Europa und die ‚Evangelischen‘: Eine theo-politische Spurensuche

Auszug

‚Europa ‘— ein vielsagendes, vielversprechendes Wort. Und damit beginnen schon die Schwierigkeiten: Europa ist vieldeutig, eindeutig jedenfalls ist es nicht zu identifizieren. Schon eine rein geographische Europadefmition ist schwer, ist Europa doch ein Gebilde mit offenen Grenzen, für manche nicht mehr als „Anhängsel Asiens“.² Besser, weil eindeutiger, scheint eine politische Europadefmition — etwa herausgearbeitet an der Frage, wo und wie Europa als politische Größe entstanden ist, worin es besteht. Die politische Geburtsstunde Europas ist klar erkennbar: aus der mythischen Vorgeschichte heraus tritt Europa auf die Bühne des Politischen in der Zeit Karls des Großen. Der verstand es, die Völker hinter sich und gegen die ‚Araber‘ zu vereinen — und dies unter dem Stichwort ‚Europa‘. So entstanden die Europäer: als politisches Krisenmanagement und in Abgrenzung gegen die Anderen, in diesem Fall den Islam. Nachdem dieser besiegt war und die Europäer wieder unter sich, zerfiel auch die Gemeinsamkeit der Europäer, die sich erst wieder zusammenfanden, als ihnen Gefahr von außen drohte. Europa — keine politische Konstante, sondern eine Variable in der Not? Ein anderer Weg, Europa politisch zu beschreiben, führt über die einzelnen Völker, die sich unter diesem Stichwort und seinen Synonymen (neben Europa, das ‚Heilige Römische Reich‘ oderumfassender, aber weniger greifbar, das‚christliche Abendland‘) jedenfalls zu manchen Zeiten verbinden lassen. Länder in Europa, Europas Klein- und Großstaaten und anderes mehr sind dabei in einem Längsschnitt durch die Geschichte durchaus als Konstanten zu erkennen; offen aber ist, was denn daran das eigentümlich Europäische ist, ob die Summe (welcher) Teile welches Gesamt ausmachen.