Skip to main content
  • 642 Accesses

Auszug

Eine soziologische Analyse von Verwandtschaft impliziert die Trennung zwischen objektiver und subjektiver Verwandtschaft, die kennzeichnend für die moderne Gesellschaft ist. Unter den Bedingungen der Moderne wird Verwandtschaft, wie alle anderen Sozialbeziehungen auch, wählbar, freiwillig und abhängig von den Entscheidungen der Individuen. Beziehungen zur Verwandtschaft sind nicht mehr entsprechend eines „Naturgesetzes“ vorgegeben, da Notwendigkeiten, die sich in ökonomischen und normativen Zwängen manifestieren, in modernen Gesellschaften nur noch in geringem Maße existieren und Individuen, entbunden von strukturellen und normativen Zwängen, ihre Sozialbeziehungen wählen können. Die „Pluralisierung von Optionen“ (Schimank, Vollman 1999: 20) in der modernen Gesellschaft hat zur Konsequenz, dass die ehemals verpflichtenden Beziehungen zu freiwilligen Bindungen umdefiniert werden. Kennzeichen der gelebten sozialen Beziehungen innerhalb eines modernen Verwandtschaftsnetzwerkes sind positive Gefühle, Zuneigung und ein freiwilliger reziproker Austausch. Dies sind Merkmale, die eine subjektive Verwandtschaftsbeziehung mit Freundschaften teilt (vgl. Johnson 2000a: 143).

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 74.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 99.00
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Johnson (2000b: 629) nennt drei Typen von Verwandtschaftsorganisationen, wobei die dritte Organisation Merkmale des subjektiven Verwandtschaftssystems trägt: 1) „linear generational bonds“ (Dominanz der Eltern-Kind-Beziehung, wie sie für „White-Americans“ charakteristisch ist), 2) „collateral bonds“ (die Betonung liegt hierbei auf der Geschwistersolidarität, charakteristisch für „Black-Americans“) und 3) „opportune extended families“ (individuelle, egozentrierte Betonung, persönliche Präferenzen als entscheidendes Charakteristikum).

    Google Scholar 

  2. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Kaiser (1993: 166), der die Defizite in Bezug auf Theoriebildung und Forschungsstand auf diese Komplexität zurückführt: „Familiale Beziehungen spielen sich also in komplexen Zusammenhängen ab, in die sie verwoben sind. Diese Komplexität trotzt jedoch häufig sozialwissenschaftlichen Methoden.“

    Google Scholar 

  3. Ein erfolgreicher theoretischer und empirischer Anwendungsbereich der Austauschtheorie ist die Erklärung ehelicher Stabilität bzw. Instabilität. Vgl. hierzu die Modelle von Lewis, Spanier (1979, 1982) und Levinger (1976). Die Ehe kann als Spezialfall dyadischer Beziehungen angesehen werden, die sich jedoch u.a. durch ihre rechtliche Institutionalisierung und ihre intime affektive Gefühlsbeziehung von anderen Beziehungen unterscheidet.

    Google Scholar 

  4. Vgl. auch Foa, Foa (1980). Die Ressourcentheorie erfasst die zum Austausch stehenden Ressourcenklassen Liebe, Status, Informationen, Geld, Güter und Dienstleistungen.

    Google Scholar 

  5. Vgl. auch die Zusammenfassung von Nauck (1989).

    Google Scholar 

  6. Eine Interaktion ist bei Homans (1960: 60) folgendermaßen definiert: „Wenn wir auf die Tatsachen hinweisen, daß eine bestimmte Einheit eines Menschen der bestimmten Einheit der Aktivität eines anderen folgt oder, falls wir den Ausdruck vorziehen, von dieser angeregt wird, und zwar unabhängig von der Frage, aus was diese Einheiten bestehen, so beziehen wir uns auf eine Interaktion“ [Hervorhebung im Original].

    Google Scholar 

  7. Generell differenziert man zwischen einem sozialen und ökonomischen Tausch. Im Gegensatz zum ökonomischen Tausch, der bindende Verträge zwischen Interaktionspartner/-innen beinhaltet, sind die Verpflichtungen im Rahmen eines sozialen Tauschs diffus, unspezifiziert und werden nicht in Form einer direkten Gegenleistung ausgetauscht. Dagegen wird Vertrauen und eine persönliche Verpflichtung zur Erfüllung einer Gegenleistung impliziert, die wiederum nicht mit einem exakten Gegenwert definiert ist (vgl. Blau 1964: 93ff).

