Zusammenfassung
Gruppen und Teams haben ihre Konjunktur als Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung längst hinter sich. Wer sich heute noch ernsthaft forschungsmäßig damit beschäftigt, zeigt, dass er sich nicht auf dem Stand soziologischer Theoriebildung befindet. Sowohl die allgemeine Theorie sozialer Systeme wie auch eine systemtheoretisch fundierte Gesellschaftstheorie (vgl. Luhmann 1984 bzw. 1997), die dem Komplexitätsgrad einer zu einer Einheit zusammengewachsenen Weltgesellschaft gerecht werden will, kennt den Begriff der ‚Gruppe‘ als eigenständige Form sozialer Systembildung nicht. Diese Kategorie ist aus dem theorierelevanten Begriffsrepertoire der neueren Systemtheorie gestrichen, auch wenn Gruppen und Teams in unserem alltäglichen Leben in und außerhalb von Organisationen natürlich immer noch eine erhebliche Rolle spielen. Wenn es darum geht, in der heutigen Gesellschaft geeignete Kandidaten ausfindig zu machen, die für eine eigenständige ‚Form des Sozialen‘ in Frage kommen, so wird regelmäßig auf die luhmannschen Unterscheidungen (die Interaktionen, die Organisation, die Protestbewegung und die Gesellschaft) zurückgegriffen (vgl. etwa Baecker 2005: 106ff.). So weit sich diese Theorieanstrengungen explizit mit dem sozialen Phänomen Gruppe beschäftigen, sind sie durchgängig darauf ausgerichtet, zu zeigen, dass damit soziale Konstellationen bezeichnet werden, die theoretisch viel angemessener entweder der Systembildungsform ‚Interaktion‘ (Kommunikation unter Anwesenden) oder der ‚Organisation‘ zuzurechnen sind (dazu exemplarisch Kieserling 1999). Das ernsthafte Festhalten am Gruppenbegriff deutet aus dieser Perspektive darauf hin, dass die Verwender entweder bestimmte Theorieentwicklungen nicht nachvollzogen haben oder einer ideologisch aufgeladenen, inzwischen antiquierten Begrifflichkeit verhaftet geblieben sind. Schaut man auf die jüngste sozialwissenschaftliche Forschungstradition, so ist dieser Verdacht nicht ganz von der Hand zu weisen. Rund um das Phänomen Gruppe ist es in der soziologischen Forschung seit dem Beginn der 80er Jahre ziemlich still geworden. Die letzten Überblicksarbeiten liegen weit zurück (vgl. Neidhardt 1983 und Schäfers 1999).
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Wimmer, R. (2007). Die Gruppe – ein eigenständiger Grundtypus sozialer Systembildung? Ein Plädoyer für die Wiederaufnahme einer alten Kontroverse. In: Aderhold, J., Kranz, O. (eds) Intention und Funktion. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90627-0_14
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