Auszug
Ökonomische Entwicklung und Sozialpolitik stehen in engen Wechselwirkungen (Lampert 2002; Krupp/Webber 2002). Historisch ist der Wohlfahrtsstaat entstanden, um die als inakzeptabel empfundenen Verteilungswirkungen kapitalistischer Ökonomien redistributiv zu korrigieren. Ähnlich war der Sozialstaat auch beim Wiederaufbau einer leistungsfähigen Volkswirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg unverzichtbar — in Deutschland (Achinger 1958; Kaufmann 2003), aber auch in anderen Ländern (Flora/Heidenheimer 1981). Sozialpolitik hat in diesem Kontext eine kompensatorische Funktion und kann als Problemlöser verstanden werden. Entsprechend wird auch in Bezug auf den seit Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems einsetzenden und sich seit Ende des vorigen Jahrhunderts intensivierenden Globalisierungsschubs argumentiert, dass diese Globalisierung nur möglich war und ist, weil wohlfahrtsstaatliche Arrangements die Verluste der Globalisierungsverlierer kompensieren und der Sozialstaat in dieser Beziehung als funktionales Äquivalent zu protektionistischen Wirtschaftspolitiken angesehen werden kann (Leibfried/Rieger 2001). Zugleich wird der Sozialstaat aber auch als Problemverursacher angesehen, der die Leistungsbereitschaft seiner Klientel unterminiert und so zum „Problem für sich selbst“ (Vobruba 1978; vgl. auch Offe 1972) wird, und durch die zu seiner Finanzierung notwendigen Abgabenlasten, die Position der eigenen Volkswirtschaft im internationalen Standortwettbewerb um mobiles Kapital verschlechtert (vgl. z.B. Krugmann 1995; Siebert 2000).
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Rothgang, H., Preuss, M. (2008). Ökonomisierung der Sozialpolitik? Neue Begründungsmuster sozialstaatlicher Tätigkeit in der Gesundheits- und Familienpolitik. In: Evers, A., Heinze, R.G. (eds) Sozialpolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90929-5_2
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