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Die neue Welt des Krieges und das Recht: Out of Area-Einsätze der Bundeswehr im verfassungsfreien Raum

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Auszug

In der klassischen Periode des Völkerrechts hatte man es bei der Frage von Krieg und Frieden verhältnismäßig „einfach“: Während man zur Zeit mittelalterlicher Ordnungsvorstellungen noch breite Dispute darüber fuhren konnte - und manchmal auch musste - ob denn ein „gerechter Krieg“, ein „bellum iustum“, gegeben sei, wurde der Krieg zu einer von der Rechtsordnung grundsätzlich erlaubten Sache. Denn längst hatte sich mit dem Durchbruch des modernen Souveränitätsbegriff das „ius ad bellum“ abgelöst von der Beurteilung vorgebrachter Rechtfertigungsgründe und auf ein bloßes „ius in bello“ reduziert. Unter der Voraussetzung also, dass man überhaupt erst einmal den Kriegswillen seinem Gegner „ordentlich“ mitteilte (klassisch in Form der Kriegserklärung und dem damit verbundenen Abbruch der friedlichen Beziehungen zwischen den Kriegsparteien), unter der Einhaltung des humanitären Kriegsvölkerrechts zur Behandlung von Kombattanten und dem Schutz der Zivilbevölkerung, schließlich unter Beachtung der Rechte und Pflichten der neutralen Staaten, die eben gerade kein „Interesse“ an einer Teilnahme hatten, erfuhr der Krieg keine weitere prinzipielle Schranke. Das klassische Völkerrecht zielte daher nicht auf die Abschaffung des Kriegs aus der völkerrechtllichen Ordnung, sondern auf seine „Zivilisierung“. Dabei war der Krieg infolge der sog. „Mediatisierung“ des Menschen im Völkerrecht, die fast ausschließlich die Staaten als Subjekte der Völkerrechtsordnung bestimmte1, eine rein zwischenstaatliche Angelegenheit. Der innerstaatliche „Bürgerkrieg“ war hiervon strikt zu unterscheiden gar kein Krieg im völkerrechtlichen Sinne. Obwohl die „klassische“ Periode des Völkerrechts mit dem Ersten Weltkrieg zu Ende ging, hielt sich diese allgemeine Systematik der juristischen Klassifikation von Krieg, Frieden und - als deren Funktion -Neutralität2 - trotz Kriegsächtung und UN-Gewaltverbot bis weit in die Mitte des 20.

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Literatur

  1. Berühmt-berüchtiger Ausdruck dieses Verständnisses des internationalen Rechts ist wohl in der politischen Theologie Hegels zu finden, wonach das Völkerrecht als bloßer Ausfluss absoluter staatlicher Souveränität lediglich „äußeres Staatsrecht“ sei. Im 20. Jahrhundert ist es vor allem der Rechtstheoretiker Hans Kelsen gewesen, der diese Position kritisierte; vgl. Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts. Die Auffassung, „dass in jeder Rechtsordnung letzlich nur der Mensch Rechtssubjekt sein kann, und dass auch die Staaten und internationalen Organisationen ihre Rechtssubjektivität in der Rechtsordnung des Völkerrechts von Einzelmenschen ableiten“, setzt sich nun immer stärker durch; Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 199.

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  2. Vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen: Köpfer, Die Neutralität im Wandel der Erscheinungsformen militärischer Auseinandersetzungen; van Ooyen, Die schweizerische Neutralität in bewaffneten Konflikten nach 1945.

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  3. Wer einen Blick in die ältere völkerrechtliche Literatur wirft, findet dies bestätigt; vgl. z. B. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. 2; Oppenheim/Lauterpacht, International Law, Vol. II.

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  4. So wird heute nicht mehr auf den schon in der Kriegserklärung zum Ausdruck kommenden subjektiven „Kriegswillen“ sondern eher auf sog. objektive Kriterien abgestellt: „Krieg ist ein Zustand zwischenstaatlicher Gewalt, deren Anwendung solchen Umfang angenommen hat, dass nicht mehr von beschränkten Einzelmaßnahmen gesprochen werden kann“; so z. B. Fischer / Köck, Allgemeines Völkerrecht, 5. Aufl., S. 332.

