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Multi-Level Policy-Analyse - Theoretisch-konzeptionelle Bezüge

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Erneuerbare Energien-Politik
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Auszug

Die Frage nach dem Zustandekommen und der Weiterentwicklung einer politischen Maßnahme führt zur Anwendung der Policy-Analyse als konzeptionelles Gerüst dieser Arbeit. Aus der Vielzahl der Ansätze, die unter der überschrift Policy-Analyse Anwendung finden, kommen zur Bearbeitung der hier im Vordergrund stehenden Themenstellung und Fragen solche in Betracht, bei denen die Analyse komplexer Akteursstrukturen unter Berücksichtigung institutioneller Rahmenbedingungen und weiterer Faktoren im Mehrebenensystem behandelt wird. Vor diesem Hintergrund werden hier zwei Ansätze herangezogen, die in der Folge zu einer Multi-Level Policy-Analyse kombiniert werden: Zum einen der Advocacy-Koalitionsansatz, der einen expliziten Fokus auf das Zusammenspiel von Akteuren und die Erklärung von Policy-Wandel über einen Zeitraum hat, der aber auch explizit Einflüsse aus dem Mehrebenensystem konzeptionell berücksichtigt. Um den in dieser Arbeit zentralen Aspekt der Mehrebenenthematik besonders zu berücksichtigen, wird als zweites auf die neuere Forschung zu Multi-Level Governance zurückgegriffen, wenngleich sich diese gegenwärtig noch sehr heterogen und wenig ausdifferenziert darstellt.11 In diesem Kapitel werden wesentliche Grundzüge der Policy-Analyse, des Advocacy-Koalitionsansatzes sowie von Multi-Level Governance dargestellt und mit Blick auf die eingangs skizzierten Fragen und Grundthesen beleuchtet. Dabei werden einige tiefer gehende Aspekte, die von den Ansätzen bzw. den diesbezüglichen Debatten zur Verfügung gestellt werden, herausgearbeitet und zu einer Reihe von Fragen und Thesen der Multi-Level Policy-Analyse verdichtet.

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Literatur

  1. In der Literatur werden die beiden Ansätze häufig auch bereits als Theorien bezeichnet, gleichzeitig wird über ihren „theoretischen Gehalt“ bzw. die grundsätzliche Theoriefähigkeit gestritten (vgl. hierzu auch die Ausführungen in den nachfolgenden Abschnitten). Nach Fritz Scharpf (2000a: 75f) liefern Ansätze Hinweise für die Suche nach Erklärungen, während durch Theorien aufwändige Empirie durch theoretisch begründete Annahmen ersetzt werden kann. Scharpf folgert daraus, dass die Policy-Forschung deutlich stärker auf Empirie angewiesen ist und weniger sinnvoll mit abstrahierenden Annahmen operieren kann. Nach Schubert und Bandelow (2003: 7ff) ist zudem zwischen einer Theorie als einem auf Annahmen basierenden, logisch zusammenhängenden Set von Beziehungen zwischen Variablen, einem Modell als einer i.d.R. mathematischen Verdichtung einer realen, konkreten Situation, in die theoretisch basierte Annahmen einfließen, und dem analytischen Rahmen, welcher eine Vorgabe für die zu untersuchenden Variablen und ihren Beziehungen darstellt, zu unterscheiden.

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  2. Andere verwendete übersetzungen sind: Politikinhalt, sektorale Politik, oder nur Politik, häufig wird jedoch auf eine übersetzung verzichtet (Windhoff-Héritier 1987: 17).

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  3. Der Gebrauch des Begriffs „Politikfeld“ ist zwar nicht abschließend und eindeutig definiert, bezieht sich jedoch in der Regel auf „übergeordnete“ Politikbereiche wie Sozial-, Ausländer-oder Energiepolitik (Windhoff-Héritier 1987: 21f).

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  4. In diesem Sinne benennt beispielsweise Danyel Reiche den Bereich erneuerbare Energien als Politikfeld (Reiche 2004: 85).

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  5. „Agenten im Auftrag und Interesse ihrer Prinzipale“, wie Volker Schneider (2003: 112) dies in Anlehnung an die Prinzipal-Agent-Theorie ausdrückt.