    Google Scholar 

  8. Soziale Wertschätzung setzt sich dabei aus drei Komponenten zusammen: Status, Affekt und Bestätigung (vgl. Lindenberg 1984: 169). Vgl. auch Wippler (1990).

    Google Scholar 

  9. Dieser Annahme liegt die Theorie der komplementären Bedürfnisse zugrunde (vgl. Thibaut, Kelley 1959: 45).

    Google Scholar 

  10. Blau (1964) differenziert zwischen sechs Arten von Belohnungen: „personal attraction“, „social approval“, „respect-prestige“, „social acceptance“, „instrumental services“, „compliance-power“. Zu den Kosten werden Investitionskosten, direkte Kosten und Opportunitätskosten gezählt (vgl. Blau 1964: 100f). ia452_“A person often cannot do two things at the same time and do them efficiently and well. This is the phenomenon referred to as response interference, by which is meant that the performance of one response (…) may be incompatible with the performance of another” (Thibaut, Kelley 1959: 51; Hervorhebung im Original). 453 In diesem Sinne definieren Normen die soziale Situation der Individuen. Der Gedanke wird im Framing-Modell von Esser (1996b) aufgenommen (vgl. dazu ausführlicher Kapitel 4.1.2).

    Google Scholar 

  11. Homans (1968) hat hierzu insgesamt fünf Hypothesen aufgestellt, die er in Anlehnung an den Behaviorismus und die ökonomische Verhaltenstheorie formuliert. Aus dem Behaviorismus stammt die Vorstellung, dass Menschen durch ihre Lerngeschichte geprägt sind, insbesondere stehen die belohnenden und bestrafenden Resultate des vergangenen Verhaltens im Blickpunkt. Der ökonomischen Verhaltenstheorie ist die generelle Vorstellung eines ökonomischen Nutzenmaximierungsprinzips entnommen, das dem menschlichen Verhalten und Handeln unterliegt (vgl. Bohnen 2000: 94f). Die Hypothesen lauten im Einzelnen: 1) „Wenn die Aktivität einer Person früher während einer bestimmten Reizsituation belohnt wurde, wird diese sich jener oder einer ähnlichen Aktivität um so wahrscheinlicher wieder zuwenden, je mehr die gegenwärtige Reizsituation der früheren gleicht“ (Homans 1968: 45). 2) „Je öfter eine Person innerhalb einer gewissen Zeitperiode die Aktivität einer anderen Person belohnt, desto öfter wird jene sich dieser Aktivität zuwenden“ (Homans 1968: 46). 3) „Je wertvoller für eine Person eine Aktivitätseinheit ist, die sie von einer anderen Person erhält, desto häufiger wird sie sich Aktivitäten zuwenden, die von der anderen Person mit dieser Aktivität belohnt werden“ (Homans 1968: 47). 4) „Je öfter eine Person in jüngster Vergangenheit von einer anderen Person eine belohnende Aktivität erhielt, desto geringer wird für sie der Wert jeder weiteren Einheit jener Aktivität sein“ (Homans 1968: 47). 5) „Je krasser das Gesetz der ausgleichenden Gerechtigkeit zum Nachteil einer Person verletzt wird, desto wahrscheinlicher wird sie das emotionale Verhalten an den Tag legen, das wir Ärger nennen“ (Homans 1968: 64).

    Google Scholar 

  12. Es wird darüber hinaus folgende allgemeine Hypothese formuliert, die die Wichtigkeit der Berücksichtigung von Kosten zur Erklärung von verwandtschaftlichen Hilfen hervorhebt: „When extended family members provide aid beyond the boundaries of their nuclear family, they will, when possible, do so in the form least costly to themselves“ (Nye 1979: 30).

    Google Scholar 

  13. Vgl. hierzu insbesondere Kapitel 4.3, in dem das Investitionsmodell von Rusbult (1980a) auf die Erklärung der Bindung an Verwandte übertragen wird.

