt beantwortet“. Polizei und Straßenprotest in München am Ende der Ära Adenauer, [unveröffentlichte Magisterarbeit] Göttingen 2001, bes. S. 47–51.
Vgl. Norbert Frei (Hg.), Hitlers Eliten nach 1945, München 2003.
Vgl. Gabriele Metzler, „Geborgenheit im gesicherten Fortschritt“. Das Jahrzehnt von Planbarkeit und Machbarkeit, in: Matthias Frese Julia Paulus Karl Teppe (Hg.), Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik, Paderborn 2003, S. 777–797.
Vgl. Heiner Busch u.a., Die Polizei in der Bundesrepublik, Frankfurt/M. 1988, bes. S. 153f.; Thomas Kleinknecht/Michael Sturm, „Demonstrationen sind punktuelle Plebiszite“. Polizeireform und gesellschaftliche Demokratisierung von den Sechziger-zu den Achtziger Jahren, in: Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004), S. 181–218.
Vgl. Martin Winter, Politikum Polizei. Macht und Funktion der Polizei in der Bundesrepublik Deutschland, Münster 1998.
Zur Tätigkeit der Polizeibataillone vgl. u.a. Browning, Christopher R., Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen, Reinbek 1993; Mallmann, Klaus-Michael: Vom Fußvolk der „Endlösung“. Ordnungspolizei, Ostkrieg und Judenmord, in: Tel Aviver Jahrbücher für deutsche Geschichte 26 (1997), S. 355–391; Klemp, Stefan, „Nicht ermittelt“. Polizeibataillone und die Nachkriegsjustiz. Ein Handbuch, Essen 2005 (Geschichtsort Villa ten Hompel. Schriften 5); Westermann, Edward B., Hitler’s Police Bataillons. Enforcing Racial War in the East, Lawrence 2005; Curilla, Wolfgang, Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Balitikum und in Weißrussland 1941–1944, Paderborn u. a. 2006.
Alfons Kenkmann: Vom Schreibtischtäterort zum Lernort. Überlegungen zur Nutzung der Ordnungspolizei-Residenz in der historisch-politischen Bildungsarbeit, in: ders. (Hg.), Villa ten Hompel. Sitz der Ordnungspolizei im Dritten Reich. Vom „Tatort Schreibtisch“ zur Erinnerungsstätte?, Münster 1996 S. 115–137.
Zur Definition des Begriffes Geschichtsort als didaktischer Schnittstelle: Alfons Kenkmann/ Christoph Spieker: Die nationalsozialistische Ordnungspolizei als Konstrukt zwischen Wunschbild und Weltanschauung, in: Alfons Kenkmann/ Christoph Spieker (Hg.), „Im Auftrag“. Polizei, Verwaltung und Verantwortung, Essen 2001, S. 17–37, hier S. 22. Christoph Spieker: Zur Konstruktion eines Geschichtsortes, in: Jens Birkmeyer/Thomas Kleinknecht/Ursula Reitemeyer: Erinnerungsarbeit in Schule und Gesellschaft. Ein interdisziplinäres Projekt von Lehrenden und Studierenden der Universität Münster in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsort Villa ten Hompel. Münster, Münster u.a. 2007, S. 163–172.
Vgl. Alfons Kenkmann/ Christoph Spieker/ Bernd Walter (Hg.), Wiedergutmachung als Auftrag, Essen 2007.
Vgl. auch die Skizzierung des Geschichtsanteils in den Lehrplänen durch Wolfgang Kopitzsch, Polizei im ‘Dritten Reich’ — ein Thema in der polizeilichen Aus-und Fortbildung heute?, in: Kenkmann/ Spieker (Hg.), „Im Auftrag“, S. 325–333.
Vgl. zum Folgenden: Daniel Schmidt/ Michael Sturm, Möglichkeiten und Grenzen historischer Bildungsarbeit mit Polizeibeamten, in: Polis 2/2005, S. 22–24. Mitteilungen von Kooperationspartnern aus der Polizeifortbildung über die Evaluation ihrer Kurse, die auch Ganztagesveranstaltungen in der Villa ten Hompel umfassten, an den Verfasser.
Vgl. Christoph Spieker (Hg), Freund oder Vijand? Een groene politieman in het Nederlandse verzet. Ein „Grüner Polizist“ im niederländischen Widerstand, Münster 2004
Vgl. Martin Hölzl, Walter Nord — Polizeisoldat und Weltanschauungskrieger, in: Klaus-Michael Mallmann/ Gerhard Paul (Hg.): Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien, Darmstadt 2004 (= Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart 2), S. 166–175.
Vgl. Thomas Kühne, Kameradschaft. Die Soldaten des nationalsozialistischen Krieges und das 20. Jahrhundert, Göttingen 2006.
Vgl. Andrea Röpke/ Andreas Speit (Hg.), Braune Kameradschaften. Die militanten Neonazis im Schatten der NPD, Berlin 2. Aufl. 2005.
Rafael Behr: Cop Culture — Der Alltag des Gewaltmonopols. Männlichkeit, Handlungsmuster und Kultur in der Polizei, Opladen 2000.
„Die 10 Gebote des Polizisten“, in: Taschen Polizei. Hilfsmittel beim ersten Einschreiten und Wegweiser für die Behandlung der am häufigsten vorkommenden Fälle im Dienste der Exekutiv-Polizei. Herausgegeben nach amtlichen Quellen und dem Stande der Rechtsprechung bis in die neue Zeit von H. Eiben, Polizei — Inspektor. 1919, S. 8.
Dazu Feest, Johannes/ Blankenburg, Erhard, Die Definitionsmacht der Polizei. Strategien der Strafverfolgung und soziale Selektion, Düsseldorf 1972 (= Studienbücher zur Sozialwissenschaft 1), S. 26f.; Behr, Cop Culture, S. 188f.
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Sturm, M., Spieker, C., Schmidt, D. (2008). Historisch-politische Bildungsarbeit für die Polizei am authentischen Ort. In: Leßmann-Faust, P. (eds) Polizei und Politische Bildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91116-8_7
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