Auszug
In den 1980er und 1990er Jahren hat der Lebensstilansatz durch die Diagnosen über den sozialen und kulturellen Wandel in modernen Gesellschaften einen deutlichen Aufschwung erfahren. Die Veränderungen in der Nachkriegszeit wurden durch die Schlagworte Individualisierung, Pluralisierung, Säkularisierung, Rationalisierung, Demokratisierung, Mobilitätssteigerung und Massenwohlstand beschrieben. Diese Prozesse würden, so wurde vielfach postuliert, zu einer partiellen Herauslösung aus traditionellen Sozialformen und -bindungen führen, und dies sei mit einem Verlust von Sicherheiten im Hinblick auf Handlungswissen, Glauben und Normen verbunden (Hillebrand/Kneer/Krämer 1998). Das heißt, das Handeln von Personengruppen, die durch traditionelle Sozialformen definiert sind, könne heute wesentlich schlechter prognostiziert werden, als dies vor diesem Entstrukturierungsprozess der Fall war. Die ‘Berechenbarkeit’ der gesellschaftlichen Entwicklung und die Prognostizierbarkeit von Handlungen gesellschaftlicher Gruppierungen habe abgenommen (Beck 1983; Beck 1986; Esser 1991; Heitmeyer 1996). Insbesondere habe der Einfluss von sozialer Ungleichheit auf Handeln an Bedeutung verloren, denn in Sozialstrukturanalysen haben sich in den letzten 50 Jahren die empirischen Zusammenhänge zwischen den üblichen Indikatoren sozialer Ungleichheit einerseits und Einstellungen sowie Verhalten andererseits verringert (Kreutz 1995: II).
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Hermann, D. (2006). Back to the Roots! Der Lebensführungsansatz von Max Weber. In: Albert, G., Bienfait, A., Sigmund, S., Stachura, M. (eds) Aspekte des Weber-Paradigmas. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90121-3_11
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