Zusammenfassung
Die Soziologie der Inklusion und Exklusion ist eine theoretische und begriffliche Neuentwicklung in der Sozialwissenschaft der letzten dreißig bis vierzig Jahre. Zumindest drei Quellen und Ursprungskontexte dieser Neuentwicklung lassen sich gut voneinander unterscheiden. Da ist zunächst die soziologische Systemtheorie, in der Spielart, die sich mit den Namen Talcott Parsons‘ und Niklas Luhmanns verknüpft. Diese spricht von Inklusion und Exklusion dort, wo sie die Form der Beteiligung und der Berücksichtigung von Personen in Sozialsystemen analysiert. Das setzt eine ausgearbeitete Theorie des Sozialsystems voraus, und es setzt die Vorstellung voraus, dass Personen zur Umwelt von Sozialsystemen gehören und von diesen in verschiedener Weise kommunikativ einbezogen werden können. Startpunkt der expliziten Entwicklung einer Theorie der Inklusion und Exklusion war Talcott Parsons‘ zuerst 1965 im Daedalus erschienener Aufsatz Full Citizenship for the Negro American? (Parsons 1969), der eine analytische Perspektive vorbereitete, die die Inklusion größerer Bevölkerungskreise als einen Schlüsselprozess in der Ausdifferenzierung der die Moderne prägenden Funktionssysteme auffasste. Eine zweite Quelle der neuen Begrifflichkeit findet sich in der französischen Sozialtheorie. Diese hatte bereits seit Durkheim den Begriff der Gesellschaft mit dem der Solidarität nahezu ineinsgesetzt. Inklusion und Exklusion meinten dann das Gelingen oder das Scheitern der Solidarität, und die französische Diskussionssituation verkörpert seit den sechziger und siebziger Jahren den einzigen Fall, in dem die Semantik der Inklusion und Exklusion in der Sozialpolitik genauso präsent ist wie in der Sozialtheorie. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich ein breites Spektrum von Theoretisierungen, von der Theorie der Sozialdisziplinierung bei Michel Foucault, die sowohl Inklusion wie Exklusion als einen Fall von Disziplinierung auffasst, bis zur Ungleichheitstheorie eines Pierre Bourdieu. Als dritter Herkunftskontext einer Soziologie der Inklusion und Exklusion ist die britische Wohlfahrtsstaatstheorie seit Thomas Humphrey Marshall zu nennen (siehe 1964). Diese dachte die kommunikative Berücksichtigung von Personen in Sozialsystemen als Mitgliedschaft nach dem Paradigma von ‚citizenship‘; sie war darin originell und für die auf Differenzierung setzende Soziologie insofern anschlussfähig, als sie plurale Formen einer solchen Mitgliedschaft (civil, political, social) voneinander unterschied.
Der Text ist während meines Aufenthalts am Wissenschaftskolleg zu Berlin, Oktober 2005 bis Juli 2006, entstanden. Eine frühere Fassung wurde bei der Tagung der Volkswagenstiftung Grenzen, Differenzen, Übergänge. Spannungsfelder inter- und transkultureller Kommunikation, Dresden, 14.-16. Juni 2006, vorgetragen.
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Stichweh, R. (2007). Inklusion und Exklusion in der Weltgesellschaft – Am Beispiel der Schule und des Erziehungssystems. In: Aderhold, J., Kranz, O. (eds) Intention und Funktion. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90627-0_5
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