    Google Scholar 

  14. Zusammenfassend zur Kritik und Problemen an der Wert-Erwartungstheorie und neueren Modellierungen vgl. Kopp (1994: 98ff. und 108ff). Kopp (1994: 110) weist jedoch darauf hin, dass die Wahl zwischen diesen unterschiedlichen Modellen keinerlei Einfluss auf die empirische Arbeit hat. Trotz einer Vielzahl von internen Weiterentwicklungen und Verfeinerungen (vgl. exemplarisch Kahneman, Tversky 1979) bleibt der Kern der Argumentation — die Annahme eines an Kosten und Nutzen orientierten menschlichen Entscheidungsverhaltens — bestehen.

    Google Scholar 

  15. Zu dieser Problematik vgl. auch Riker, Ordeshook (1973).

    Google Scholar 

  16. Vgl. Abelson 1981.

    Google Scholar 

  17. Eine empirische Anwendung des Framing-Modells erfolgt im Bereich der Ehescheidung (vgl. Esser 2002).

    Google Scholar 

  18. Das Problem der subjektiven Definition der Situation ist nach Esser (1996b: 18) auf die Entscheidungstheorie (SEU-Theorie) anwendbar. „Das ‚innerliche Tun ‘der kognitiven und emotionalen Selektionen bei der subjektiven Definition der Situation erfolgt selbst wiederum den Variablen und der Selektionsregel der Theorie rationalen Handelns“ (vgl. Esser 1996b: 30; Hervorhebung im Original).

    Google Scholar 

  19. Ausführlicher zu den Ursprüngen und der modernen Variante der Methode der abnehmenden Abstraktion vgl. Lindenberg (1991).

    Google Scholar 

  20. Lindenberg (1991: 66f.) formuliert folgende Schritte der Methode der abnehmenden Abstraktion: Ziel ist es, dass Modell so einfach wie möglich und so komplex wie nötig zu machen. Man soll mit dem einfachsten Problematisierungsgrad beginnen. Zweitens soll die Problematisierung so fortgesetzt werden, dass sie die geringste Unsicherheit über Zusatzannahmen mit sich bringt. Vgl. dazu ausführlicher Lindenberg (1991: 67f).

    Google Scholar 

  21. „Meist ist eine ‚Anpassung ‘des Modells and die Wirklichkeit leichter getan als nützlich wäre. Ein Modell nur mehr ‚realistisch ‘zu machen, ist keine besondere Kunst. Man erkauft sich dies unvermeidlicherweise mit Zusatzannahmen und folglich mit höherer Komplexität — und verschlechtert so den tradeoff des Verhältnisses von Einfachheit und Erklärungskraft“ (Esser 1996a: 133f; Hervorhebung im Original).

    Google Scholar 

  22. Vgl. Popper 1976.

    Google Scholar 

  23. Hill (2002b: 54) verweist zudem auf die Kompatibilität der „as-if-methodology“ mit der Methodologie von Forschungsprogrammen von Lakatos (1974). Der eigentliche Theoriekern ist nicht Gegenstand einer Theoriediskussion. Die Theorie bildet den harten Kern, der durch einen Schutzgürtel (negative und positive Heuristik) vor Falsifikationen geschützt ist.

    Google Scholar 

  24. Auf die Darstellung zusätzlicher Konzepte des Sozialkapitals wird verzichtet (vgl. zusammenfassend Haug 1997, 2000).

    Google Scholar 

  25. Ausführlicher zum kulturellen, ökonomischen und symbolischen Kapital vgl. Bourdieu (1983: 185ff.) und Bourdieu (1982).

    Google Scholar 

  26. Als Beispiel für materielle Tauschgüter nennt Albrecht (2002: 207) Hilfestellungen und Informationsgüter. Symbolische Tauschgüter sind beispielsweise Anerkennung und Vertrauen.

    Google Scholar 

  27. So wird nach Bourdieu (1982: 529) die kinderreiche Familie gegen einen „engen Familienkreis“ oder die Kernfamilie ausgetauscht, mit der Konsequenz, dass auf die „Funktion familiärer Einheit“ verzichtet wird, „und das bedeutet auch die Freuden der Großfamilie und die traditionellen Verkehrsformen mit ihrem Umgang, ihren Festen, ihren Konflikten, aber auch Sicherheiten, die eine zahlreiche Nachkommenschaft verheißt (vor allem für die Mütter nahezu der einzige Schutz gegenüber Problemen des Alterns) aufzugeben.“ Dieser traditionellen Auffassung setzt Bourdieu die (moderne) „Welt“ entgegen, die sich durch eine „Labilität der Familie“ kennzeichnet.

