Auszug
Themenvergleichende Forschungsdesigns finden sich in der empirischen Literatur zur Wissenschaftsberichterstattung bislang kaum.29 Generell existieren bislang wenige Arbeiten, die überhaupt vergleichende Forschungsdesigns nutzen. Unter diesen wiederum dominieren Ländervergleiche der Wissenschaftsberichterstattung (z.B. die teils groß angelegten Studien von Bauer u.a. 2006; Bauer & Gaskell 2002; Durant 1992; Durant u.a. 1998; Gerhards & Schäfer 2006a), daneben finden sich einige wenige Vergleiche unterschiedlicher Zeiträume oder Analysen längerer Zeitverläufe (z.B. Bucchi & Mazzolini 2003; Clark & Illman 2006; Kohring & Matthes 2002; Nisbet & Lewenstein 2002). Diese Arbeiten liefern Informationen über den Einfluss nationaler Kontexte auf die Medienberichterstattung und über deren Veränderungen im Zeitverlauf. Sie sind relevante Ergänzungen der von Einzelfallstudien geprägten Literaturlage. Weder Ländernoch Zeitvergleiche sind aber in der Lage, die hier gestellten, beim Medialisierungs-Paradigma und beim Modell der Wissenskulturen offen gebliebenen Fragen zu beantworten.
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Dies scheint für kommunikationswissenschaftliche und mediensoziologische Arbeiten generell zu gelten: Es finden sich viele Analysen der Medienberichterstattung zu Einzelfällen, teils auch Zeitoder Ländervergleiche (Bonfadelli 2002: 96ff). Aber Themenvergleiche existieren, abgesehen von wenigen Ausnahmen (z.B. Entman 1991; Liebes 1992), nicht.
Neben den hier erwähnten Arbeiten gibt es Studien, die die Berichterstattung über wissenschaftliche Themen mit der über andere, nicht-wissenschaftliche Themen vergleichen. So stellen Kitzinger & Reilly (1997) die britische Presseberichterstattung über Humangenetik, über BSE und das „False Memory Syndrome“ gegenüber. Baker & Stokes (2006) vergleichen die überschriften US-amerikanischer und kanadischer Printmedien zu unterschiedlichen „public health issues“, nämlich zu Stammzellforschung, zur Verbreitung des „West Nile Virus“ und zu BSE. Zudem existieren zwei, kleiner angelegte Studien, die themenvergleichende Daten erheben, aber nicht themenvergleichend auswerten. Hornig Priest legt am Rande ihrer Untersuchung von Bevölkerungseinstellungen zu Biowissenschaften eine Analyse der Medienberichterstattung über genetisch veränderte Lebensmittel, Stammzellforschung und Humangenomforschung vor. Diese solle aber, so die Autorin, nicht als „scientific measurement of media content“ betrachtet werden (Hornig Priest 2005: 55, 65ff). Cassidy stellt der Berichterstattung über evolutionäre Psychologie Artikel über den Darwinismus gegenüber, vergleicht beide aber ebenfalls nicht systematisch (Cassidy 2005:131ff).
Derartige Vergleichsstrategien haben, wenn die Zahl verglichener Fälle gering ist, ihre Probleme, v.a. wenn aus den Befunden Erklärungen abgeleitet werden (klassisch: Lieberson 1991; zur Diskussion Savolainen 1994; Lieberson 1994). Dieses Problem lässt sich für den vorgelegten Vergleich dreier Wissenschaftsbereiche nicht lösen, aber doch relativieren. Einer der zentralen Forderungen Liebersons (1991) gemäß wird versucht, abschließende erklärende Aussagen auf Basis der untersuchten Fälle nur mit Vorsicht zu treffen.
Zu diesen Fällen liegen zudem, dies ist ein weiterer Vorteil, wissenschaftssoziologische Beschreibungen ihrer Forschungspraxis vor, und zwar sowohl mikrosoziologische Laborstudien (z.B. Arns 2001; Knorr Cetina 1998; Pinch 1985; Pinch & Gingras 1987) als auch Arbeiten, die stärker die technologische Manifestation dieser Forschungen und ihre gesellschaftliche Implementierung untersuchen (z.B. Abels 1992; Balmer 1996; Hilgartner 2003).