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  6. Die „Interaktionssysteme“ ergeben sich nach Scharpf (2000a: 91) aus Interaktionsformen (einseitiges Handeln, Verhandlung, Mehrheitsentscheidung und hierarchische Steuerung) sowie dem institutionellen Kontext (anarchische Bereiche und minimale Institutionen; Netzwerke, Regime und Zwangsverhandlungssysteme; Verbände und repräsentative Versammlungen sowie hierarchische Organisationen).

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  7. Aufgrund der genannten Kritikpunkte und der Tatsache, dass beim akteurzentrierten Institutionalismus letztlich der überwiegend spieltheoretisch modellierte Vergleich sowie die Effizienzbewertung von Formen der Interaktion im Vordergrund steht (Klenk 2005), wird der Ansatz in dieser Arbeit nicht verfolgt. Er weist dennoch in Bezug auf den analytischen Rahmen — die Akteursanalyse und die Berücksichtigung des institutionellen Kontexts-Parallelen zum nachfolgend ausgewählten Advocacy-Koalitionsansatz und letztlich zum Vorgehen in dieser Arbeit auf.

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  8. Als deutsche übersetzung wird gelegentlich der Begriff der „Unterstützungskoalition“ verwendet (z.B. bei Grande 2000: 19). Aufgrund der vergleichsweise seltenen Verwendung wird nachfolgend der (etabliertere) Begriff der Advocacy-Koalitionen beibehalten.

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  9. Über die Jahre haben die Hauptautoren des Ansatzes, allen voran Sabatier selbst, Überarbeitungen und Präzisierungen des Ansatzes vorgenommen; so stellt beispielsweise die hier genannte Veröffentlichung von 1998 eine „Revision“ der Vorläufer-Versionen des Ansatzes aus den Jahren 1993 bzw. 1987 dar. Aufgrund des Erklärungsmodells für Policy-Wandel und der entwickelten Hypothesen wird dem Advocacy-Koalitionsansatz von einigen Policy-Forschern ein für die Analyse von Policy-Prozessen hoher theoretischer Wert zugemessen. Keith Dowding formulierte hierzu: „Together with institutional rational choice the advocacy coalition framework may prove one of the most useful theories of the policy process“ (Dowding 1995: 150).

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  10. Sabatier und andere Vertreter verweisen daher auch explizit darauf, dass der Advocacy-Koalitionsansatz als „alternative Konzeptualisierung des Policy-Prozesses“ zur bis dato dominierenden Phasenheuristik der Policy-Zyklen entwickelt wurde, da diese keine Kausalmodell und keine prüfbaren Hypothesen biete, zudem eine in der Regel unrealistische, weil statische Abfolge und Zeitlichkeit impliziere, und eine staatszentrierte „top-down“ Interpretation politischer Vorgänge begünstige (Sabatier 1993: 116ff).

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  11. Die dominierenden Advocacy-Koalitionen weisen eine Nähe zu so genannten Diskurskoalitionen auf. Nach Hajer (1993) werden diese von Akteuren aus verschiedenen sozialen Zusammenhängen gebildet und sind in der Lage, ihre Definition bzw. Sichtweise eines Problems (oder einen politischen Lösungsansatz für das Problem) gegenüber anderen Problembeschreibungen durchsetzen und damit den Policy-Prozess und das-Ergebnis zu dominieren.

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  12. Zu funktionalen bzw. „Issue“ Netzwerken siehe auch Hugh Heclo (1978). Beim Netzwerkbegriff ist zwischen seiner analytischen Verwendung und seiner steuerungs-bzw. governance-theoretischen Bedeutung zu unterscheiden (Pappi 1993). Bei der (stark soziologisch geprägten) Policy-Netzwerkanalyse wird das Ziel verfolgt, die Akteure und ihre Beziehungen zu erfassen und die daraus erkennbaren Strukturen zu klassifizieren (Waarden 1992; Pappi 1993). Davon zu unterscheiden ist nach Pappi (1993) die Diskussion um die Rolle von Politiknetzwerken als besondere Erscheinungsform der Interessenvertretung oder der Politiksteuerung, wie sie Heclo für die USA angestoßen und in der europäischen Politikwissenschaft der 1990er Jahre umfangreich geführt wurde (vgl. u. a. Marin/ Mayntz 1991). Dirk Messner entwickelte in seiner Dissertationsarbeit „die Netzwerkgesellschaft“ schließlich ein Verständnis von Netzwerksteuerung, welche er als Antwort auf die einerseits abnehmende Souveränität des Staates (abnehmende Bedeutung der hierarchischen Steuerungsform, „Entzauberung des Staates“) und andererseits „auf die Luhmannsche Komplexitätsproblematik“, nach der die Steuerungsfähigkeit von Gesellschaften grundsätzlich in Frage gestellt wird, konzipiert (Messner 1995).

