Auszug
Wenn heute von Populismus gesprochen wird, dann denkt man zumeist an rechtspopulistische Parteien, wie sie etwa in Frankreich mit dem Front National, in Belgien mit dem Vlaams Blök oder in Dänemark mit der Dansk Folkeparti zu finden sind. Fast unweigerlich drängt sich das Bild von rhetorisch gewandten Anführern auf, die in aggressiver Weise gegen Ausländer oder das politische Establishment wettern, in ihren Reden gezielt gesellschaftliche Tabuthemen aufgreifen, in unzulässiger Weise vereinfachende Antworten auf komplexe gesellschaftliche Probleme geben—und die trotzdem (oder gerade deswegen) in den letzten zwei Jahrzehnten insbesondere in den europäischen Demokratien starken Wählerzuspruch erfahren haben. Doch Populismus ist ein viel weiteres Feld, als es dieser erste Eindruck zu vermitteln vermag. Man kann eine ganze Reihe von Bewegungen, Parteien, Führern und Regime unter diesen Begriff fassen, die vor jeweils verschiedenen historischen Hintergründen entstanden sind und die unterschiedliche ideologische Ausrichtungen und politische Ziele aufweisen (Puhle 2003, Taggart 2000). So bezeichnet man die Farmerbewegung in den USA des ausgehenden 19. Jahrhunderts genauso als „populistisch“, wie die Gruppe von russischen Intellektuellen, die sich „Volkstümler“ (russisch: Narodniki) nannten. Auch einige autoritäre Entwicklungsdiktaturen in Südamerika, wie die von Perón in Argentinien oder von Vargas in Brasilien, weisen populistische Züge auf. Selbst dem Nationalsozialismus und verwandten faschistischen Bewegungen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen werden bisweilen populistische Eigenschaften attestiert (Puhle 1986: 22 f., Worsley 1969: 242).
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Literatur
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Spier, T. (2006). Populismus und Modernisierung. In: Decker, F. (eds) Populismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90163-3_2
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