Dafür spricht außerdem, dass Physik und Biologie als Disziplinen sowie die Teilchenphysik und Molekularbiologie als etablierte Teildisziplinen (mittlerweile) höchst differenziert und heterogen sind. Innerhalb der Teilchenphysik werden Teilchen unterschiedlicher Art untersucht und es finden sich theoretische und experimentelle Forschungen mit sehr unterschiedlichen experimentellen Strategien (vgl. z.B. Treichel 2000). Innerhalb der Molekularbiologie ist es ähnlich, dort wird etwa die Struktur und Funktion der DNA resp. von Genen ebenso bearbeitet wie die der Proteine (vgl. z.B. Lodish & Baltimore 1995). Diese Heterogenität führt auch an anderen Orten zu einer Konzentration auf einzelne Arbeitsfelder: Die Zeitschrift „Science“ unterscheidet bei ihrer jährlichen Kür wissenschaftlicher „Breakthroughs of the Year“ Arbeitsfelder, nicht Teildisziplinen (vgl. z.B. Science 2004; 2003; 2002). Repräsentative Umfragen belegen differenzierte Einstellungen der Bürger gegenüber verschiedenen Arbeitsfeldern (vgl. z.B. Eurobarometer 2000: bes. 26ff). Inhaltsanalysen von Medienberichterstattung zeigen, dass die Biowissenschaft nicht als zusammenhängendes Berichterstattungsfeld, sondern nach Arbeitsfeldern differenziert betrachtet wird (Graumann 2002; 2003; Weingart u.a. 2006). Auch theoretische Arbeiten weisen auf die starke wechselseitige Abgrenzung unterschiedlicher Arbeitsfelder hin (vgl. z.B. Stichweh 1994:19f, 26).
Der Gentechnologiebericht der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften definiert die Genomforschung als „Analyse von vollständigen Genomen — einschließlich der Zahl und Anordnung von Genen sowie deren Sequenz und Funktion.“ (Hucho & Köchy 2003: 3) Die vorgelegte Arbeit bezieht sich allerdings nur auf die sequenzierende Humangenomforschung, d.h. auf die Genomforschung an Menschen, die an einer Strukturaufklärung des Genoms interessiert war und weniger auf die so genannte „funktionale Genomik“, die die Funktionen des Genoms resp. seiner Teile aufzuklären versucht.
Für die Neutrinoforschung wurden in jüngerer Zeit zudem mehrere Nobelpreise für Physik vergeben: 1988, 1995 und 2002 (Nobel Foundation 2006). Dies unterstreicht ihre innerwissenschaftliche Relevanz.
Neutrinoforschung findet sich am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) mit den Projekten Baikal NT-200, AMANDA und dem im Bau befindlichen IceCube (vgl. z.B. DESY 1998; 2004; Komitee für Astroteilchenphysik 2006: 74ff). Aber auch darüber hinaus gibt es eine umfassende Neutrinoforschungslandschaft in Deutschland. Das Komitee für Astroteilchenphysik (2006: 88ff) nennt 38 wissenschaftliche Institute mit ca. 100 einschlägigen Arbeitsgruppen. Zudem entstehen eine Reihe weiterer Projekte: Das Forschungszentrum Karlsruhe baut das Experiment KATRIN für Massemessungen der Neutrinos, das MaxPlanck-Institut für Kernphysik in Heidelberg untersucht im Experiment GERDA, ob Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen sind, die TU München beteiligt sich an den internationalen Projekten DOUBLE CHOOZ und LENA und die Universität Erlangen-Nürnberg ist am Tiefsee-Neutrinodetektor ANTARES sowie an einem Projekt zur akustischen Neutrinomessung beteiligt (Komitee für Astroteilchenphysik 2006: 42ff, 76ff).
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(2007). Die Themen der Untersuchung. In: Wissenschaft in den Medien. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90727-7_3
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