    Google Scholar 

  28. In diesem Kontext sind die Aussagen von Esser (2000) zu sehen, der den negativen Effekt von Alternativen herausstellt: „Sobald sie (Individuen, N.J.) aber auf andere Kapitalien zurückgreifen können, läßt sie relativ kalt, was mit dem Netzwerk ihrer Beziehungen und dem sozialen Kapital wird. Denn weil es so spezifisch ist, schränkt es den Spielraum des Handelns doch oft auch sehr ein“ (Esser 2000: 239).

    Google Scholar 

  29. Kritik an dieser Explikation einer „Logik des sozialen Kapitals“ als Rational-Choice-Theorie übt Albrecht (2002: 207ff.) und grenzt die Auffassung entschieden von Bourdieus Konzept ab. Betrachtet man sich jedoch Bourdieus Argumentation (z.B. die Verwendung der Begriffe Austauschakte, Investitionsstrategien und Nutzen), so bestehen auch hier eindeutige Parallelen zu den Prämissen der Rational-Choice-Theorie.

    Google Scholar 

  30. Zusätzlich nennt Coleman (1991: 398) die jeweiligen Bedürfnisse nach Hilfe, die Existenz anderer Hilfequellen (z.B. staatliche Wohlfahrtsleistungen), den Grad des Wohlstands, kulturelle Unterschiede und die Geschlossenheit von Netzwerken (vgl. Coleman 1991: 413ff).

    Google Scholar 

  31. Vgl. dazu auch Coleman (1991: 409ff.).

    Google Scholar 

  32. Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit der Frau und ihrer Rolle als kinkeeper zu sehen (Kapitel 1.6).

    Google Scholar 

  33. Dies ist zugleich auch die Antwort auf die formulierte Kritik der Rational-Choice-Annahmen von Albrecht (2002: 208), der darauf hinweist, dass Investitionen als intentionale Akte in soziales Kapital weiten Zeitspannen unterliegen und in hohem Maße mit Unsicherheit belastet sind und daraus schließt, dass „die Annahme einer Kosten-Nutzen-Kalkulierbarkeit gerade des sozialen Kapitals (…) als wenig plausibel“ erscheint (Albrecht 2002: 208).

    Google Scholar 

  34. Vgl. dazu ausführlicher Esser (2000: 247ff).

    Google Scholar 

  35. Die fraglose Geltung von Normen, Werten und Moral ermöglichen ein Handeln ohne jede „rationale“ Überlegung (vgl. Esser 2000: 263).

    Google Scholar 

  36. Ein negativ konnotierter Begriff in diesem Zusammenhang ist „Vetternwirtschaft“, der jedoch den hier beschriebenen Sachverhalt verdeutlicht. Folgende Beispiele werden genannt: die verwandtschaftlichen Geflechte innerhalb der Politik, im Bereich der Wirtschaft und insbesondere in Bezug auf die Verflechtung von Wirtschaft und Politik. „Für die Gegenwart steht jedenfalls die Rekonstruktion verwandtschaftlicher Verflechtungen in Wirtschaft und Politik sowie zwischen den Bereichen noch aus“ (Rosenbaum 1998: 30).

    Google Scholar 

  37. Die Dichte ist eine Maßzahl zur Beschreibung der Verbundenheit eines sozialen Netzwerkes. Sie stellt das Verhältnis der Anzahl tatsächlich existierender zur Anzahl der möglichen Beziehungen dar (vgl. Esser 2000: 189). Des Weiteren werden in diesem Zusammenhang „Brückenbeziehungen“ als schwache soziale Beziehungen klassifiziert, die über den Kreis der eigenen engen Beziehung hinausgehen und somit neue Kontaktmöglichkeiten schaffen (vgl. Granovetter 1973: 1364, Wegener 1987: 280).

    Google Scholar 

  38. Wegener (1987) zieht darüber hinaus eine Parallele zur Fokustheorie von Feld (1981) (vgl. Kapitel 3.1.2.2) und verbindet diese mit der Idee von schwachen und starken Beziehungen. Schwache Beziehungen sind soziale Beziehungen, in denen Foki a) begrenzt sind, b) nicht einschränkend wirken in Bezug auf die Interaktionen der beteiligten Personen und in denen sie c) nur ein geringes Ausmaß von Zeit, emotionalem Engagement und Aufwand für reziproke Leistungen verlangen (vgl. Wegener 1987: 281).

