Auszug
Im Winter 1999 demonstrierten anlässlich einer Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) rund 50.000 Menschen im Nord-Westen der USA gegen die in ihren Augen negativen Auswirkungen der ‚neoliberalen Globalisierung’. Die Proteste hatten zur Folge, dass die WTO-Konferenz am 3. Dezember 1999 ohne Ergebnis abgebrochen wurde. Unabhängig davon, dass das Scheitern der Ministerkonferenz in den Augen kritischer Beobachter nicht in erster Linie auf die Proteste, sondern vielmehr auf eine verfehlte Konferenzdiplomatie seitens der Clinton-Administration zurückzuführen ist, und auch unabhängig davon, dass erste globalisierungskritische Proteste bereits zu Beginn der 1980er Jahre stattgefunden haben1, gilt diese als ‚Battle of Seattle’ in die Geschichte eingegangene Demonstration seither als Geburtsstunde der Globalisierungskritikerschaft und wurde zu deren Gründungsmythos.
So war beispielsweise bereits der 10. Weltwirtschaftsgipfel 1984 in London von Protesten und einer Gegenkonferenz (‚The alternative economic summit’) begleitet (Eskola/Kolb 2002: 204). Auch in Deutschland gab es bereits lange vor Seattle globalisierungskritische Proteste: So demonstrierten im Mai 1985 rund 30.000 Menschen gegen den G7-Gipfel in Bonn, und im September 1988 trugen rund 80.000 Menschen ihren Protest gegen die Tagung von Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) in Berlin auf die Straße (Rucht 2002: 50). Einen systematischen historischen Rückblick auf die Entwicklung von globalisierungskritischen Protestveranstaltungen liefern Miriam Holzapfel und Karin König (2001).
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Literatur
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Bemerburg, I., Niederbacher, A. (2007). Globalisierungskritiker in Deutschland: Zwischen moralisch ambitionierter Kritik und professionalisierter politischer Arbeit. In: Bemerburg, I., Niederbacher, A. (eds) Die Globalisierung und ihre Kritik(er). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90624-9_14
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