Auszug
Die Rede von Europa als einem Kontinent ist weit verbreitet, auch im Zusammenhang mit einem türkischen EU-Beitritt, in dem sie meistens exkludierend gebraucht wird. Die Kategorie des geographischen Raumes erscheint unverdächtig, sich auf sie zu berufen vermittelt den Anschein von naturwissenschaftlicher Exaktheit und Neutralität. Doch wie dies in der Einleitung schon anhand von Karten als geographischen Reprasentationen Europas angedeutet wurde, handelt es sich bei dem geographischen Wissen keineswegs urn ein eindeutiges, das heißt interpretations freies Wissen.
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Literatur
Insbesondere zu diesem ersten Punkt wurden auch einige raumsoziologische Arbeiten vorgelegt. Siehe nur: Löw (2001); Schröer (2006); klassisch: Lefebvre (1991). Einen guten allgemeinen überblick zum Thema Raum bietet auch Dünne/Günzel (2006).
Harley spricht in diesem Zusammenhang von einem „epistemological myth created by cartographers of the cumulative progress of an objective science always producing better delineations of reality“ (Harley 1989: 15).
Immer wieder werden und wurden Karten auch dazu benutzt, Machtansprüche zu untermauern oder sich ein zu beherrschendes Gebiet überhaupt erst zu erschließen.
Harley spricht in diesem Zusammenhang von einem „epistemological myth created by cartographers of the cumulative progress of an objective science always producing better delineations of reality“ (Harley 1989: 15).
Immer wieder werden und wurden Karten auch dazu benutzt, Machtansprüche zu untermauern oder sich ein zu beherrschendes Gebiet überhaupt erst zu erschließen.
Man denke dabei auch an nicht ganz so naheliegende Beispiele wie den „Grand Prix de la Chanson“ bzw. „Eurovision Song Contest“, die UEFA-Campions League oder andere sportbezogene Europameisterschaften, bei denen neben den Vertretern klassischer europäischer Staaten unter anderem auch ganz selbstverständlich russische, israelische oder türkische Starter ins europäische Rennen geschickt werden.
Wie Keller betont, werden die einzelnen äußerungen „nicht als singuläre Phänomene analysiert, sondern im Hinblick auf ihre typische Gestalt als ‘Aussage’“ (Keller 2005: 182). Damit sind aber gleichzeitig auch Diskurse zwingend ein abgeleitetes Phänomen, was in Kapitel 4 explizit zum Thema gemacht werden soll.
Um dann zu einem ähnlichen Schluss wie Keller zu kommen: „In this way, the field of discursivity is precisely what makes possible the articulation of a multiplicity of competing discourses“ (Torfing 1999: 92).
Aktuelle Europapolitik besteht für Thomas Diez dann nicht zuletzt darin, „eine bestimmte Lesart der ‘EU’ gegenüber anderen zu behaupten, sie in die Debatte als dominierende Lesart ‘einzuschreiben’ “ (Diez 1999: 83).
Diese Umöglichkeit der Schließung wird in der poststrukturalistischen Tradition als „Dislokation“ bezeichnet (vgl. Torfing 1999: 161; Stäheli 2000a: 231; Leledakis 2000: 177).
Ein solches Konzept kann sowohl defensiv als auch aggressiv eingesetzt werden (Gallie 1956: 172).
Eine kollektive europäische Identität entsteht durch „Identifikation und Selbstidentifikation derer, die sich darin wie in einem Spiegel oder Echo wiedererkennen“ (Waldenfels 1997: 138).
So wird im 17. Jahrhundert über Europa sicherlich nicht als Hort geteilter politischkultureller Werte, wie Menschenrechte oder Demokratie, gesprochen. Dieses begriffliche Arsenal steht noch nicht zur Verfügung.
Quenzel bestimmt dann auch folgerichtig für jede Selbstbeschreibung das jeweils mitproduzierte interne/ externe Andere Europas, das bzw. die ausgeschlossen und zum Aufbau der eigenen Identität benutzt werden (vgl. Quenzel 2005: 134-136).
Nicht weiter vertieft, jedoch angemerkt werden soll an dieser Stelle, dass auch ein (früheres) Selbst ein Anderes oder Fremdes sein kann — der oder das „Fremde im eigenen Haus“ (Waldenfels 2006: 28), das oder der „Fremde in uns“ (Kristeva 1990: 208) bzw. das „Selbst als ein Anderer“ (Ricoeur 1996)–, das eine Einheit dazu veranlasst, sich Klarheit über sein eigenes Selbst zu verschaffen. Siehe auch das Kapitel 2.5.4.
