Auszug
Religiöse Differenz bringt kulturelle Konflikte hervor, auf die die Zivilgesellschaft nicht hinreichend vorbereitet ist. Zwar stellen Gleichheitsgrundsatz und Toleranzgebot historische Errungenschaften dar, die religiösen Konflikten den politischen Stachel gezogen haben, aber beide verhalten sich zum Phänomen kultureller Differenz abstrakt: Das Gleichheitsprinzip sieht von der Ungleichheit identitätsträchtiger kultureller Zugehörigkeit ab, und die Toleranz setzt religiöse Unterschiede als gleich-gültig herab. Die mit kultureller Differenz und religiöser Ungleichheit gegebenen Konfliktpotenziale im Leben moderner Gesellschaften — der 11. September 2001 ist der weltgeschichtlich symbolträchtige Beweis dafür — werden in der politischen Kultur der Zivilgesellschaften bislang weitgehend ausgeklammert. Damit aber gerät die Konfliktträchtigkeit kultureller, insbesondere religiöser Differenz aus dem Blick. Es fehlen wirksame Regelungen, die diese Differenz austragen und nicht von ihr absehen lassen.
Abdruck aus Rüsen (2006).
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Literatur
Kopp (1994), 29.
Vgl. dazu die im „Teil III: Identität und Anderssein im Spiegel der Geschichte“ zusammengestellten Arbeiten: Rüsen (2002).
Müller (2000), 317–343; Rüsen (2003c), 101ff.
Ackermann/ Müller (2002).
Rüsen (2003d), 119–128; Müller (2003b).
Das heißt nicht, dass das entwickelte theoretische und methodische Arsenal der Hermeneutik in den Kulturwissenschaften, das sich in ihrer spezifischen Wissenschaftskultur seit dem späten achtzehnten Jahrhundert niedergeschlagen hat, schon ausreichte, um die aktuellen Probleme interkultureller Kommunikation hermeneutisch zu lösen. Was alles noch ansteht und der Lösung harrt, hat eindrücklich Joachim Matthes beschrieben: Matthes (1999), 411–426.
Vgl. Kogge (2002); Waldenfels (1990); ders. (2001).
Rüsen (2003a), 90–99.
Schlözer (1990), Vorrede.
von Ranke (1971), 80.
Zum historischen und theologischen Kontext der Zivilreligion vgl. Vögele (2000); Jaeger (2001).
Vgl. dazu Bielefeldt (1998), 188ff.
Marquard (1984b).
Jan Assmann schlägt demgegenüber keinen künstlichen religiösen Polytheismus vor, sondern eine Stärkung des Pantheismus, der sich im Ursprung der Moderne als friedliche Alternative zum Kampf um das monotheistische Wahrheitsmonopol in der kulturellen Differenz exkludierender religiöser Universalismen herausgebildet hat: Assmann (2003); Assmann, in: FAZ, Donnerstag, 28. Dezember 2000, Nr. 301, S. 54. Zur Kritik vgl. Essen (2002); ders. (2004). Assmanns Neopaganismus hat weder das Wahrheitsproblem noch das Problem der Historizität positiver Religionen erledigt. Beides ließe sich vielleicht gegen die schneidenden Zwänge eines unerbittlichen Wahrheitskampfes durch den Primat praktischer Vernunft und ihr gemäßer Wahrheitsansprüche gelingenden Heils gegen dessen Versteinerung in dogmatischen Lehrsätzen erreichen.
Zum Begriff „Weltreligion“ vgl. Ohlig (2002), 111.
Küng (1996).
Als Beispiel sei auf die Bedeutung des Zen-Buddhismus für das Christentum verwiesen, wie sie von Hugo M. Enomiya-Lassalle aufgrund eigener religiöser Erfahrung betont wurde: Enomiya-Lassalle (1992). Von Johannes Kopp, der in dieser christlichen Zen-Tradition arbeitet, stammt das Wort: „Durch meine zen-buddhistische Erfahrung bin ich ein besserer Christ geworden“ (im Gespräch mit dem Verfasser). Vgl. Kopp (1994), 37ff.
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© 2006 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Rüsen, J. (2006). Zivilgesellschaft und Religion — Idee eines Verhältnisses. In: Augustin, C., Wienand, J., Winkler, C. (eds) Religiöser Pluralismus und Toleranz in Europa. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90293-7_14
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