    Google Scholar 

  39. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Granovetter (1982: 133ff), der Studien nennt, die den Zusammenhang mit dem sozialen Status empirisch nachweisen können. In diesem Aufsatz widmet er sich u.a. auch den starken Beziehungen, die in seinem ersten Aufsatz (Granovetter 1973) weniger von Interesse waren (vgl. Granovetter 1982: 113). So stellt er auch die Bedeutung starker Beziehungen heraus: „Weak ties provide people with access to information and resources beyond those available in their own social circles; but strong ties have greater motivation to be of assistance and are typically more easily available. I believe that these two facts point the way to understanding when strong ties play their unique role“ (Granovetter 1982: 113).

    Google Scholar 

  40. In den bisherigen Eingliederungstheorien werden Verwandtschaftsbeziehungen kaum thematisiert, da aufgrund der einseitigen Fokussierung auf Assimilation Verwandtschaft als unnötig oder störend angesehen wird (vgl. Nauck, Kohlmann 1998: 211). Nauck, Kohlmann (1998) entwickeln unter der zusätzlichen Berücksichtigung des sozialen Kapitals ein Modell mit vier Typologien bzw. Akkulturationsmodi (Integration, Assimilation, Segregation, Marginalisierung) anhand derer sich die unterschiedliche Bedeutung von Verwandtschaftsbeziehungen bestimmen lässt. Es kommt zur Integration, wenn die Migrantinnen und Migranten sowohl mit kulturellem und sozialem Kapital ausgestattet sind und die Kontakte auf das Herkunftsland und Aufnahmeland verteilt sind. Soziales Kapital tritt in Form von transnationalen verwandtschaftlichen Netzwerken auf. Assimilation hat kulturelles Kapital zur Voraussetzung, jedoch kein soziales Kapital und beschreibt einen Modus, der sich lediglich auf eine optimale Platzierung in der Aufnahmegesellschaft richtet. Kennzeichen sind eine hohe familiale Kohäsion, jedoch geringe familienexterne Verwandtschaftskontakte. Segregation setzt ein hohes Maß an externem sozialen Kapital voraus, jedoch kein kulturelles Kapital und beschreibt einen Modus für eine optimale Platzierung in der Migrantenminorität und ist oft mit ritualistischen Traditionalismus verbunden. Marginalisierung — als letzter Modus — ist durch das Fehlen von beiden Kapitalarten gekennzeichnet und entsteht als Resultat von fehlenden Ressourcen und Opportunitäten (vgl. Nauck, Kohlmann 1998: 210f.).

    Google Scholar 

  41. Das „free-rider-Problem“ (Trittbrettfahrer-Problem) wurde zuerst von Olson (1965) in seinem Werk „The Logic of Collective Action“ formuliert und verdeutlicht das Problem der Nutzung von kollektiven Gütern durch rational agierende Individuen.

    Google Scholar 

  42. Dies entspricht dem Konzept von Verwandtschaft als Matrix latenter Beziehungen (Riley 1983).

    Google Scholar 

  43. Soziales Kapital ist definiert als „The stock of social goodwill created through shared social norms and a sense of common membership from which individuals may drawn in their efforts to achieve collective or personal objectives. By membership or affiliation, actors (in this case members of a family or kinship system) may derive benefits through sharing objectives, sponsorship, connections, and supports from others inside and outside that family“ (Furstenberg 2005: 810).

    Google Scholar 

  44. Eine Bestätigung dieser Annahme liefert die Studie von White (2001), die einen positiven Zusammenhang zwischen Elternstatus und Kontakten mit Geschwistern nachweisen kann. Dies liegt vor allem in dem Ziel der Eltern begründet, aktive Beziehungen ihrer Kinder mit Onkel, Tante, Cousin und Cousine herzustellen (Kapitel 3.2.1.1.2).

    Google Scholar 

  45. Vgl. hierzu im Original Blau (1994: 29).

    Google Scholar 

  46. Vgl. hierzu im Original Blau (1994: 39).

    Google Scholar 

  47. Der Begriff „Clanbewusstsein“ wird von Kaiser (1993: 151) übernommen.

    Google Scholar 

  48. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Begriff „amity“ (Fortes 1978).

