Auszug
Als Edmund Husserl in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts über die »Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie« (Husserl 1954) schreibt, hat er gewiss auch die Bedrohung der europäischen Wissenschaftskultur durch den Nationalsozialismus insgesamt im Blick. Zugleich ging es ihm aber um die Lebensbedeutsamkeit der Wissenschaften, mithin um den Zusammenhang von theoria und kosmos (vgl. Habermas 1965) und damit auch um die Frage, wie ein philosophisches Programm aussehen könnte, das als reine Theorie die Menschen zu »absoluter Selbstverantwortung aufgrund absoluter theoretischer Einsichten« befähigt (Husserl 1954: 329). Seine Antwort auf diese Frage ist bekanntermaßen eine transzendentale Phänomenologie, die sich in egologischer Perspektive der »Evidenz unmittelbarer Erfahrung« (Luckmann 1991: 156) zuwendet und versucht — so jedenfalls die Deutung von Luckmann — »die universalen Strukturen subjektiver Orientierung in der Welt zu beschreiben« (ebd.: 158). Unabhängig davon, ob die Husserlsche Phänomenologie tatsächlich ihren Anspruch einlösen kann, zugleich reine Theorie und Aufklärung in einem zu sein, fand sie Aufnahme in die Sozialwissenschaften, namentlich in die Soziologie, die seit Weber auf »sinnhaftes soziales Handeln« abzielt. Sie wurde hier vor allem durch Alfred Schütz und Thomas Luckmann fruchtbar gemacht und in unterschiedlichen theoretischen Kontexten eingesetzt (vgl. dazu Eberle 1993). Dabei wurde deutlich, dass die Phänomenologie zwar nicht unmittelbar sozialwissenschaftlich nutzbar war — sie behandelt wesentlich philosophische Fragestellungen — dass sie aber als Begründungsprogramm für eine auf Sinnrekonstruktionen abstellende verstehende Soziologie herangezogen werden konnte. Auch Husserl suchte die Grundlagen der Sinnkonstitution zu erforschen und hatte damit letztlich genau den Gegenstandsbereich im Blick, dem auch die verstehende Soziologie ihr Augenmerk zuwendet (vgl. dazu Srubar 1988: 36).
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Literatur
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Raufer, T. (2008). Politik, Symbolismus und Legitimität Zum Verhältnis von Konstitutions- und Konstruktionsanalysen in der empirischen Forschung. In: Phänomenologie und Soziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91037-6_25
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