Auch dieser Begriff muss mit dem oben eingeführten Vorbehalt verwendet werden, da er nur scheinbar auf einem festen Fundament gebaut ist. Denn was intern bzw. extern ist, das ist nicht für alle Zeiten festgeschrieben.
Siehe hierzu Kap. 4.3.1.
Für die interne Festigung einer nationalstaatlich verfassten Gemeinschaft macht Anderson das Grab des unbekannten Soldaten als paradigmatisches Beispiel für symbolische Gemeinschaftsstiftungen aus (vgl. Anderson 1991: 9).
Auf die Rolle, die Metaphern für die diskursive Konstruktion einer europäischen Wirklichkeit auf einer tieferliegenden Ebene spielen, hat insbesondere Rainer Hülsse hingewiesen (vgl. Hülsse 2003a, b).
Siehe hierfür etwa Butler (2002: Kap. 3); Laclau (2002: 67f); Laclau/Mouffe (2000); Torfing (2005: 11; 1999: 124f).
Hier wird die — kritische — Anlehnung poststrukturalistischer Ansätze an Carl Schmitts basale politische Unterscheidung von Freund und Feind besonders deutlich, laut der „der Feind“ eben das andere sei, „der Fremde, und es genügt zu seinem Wesen, daß er in einem besonders intensiven Sinne existentiell etwas anderes und Fremdes ist“ (Schmitt 1963: 27). Doch während Schmitt Feindschaft als eine „seinsmäßige Wirklichkeit“ (Schmitt 1963: 29) und als grundsätzlich unüberwindbar ansetzt, betonen Autoren wie Ernesto Laclau oder Chantal Mouffe die Konstruiertheit eines Anderen als Feind und die Möglichkeit der überwindung antagonistischer Gegenüberstellungen (vgl. Mouffe 2005: 19ff).
Diese Liste ist keineswegs vollständig aber doch repräsentativ für den derzeitigen Diskussionsstand. Interessanterweise wird etwa den sogenannten „Dritte Welt“-Staaten nur wenig Aufmerksamkeit als Anderes Europas zuteil (vgl. Delanty 1995: 130; Neumann 1999: 39; insbesondere Benedikt 2004). Dies verwundert um so mehr, kehren doch die Bilder vor allem afrikanischer Flüchtlingsboote die im Süden Europas landen oder vor den Küsten abgefangen werden, regelmäßig in den Medien wieder.
Einen Islam gibt es nicht und hat es nie gegebenen, schon alleine weil es keine umfassende Organisation der islamischen Glaubensgemeinschaft im Sinne einer Kirche gibt (vgl. Halm 2005: 57). Vielmehr muss die Bezeichnung eines Islams als monolithischem Block als Fiktion bzw. Verkürzung betrachtet werden (vgl. Beck-Gernsheim 2007; Küng 2006: 29–55; Said 1997: I).
In diese Zeit fällt die in Arthur Schopenhauers Dialog „Ueber Religion“ zu findende Aussage: Europa [...] ist der CHRISTLICHE Staatenbund: das Christenthum ist die Basis jeder seiner Glieder und das gemeinschaftliche Band aller; daher auch die Türkei, obgleich in Europa gelegen, eigentlich nicht dazugerechnet wird. (Schopenhauer 2006a: 307) Anerkannt wird hier zwar die türkische Präsenz in Europa, sie wird jedoch ausgeschlossen, da sie eben islamisch geprägt sei.
Etwa in einer Variante als radikaler Islam, der von Ulrich Beck als „Gewaltpest“ bezeichnet wird (Beck 2007: 267). Was Beck noch auf das Terrornetzwerk der al-Quaida beschränkt wissen will, verschwimmt in der öffentlichen Wahrnehmung nur all zu oft zu einer Charakterisierung des Islams (vgl. Said 1997).
Siehe hierfür etwa Wæver (1993: 151, 162); Brunn (2002: 9–19); Pagden (2002b: 20); Judt (1992; 2006: 83ff); Mazower (2005).
Žižek spricht in diesem Zusammenhang von den USA als einem „Zerrbild Europas“ (Žižek 2004: 188).
Man könnte hier von einer Art Zwillings-Phänomen sprechen, da man — die Analolgie weiter spinnend — die Herkunft und die genetische Grundausstattung teilt, sich dann aber doch individuell entwickelt, dabei den anderen aber immer im Auge behält, man Gemeinsamkeiten erkennt und doch als eigenständig wahrgenommen werden will.
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(2008). Europäische (Identitats-) (De-) Konstruktionen, oder: Europa in Diskursen (er-) finden. In: Die Türkei — ‚Das Ding auf der Schwelle‘. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91026-0_2
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