Auszug
Die Zukunft Europas, der Europäischen Union und ihrer Stellung in der Welt ist umstritten. An den Beitritten des Jahres 2004 und den vorliegenden Gesuchen weiterer Staaten, Mitglied zu werden, zeigt sich ungebrochen die Anziehungskraft eines Europa, dessen politische (Diskurs)Ordnung die Übernahme eines umfassenden Regelwerkes erfordert. Wer der Gemeinschaft beitreten will, muss ihren acquis communautaire, ihren gemeinsamen Besitzstand übernehmen. Mehrere zehntausend Seiten Regeln und Verträge, die von den Verwaltungen der Aspiranten zu akzeptieren sind, repräsentieren den Diskurs der Vergangenheit und bilden den Rahmen des aktuellen Diskurses. Fou-cault stellte fest: „Niemand kann in die Ordnung des Diskurses eintreten, wenn er nicht gewissen Erfordernissen genügt, wenn er nicht von vornherein dazu qualifiziert ist“ (Foucault 1991: 26). Die Übernahme des acquis communautaire, dieser europäischen Diskursordnung, qualifiziert die neuen Mitgliedstaaten. Fortan kann das neue Mitglied die weitere Entwicklung des acquis communautaire mit bestimmen. Die Geschichte Westeuropas seit den Römischen Verträgen eignet sich für Diskursanalysen, die an Foucault anknüpfen: Der Diskursbegriff, den Foucault entwickelt hat, verbindet die Produktion von Texten mit materiellen, sozialen, politischen und institutionellen Praxen. Anhand der verschiedenen europäischen Dokumente, die einen unterschiedlichen Grad an Konkretheit und rechtlicher Verbindlichkeit aufweisen, lässt sich die europäische Politik und die Europäisierung der Politik der letzten Jahrzehnte umfassend analysieren. Europäisierung bedeutet die Etablierung einer Ordnung des Diskurses, die über spezialisierte Orte des legitimen Sprechens verfügt („Brüssel“), eine Institutionalisierung des Sprechens etabliert und somit eine Ordnung der Macht konfiguriert.
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© 2006 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Schaper-Rinkel, P. (2006). Die Macht von Diskursen. In: Eder, F.X. (eds) Historische Diskursanalysen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90113-8_12
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Print ISBN: 978-3-531-14872-4
Online ISBN: 978-3-531-90113-8
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