    Google Scholar 

  49. Becker (1960: 32) kritisiert die mangelnde formale Analyse und theoretische Integration in die soziologische Theoriebildung. Er grenzt commitment von anderen soziologischen Theorien ab, die ebenfalls den Anspruch haben, menschliches Verhalten zu erklären. Seine Kritik bezieht sich vor allem auf die Rollentheorie und das Konzept der kulturellen Werte. Die Rollentheorie kann nicht abweichendes Verhalten erklären und liefert keine Erklärung, nach welchen Regeln gehandelt wird. Das zweite Konzept hebt den Einfluss von kulturellen Werten hervor. Personen wählen die Handlungsalternative, die konform mit den gegebenen gesellschaftlichen Werten ist und sich logisch aus ihnen ableiten lässt. Es ist jedoch schwierig, insbesondere in modernen Gesellschaften, die sich durch Wertepluralismus kennzeichnen, die jeweiligen Werte zu identifizieren. Darüber hinaus bleibt offen, nach welchem Mechanismus Werte das aktuelle Verhalten determinieren (vgl. Becker 1960: 33ff).

    Google Scholar 

  50. In einer früheren Publikation differenziert Johnson (1973: 395ff.) zwischen 1) „personal commitment“ und 2) „behavioral commitment“. Letztere besteht wiederum aus zwei Komponenten: a) „social commitment“ (normative Erwartungen als Resultat kultureller Normen) und b) „cost commitment“ (subjektive Kosten, die bei Beendigung der Beziehungen entstehen, z.B. Verlust von Investitionen) (vgl. Johnson 1973: 397). In einer aktuelleren Publikation differenzieren Johnson (1991a) und Johnson u.a. (1999) zwischen persönlichem, strukturellem und moralischem commitment.

    Google Scholar 

  51. Vgl. dazu Kapitel 4.1.1.

    Google Scholar 

  52. Kelley (1983: 290f.) weist zudem darauf hin, dass die zeitliche Variabilität in bisherigen Modellen zur Erklärung der Beziehungsstabilität (z.B. Rusbult 1980a) nicht berücksichtigt wurde. So wird commitment bzw. die zugrunde liegenden Kausalfaktoren Zufriedenheit, Investitionen und Alternativen nur zu einem bestimmten, einzelnen Zeitpunkt gemessen (vgl. Kelley 1983: 307).

    Google Scholar 

  53. In der Debatte von Johnson (1991a, b), Rusbult (1991) und Levinger (1991) geht es um die Gemeinsamkeiten, Parallelen und Unterschiede zwischen dem commitment-Konzept von Johnson (1991a) und dem Investitionsmodell von Rusbult (1980a). Insbesondere die Einführung des moralischen commitments in die wissenschaftliche Diskussion wird von Johnson (1991a) als entscheidende Verbesserung angesehen. Setzt man das Investitionsmodell in Beziehung zu Johnson (1991a), der zwischen persönlichem, moralischem und strukturellem commitment differenziert, so zeigen sich nach Rusbult (1991: 154f.) eindeutige Parallelen. Das persönliche commitment erfasst die Zufriedenheit im Investitionsmodell von Rusbult (1980a). Beides sind positive Faktoren, die eine Person freiwillig dazu veranlassen, eine Beziehung aufrechtzuerhalten. Das strukturelle commitment benennt als eine Komponente die „investments“. Sie entsprechen dem wichtigen Modellparameter der Investitionen. Die Komponente der „availability of acceptable alternative“ (ebenfalls Teil des strukturellen commitments) entspricht der Qualität der Alternativen im Investitionsmodell von Rusbult. Die explizite Berücksichtigung des moralischen commitments stellt nun eine entscheidende Verbesserung der bisherigen Ansätze dar (vgl. Johnson 1991a: 136). Kritik üben Levinger (1991) und Rusbult (1991). Als Begründung führt Levinger (1991: 148) die Schwierigkeit an, in der Praxis zwischen äußerem sozialen Druck und inneren Faktoren (z.B. moralische Verpflichtung) zu differenzieren. Nach Rusbult (1991: 159) sind soziale Normen und moralische Verpflichtungen bereits in dem Modellparameter „Investitionen“ aufgenommen. Darüber hinaus zeigen empirische Analysen (Rusbult u.a. 1989), dass subjektive Normen nur schwach mit commitment korrelieren (vgl. Rusbult 1991: 159).

