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Der Vernehmer als Ratgeber

Oder: die distanzierte Führung des Beschuldigten zur eigenverantwortlichen Selbstführung

  • Chapter
Sozialgeschichte des Geständnisses
  • 669 Accesses

Auszug

Die Auswertung der Falldarstellungen der von uns befragten Vernehmungspraktiker und unsere eigenen Beobachtungen der alltäglichen Vernehmungspraxis verweisen darauf, dass die Motivierung des Beschuldigten zu einem Geständnis mittlerweile ganz selbstverständlich über die Beziehungsarbeit der Vernehmer geleistet wird. Die polizeilichen Vernehmer setzen damit die bereits um 1800 von dem Strafrechtstheoretiker Snell formulierte, dann in den begleitenden theoretischen Diskursen aber in den Hintergrund getretene Erkenntnis um, nach der in unserem Strafverfahren nach Abschaffung der Folter bei nicht geklärter Ermittlungslage die menschliche Hinwendung zum Beschuldigten und das daraus resultierende personale Wechselspiel, die Beziehung zwischen Vernehmer und Beschuldigten, die Quelle aller Geständigkeit im Einzelfall ist.1 Sie anerkennen so den vom strafprozessualen Rahmen immer wieder neu ausgehenden Zwang zur Etablierung einer kommunikativ eduktiven Vernehmungssituation, in der der Beschuldigte zu seinem vermeintlich Besten, zum Geständnis, geführt werden soll.

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References

  1. Vgl. zu den Überlegungen Snells den Beitrag Wirkung einer Naturkraft Niehaus (Abschnitt 5).

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  2. Überdeutlich wird dies in der so genannten ‚Polizeidiversion‘, bei der zur Vermeidung sekundärer Stigmatisierung durch ein formelles Strafverfahren das Ermittlungsverfahren erzieherisch genutzt werden soll: die Beamten bewerten in einem Vermerk gegenüber der Staatsanwaltschaft, ob der (in der Regel jugendliche) Beschuldigte durch das gegen ihn eingeleitete Verfahren, zu dem nicht zuletzt auch die Vernehmung selbst gehört, bereits so weit beeindruckt ist, dass von einer Verurteilung in einem formellen Verfahren abgesehen werden kann. Das von den Polizeibeamten durchgeführte Ermittlungsprogramm ist hier bereits das Verfahren zur Resozialisierung des Straftäters (Schröer 1992a; Kurt 1996).

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  3. Diese Überlegungen schließen an dem auf Foucault zurückgehenden Konzept der Gouvernementalität und dem der neoliberalen Gouvernementalität im besonderen an (Foucault 2004). Einen zusammenfassenden Überblick liefern Lemke, Krasmann, Bröckling (2000).

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Jo Reichertz Manfred Schneider

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© 2007 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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Schröer, N. (2007). Der Vernehmer als Ratgeber. In: Reichertz, J., Schneider, M. (eds) Sozialgeschichte des Geständnisses. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90700-0_9

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90700-0_9

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-14932-5

  • Online ISBN: 978-3-531-90700-0

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