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  13. Der Aspekt des policy-orientierten Lernens nimmt im Advocacy-Koalitionsansatz eine wichtige Rolle ein. Hierzu werden verschiedene Hypothesen aufgestellt, die das Lernen, seine Voraussetzungen und Eintrittswahrscheinlichkeit innerhalb einer Koalition sowie über die handlungsleitenden Orientierungen verschiedener Koalitionen hinweg beschreiben (Sabatier 1993; siehe auch Bandelow 2003). Im Rahmen dieser Arbeit spielt Policy-Lernen im Sinne der Erfassung und Analyse relevanter Strategiewechsel bedeutender Akteure und Koalitionen ebenfalls eine wichtige Rolle, es erfolgt jedoch keine tiefer gehende Auseinandersetzung mit der Policy-Lerntheorie.

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  14. Hier weist der Ansatz eine Nähe zu den Arbeiten von Campell, Hollingsworth, Lindberg und anderen auf (Campell et al. 1991b), die zu Beginn der 90er Jahre die „Governance-Transformationen“ in amerikanischen Sektoren untersucht haben. Ihr Ansatz, der der politischen Ökonomie, Institutionenökonomie oder der ökonomischen Governance-Forschung zugeordnet werden kann, berücksichtigt ebenfalls einen längeren Zeitraum, um z.B. Pfadabhängigkeiten, umfassende Sektorprobleme, die einen Wandel verursachen können („pressure of change“) und sich neu herausbildende „governance-regimes“ erfassen zu können (Campell et al. 1991a). In ihren „historical case studies“ werden „political, economic, technological, and other structural conditions that contributed to these [governance] transformations as well as the perceptions, preferences, and struggles of the actors involved“ berücksichtigt (ebda.: 31f).

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  15. Sabatier führt hierzu als Beispiele die energiepolitischen, strategischen Wechsel-Entscheidungen in den 70er Jahren in den USA von Öl zu Kohle und in Frankreich zur Nuklearenergie an (Sabatier 1993: 124). Die Pfadabhängigkeiten der deutschen Energiepolitik bzw. Energiewirtschaft hat Danyel Reiche (2004a: 13, 29ff) in einer auf die Energieträger bezogenen Zusammenstellung skizziert.

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  16. „The Advocacy Coalition Framework explicitly assumes that most coalitions include actors from multiple levels of government“ (Jenkins-Smith/ Sabatier 1994: 189).

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  17. Eine übersicht unterschiedlicher Forschungslinien politischer Mehrebenensysteme in politikwissenschaftlichen Teildisziplinen siehe bei Benz (2004b: 127ff).

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  18. Die Autoren führen eine Reihe von alternativen Konzeptentwicklungen auf, die parallel zu Multi-Level governance entwickelt wurden (wie z.B. James Rosenaus (2004) „spheres of authority“), die jedoch nach Ansicht der Autoren keine vergleichbare Bedeutung und Verbreitung erfahren haben: „To date, however, none of these alternative conceptualisations has captured the imagination and thus seeped across academic boundaries in the way that multi-level governance has begun to do“ (Bache/ Flinders 2004b: 4).

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  19. Der Begriff selbst stammt aus den Wirtschaftswissenschaften und wurde dort von Oliver E. Williamson (1979) im Rahmen der Transaktionskostenökonomie für die Kooperationsformen von Unternehmen (Firmen-Hierarchien, die zur Senkung von Transaktionskosten führen) als Erweiterung des reinen Marktmechanismus eingeführt. Mit der Weiterentwicklung zur neuen Institutionenökonomik spielte auch der Staat als Rahmen bzw. Regeln setzender Akteur eine zunehmend wichtige Rolle. (Zur disziplinär unterschiedlichen Verwendung des Begriffs siehe Brunnengräber et al. 2004b).