    Google Scholar 

  54. Das Vergleichsniveau (CL) wird zwar an dieser Stelle in die theoretischen Überlegungen der Zufriedenheit mit einer Beziehung einbezogen, es wird jedoch nicht empirisch erhoben. Rusbult (1980a: 176) weist darauf in, dass das Vergleichsniveau nicht in den Studien gemessen wird, da die Teilnehmer/-innen der Experimente nicht zwischen Kosten und Belohnungen und ihren allgemeinen Erwartungen an die Beziehung unterscheiden können. Dies führt dazu, dass die experimentelle Variation des Vergleichsniveaus keine signifikanten Einflüsse auf die Zufriedenheit mit der Beziehung hat.

    Google Scholar 

  55. In einer neueren Publikation wird zusätzlich das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen berücksichtigt (Equity-Theorie). So sind nicht nur isolierte Kosten und Belohnungen wichtig für die Bewertung einer Beziehung, sondern auch das Verhältnis von Input und Output. Je ausgewogener das Verhältnis von Input und Output, desto größer ist die Zufriedenheit mit einer Beziehung (vgl. Rusbult, Buunk 1993: 181f).

    Google Scholar 

  56. Rusbult, Buunk (1993: 184f.) benennen zwei weitere Formen von Investitionen, die in den ersten Veröffentlichungen noch nicht explizit benannt wurden. Es ist zum einen die Komponente der persönlichen Identität, die in der Beziehung aufgebaut wird und die mit dem Beziehungsende verloren geht. Eine weitere Quelle von Investitionen bezieht sich auf kognitive Abhängigkeiten.

    Google Scholar 

  57. Vgl. insbesondere den Übersichtsartikel von Le, Agnew (2003), die eine Metaanalyse und Zusammenfassung des bisherigen Forschungsstandes veröffentlichen.

    Google Scholar 

  58. Während die Stichproben vorheriger Studien aus Studierenden bestehen, analysieren Rusbult u.a. (1986: 82f.) eine heterogenere Stichprobe von 130 Personen, die sich in längerfristigen Beziehungen befinden. Gleichzeitig wird jedoch auch kritisch auf die geringe Fallzahl hingewiesen.

    Google Scholar 

  59. Das Investitionsmodell wird auch von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern übernommen (vgl. exemplarisch Bui u.a. 1996).

    Google Scholar 

  60. Reliabilitäts-und Validitätsmessungen der Skalen liefern signifikante Ergebnisse (vgl. exemplarisch Rusbult 1980b: 101). Insgesamt können 50% bis 90% der Varianz erklärt werden (vgl. Rusbult, Buunk 1993: 187). Vgl. zusammenfassend Rusbult u.a. (1998). Inkonsistente bzw. nicht signifikante Befunde sind bei der Analyse des Zusammenhangs zwischen Kosten und commitment (bzw. Zufriedenheit) festzustellen (vgl. Rusbult 1980a, Rusbult u.a. 1986a). Eine Erklärung für diese Variationen liefert zum einen der Schwellenwerteffekt, nach dem erst eine bestimmte Höhe der Kosten in einer Beziehung erreicht werden muss. Zum anderen wird der Interaktionseffekt zwischen Belohnungen und Kosten angeführt, d.h. hohe Kosten reduzieren nur dann Zufriedenheit bzw. commitment, wenn gleichzeitig auch geringe Belohnungen vorliegen. Negative Effekte ergeben sich nur in einer „high cost/low reward“-Situation. Beide Erklärungen sind empirisch bestätigt (vgl. Rusbult 1986a: 86f).

    Google Scholar 

  61. So sind Verwandtschaftsbeziehungen nicht zwingend emotional positiv besetzt, sondern können Unzufriedenheit und Konflikte aufweisen. Die Beziehung bleibt jedoch trotzdem weiterhin bestehen und wird nicht aufgelöst. In Bezug auf Generationenbeziehungen wird hierfür der Begriff der Ambivalenz (Lüscher 2000) verwendet.

    Google Scholar 

Download references

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

(2008). Ein Modell zur Erklärung der Wahl von Verwandten. In: (Wahl-)Verwandtschaft — Zur Erklärung verwandtschaftlichen Handelns. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90925-7_5

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90925-7_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-15706-1

  • Online ISBN: 978-3-531-90925-7

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics