Auszug
Obwohl der Bundespräsident in der Außenpolitik nicht mehr zu sagen hat als auf anderen Gebieten, haben doch viele seiner Aktivitäten außenpolitische Bezüge. Dabei gilt auch und gerade für die Außenpolitik, dass an der Spitze der Bundesrepublik ein Mann steht, der nach einer vielzitierten Formulierung „nur über wenig potestas verfügt, der aber immerhin die Aussicht hat, durch persönliche auctoritas in etwa auszugleichen, was ihm an potestas fehlt“ (Eschenburg 1963: 650). Statt „potestas“ könnte man moderner auch Hard Power sagen, statt „auctoritas“ auch Soft Power. In jedem Fall steht das erste für die Fähigkeit, notfalls auch widerwillige Gefolgschaft zu erzwingen, das zweite für die Fähigkeit, freiwillige Zustimmung zu gewinnen. Der Bundespräsident hat in der gewachsenen Verfassungspraxis und unter normalen Bedingungen nahezu keine Hard Power, aber gerade deshalb beträchtliche Soft Power. Er ist kraft Verfassung zur „Tatenlosigkeit“ verdammt — eine machtpolitische Schwäche, die zugleich eine spezifische Stärke ausmacht. Denn als nahezu einziger deutscher Spitzenpolitiker ist der Bundespräsident zum straflosen „Nur-Reden“ befugt: Nicht die praktische Bewährung seiner Worte, sondern ihre theoretische Zustimmungsfähigkeit begründet sein Image von intellektueller Souveränität und überparteilicher Gemeinwohlorientierung. So kann er durch die Praxis nicht widerlegt werden. Erst seine Machtlosigkeit bewahrt ihn vor „Entzauberung“; erst sie sichert jene „Soft Power“, die eine zentrale Bedingung präsidialer Integrationsfähigkeit ist.
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Weiterführende Literatur
Hartmann, Jürgen/ Kempf, Udo (1989), Staatsoberhäupter in westlichen Demokratien. Strukturen, Funktionen und Probleme des „höchsten Amtes“ Opladen. Interessanter, aber aktualisierungsbedürftiger politikwissenschaftlicher Vergleich des deutschen Präsidentenamtes mit den Staatsoberhäuptern anderer westlicher Demokratien in Theorie und Praxis.
Herzog, Roman, in: Theodor Maunz/Günter Dürig/Roman Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 54–61, Loseblatt-Ausgabe München. Kommentierung der das Präsidentenamt betreffenden Grundgesetz-Artikel durch den Verfassungsrechtler und siebten deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog. Der verfassungsbzw. staatsrechtliche Blickwinkel dominiert. Dennoch handelt es sich um die wohl beste Ausgangsbasis für eine vertiefende Beschäftigung mit dem deutschen Präsidentenamt — zumal im Vergleich mit anderen GG-Kommentaren und teilweise aufschlussreichen Akzent-Verschiebungen zwischen verschiedenen Auflagen.
Jochum, Michael (2000), Worte als Taten: Der Bundespräsident im demokratischen Prozess der Bundesrepublik Deutschland. Gütersloh. Sehr knappe Analyse der präsidialen Praxis im Anschluss an eine teilnehmende Beobachtung der Amtsführung von Bundespräsident Herzog.
Scholz, Günther/ Süskind, Martin E. (2004), Die Bundespräsidenten: von Theodor Heuss bis Horst Köhler, München, 5. Aufl. Historisch-beschreibende Darstellung der bisherigen Bundespräsidenten und ihrer Amtszeiten in personenbezogenen, allgemeinverständlichen und überwiegend gut lesbaren Porträts.
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© 2007 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Jochum, M. (2007). Bundespräsident. In: Schmidt, S., Hellmann, G., Wolf, R. (eds) Handbuch zur deutschen Außenpolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90250-0_11
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