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  20. Diese engere Begriffsverwendung findet sich bei Vertretern wie Rod A. W. Rhodes und James N. Rosenau (z.B. Rhodes 1996; Rosenau 1992) oder den sozialwissenschaftlich geprägten Konzepten von Jan Kooiman (z.B. Kooiman 2002). Ein Beispiel für eine weit reichende normative Verwendung in der Praxis ist das „Good Governance“-Konzept der Weltbank, welches Entwicklungs-bzw. Empfängerländern Prinzipien für „gute Regierungsführung“ bzw. für die Reform des öffentlichen Sektors vorgibt (Weltbank 1992).

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  21. Die Aussage bezieht sich dabei explizit auf einen Vergleich zum Liberalen Intergouvernementalismus von Moravcsik (1998), der sich seinerseits auf die Analyse von high politics beschränkt (Jordan 2001).

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  22. Rainer Eising führt dies darauf zurück, dass verschiedene Autoren unterschiedliche Schwerpunkte untersuchen und Blickwinkel einnehmen. Er unterteilt die wesentlichen Unterschiede und zentrale Autoren wie folgt: „Some authors emphazise that national institutions must now share important powers with EU institutions and have lost some of their autonomy (Marks and Hooghe), others point out that a multitude of public and private actors are involved in the process of governing (Jachtenfuchs and Kohler-Koch), some authors refer to the complexity of the networklike configuration (Ansell), and still others highlight the like institutional patterns in EU policy making (Scharpf)“ (Eising 2004: 214).

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  23. Hierbei wird der Policy-Prozess für das EU-System nach Marks et al. (1996) in vier Phasen unterteilt: Die Phase der Problemwahrnehmung (initiation), der Politikformulierung und Entscheidung (decision-making), der Implementierung (implementation) und der Rechtsprechung (adjudication).

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  24. Benz (2004b: 134) definiert in ähnlicher Weise so genannte „Funktionslogiken der Politik“, die er, in leichter Abweichung zu Scharpf, wie folgt differenziert: einseitige Machtausübung (bzgl. Vetoverhalten relevant), Verhandlung, Wettbewerb und wechselseitige Anpassung. Grande (2000: 22) verweist in diesem Zusammenhang zusätzlich auf positive Interaktionseffekte, die durch Diffusion von Politiken, sowohl vertikal zwischen den Ebenen als auch horizontal zwischen Mitgliedstaaten und Regionen entstehen können. Ein solcher Diffusionseffekt ist beispielsweise bezüglich der Verbreitung von Einspeisemodellen zur Förderung von erneuerbaren Energien in Europa zu beobachten (vgl. Bechberger/ Reiche 2006a).

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  25. Peters und Pierre (2004: 84) sehen hier sogar ein grundsätzliches, inhärentes Merkmal von Multi-Level Governance, welches allerdings mit ihrem eher normativ geprägten Governance-Verständnis zusammenhängen dürfte: Multi-Level Governance „is a model of governing which largely defies, or ignores, structure. As in most other accounts of governance, the focus is clearly on process and outcomes.“

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  26. Dies wird auch von neueren Forschungen zu Multi-Level-Governance in einem Sammelband herausgegeben von Achim Brunnengräber und Heike Walk bestätigt (Brunnengräber/ Walk 2007).

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  27. Hierbei erwiesen sich die von Edgar Grande (2000: 18ff) formulierten Aspekte, die „dafür verantwortlich sind, dass das Regieren in Mehrebenensystemen sich tatsächlich von jenem in unitarischen Nationalstaaten, ja selbst von der Regierungspraxis in föderativen Systemen unterscheidet“, als hilfreiche Grundlage.

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  28. Dieser Souveränitätsverlust wurde insbesondere im Kontext der Globalisierung und im Rahmen von Global Governance diskutiert (beispielhaft: Rosenau/ Czempiel 1992; Zürn 1998)

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(2008). Multi-Level Policy-Analyse - Theoretisch-konzeptionelle Bezüge. In: Erneuerbare Energien-Politik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90890-8_2

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