Auszug
Soziologen sind selten einer Meinung, doch darüber, dass ihre Disziplin in einigen Punkten anders ist als all die anderen, darüber wäre wohl ein Konsens herstellbar. Worin genau nun die Besonderheiten der Soziologie bestehen und wie sie, sollte es mehr als eine sein, zu reihen sind, darüber gingen die Ansichten vermutlich bereits auseinander. Ein Kandidat mit Aussicht auf weitestgehende Zustimmung sind die Außenbeziehungen. Unter diesen hat es den Soziologen besonders eine angetan, auf die injedem Lehrbuch und jeder einführenden Vorlesung verwiesen wird: Das Erkenntnisobjekt der Soziologie kann von den Aussagen, die über es gemacht werden, beeinflusst werden — das sei das Besondere der Soziologie und unterscheide sie von anderen Disziplinen. Letztere Behauptung ist natürlich falsch, aber die in ihr zum Ausdruck kommende Vorstellung einer extravaganten Besonderheit ihres Faches ist fixer Bestandteil der Folklore der Soziologen. Die allseitige Beliebtheit dieser These steht in einem deutlichen Kontrast zu dem weitgehenden Desinteresse an einer genaueren Untersuchung des angedeuteten Zusammenhangs. Wenn es stimmt, dass die ganze Angelegenheit zur Folklore zu rechnen ist, dann ist die Ignoranz gegenüber den Formen und Varianten der Außenbeziehungen allerdings nicht weiter überraschend. Auf welchen Pfaden die Objekte soziologischer Forschungsbemühungen von den über sie herausgefundenen Erkenntnissen erfahren, wie diese formuliert sein müssen, dass sie verstanden werden können und was geschieht, wenn sie falsch gedeutet werden — diese naheliegenden Fragen sollten Soziologen eigentlich interessieren. Mit ihnen will ich mich im Folgenden beschäftigten. Bevor ich allerdings auf die Beziehung der Soziologen zu ihrem Untersuchungsobjekt, das zugleich ihr Publikum ist, eingehe, muss ein kleiner Umweg genommen werden. Es lassen sich namlich allerhand Hinweise anführen, dass die gegenwartige Soziologie — zumindest in den deutschsprachigen Ländern — das Interesse am Laienpublikum verloren hat oder, etwas schwacher formuliert, diese Beziehung nicht mehr pflegt.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Fleck, C. (2008). Die Soziologie und ihr Publikum. In: Sigmund, S., Albert, G., Bienfait, A., Stachura, M. (eds) Soziale Konstellation und historische Perspektive. Studien zum Weber-Paradigma. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90998-1_18
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90998-1_18
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-15852-5
Online ISBN: 978-3-531-90998-1
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)