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  5. 1949 zog man hieraus mit den Genfer Rotkreuz-Abkommen die Konsequenz, dass diese in allen international bewaffneten Konflikten gelten, selbst wenn der Kriegszustand von den Konfliktparteien sogar geleugnet wird; vgl. insgesamt schon in den 70er Jahren: Ipsen, Knut, Zum Begriff des „international bewaffneten Konflikts“, S. 421 ff.; Schindler, Der „Kriegszustand“ im Völkerrecht der Gegenwart, S. 571 ff; sowie ders., Different Types of Armed Confiicts, S. 125 ff.

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  6. Jellinek, Allgemeine Staatslehre.

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  7. Vgl. einführend: Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 2. Aufl., §§ 64–67; Hemekamp, Art. 26 GG; Maunz, Art. 26 GG. Völkerrechtlich vgl. einführend z. B.: Fischer / Köck, Allgemeines Völkerrecht, 5. Aufl., Kimminich, Einführung in das Völkerrech. Zum Begriff der Aggression vgl. Resolution der UN-Generalversammlung über die Definition der Aggression vom 14.12.1974.

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  8. Isensee, Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskommission am 11.02.1993 zum Thema Staatliche Souveränität und militärische Verteidigung; in: Dt. Bundestag, Bd. 2, S. 383.

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  9. Kaiser, Die neue Weltpolitik, S. 500; vgl. auch Pfetsch, Die Rolle des Krieges in der neuen Epoche, S. 140 ff.

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  10. Kühne, Die neuen Vereinten Nationen, S. 379.

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  11. Blumenwitz, Die humanitäre Intervention, S. 4. Aus politikwissenschaftlicher Sicht vgl. Debiel / Nuscheier, Der neue Interventionismus.

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  12. Blumenwitz, ebd., S. 8.

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  13. Vgl. Res. Sicherheitsrat 688 (1991).

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  14. Vgl. Res. Sicherheitsrat 794 (1992); Blumenwitz, Die humanitäre Intervention; S. 9 f.; auch die Klassifikation nicht als humanitäre Intervention, sondern überhaupt als Frieden schaffende Maßnahmen bei Seidl-Hohenveldern / Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen, Rnr. 0248,2026.

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  15. Vgl. Res. Sicherheitsrat 808 (1993) zur Einsetzung des Jugoslawien-Gerichtshofs, Res. 827 (1993) über das Statut und Res. 1166 (1998) zur Einrichtung einer dritten Strafkammer; bzgl. Rwanda vgl. Res. Sicherheitsrat 955 (1994) Schaffung und Statut des Gerichtshofs sowie Res. 1165 (1998) Einrichtung einer dritten Strafkammer, jeweils mit ausdrücklichem Bezug zur Kompetenz nach Kap. VII UN-Charta; Tomuschat, Ein Internationaler Strafgerichtshof als Element einer Weltfriedensordnung, S. 61 ff.; van Ooyen, Auf dem Weg zu einer wirksamen internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 333 ff.; Roggemann, Die Internationalen Strafgerichtshöfe.

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  16. Schwarz, Die Zentralmacht Europas, S. 168.

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  17. Ebd., S. 272.

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  18. Vgl. BVerfGE 90, 286.

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  19. Ebd., 322 und 339.

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  20. Ebd., 344.

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  22. Ebd., 346.

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  23. Richter/ Schuppen, Casebook Verfassungsrecht, S. 518.

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  24. Vgl. m. w. N. Epping, Die Evakuierung deutscher Staatsbürger im Ausland als neues Kapitel der Bundeswehrgeschichte ohne rechtliche Grundlage?, S. 449.

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  25. BVerfGE 90, 348.

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  26. Vgl. BT-Drs. 12/4107.

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  27. Vgl. zum folgenden ausführlich die von Epping, Die Evakuierung deutscher Staatsbürger im Ausland..., S. 424 ff., dargestellte Chronologie der Ereignisse und seine rechtliche Bewertung.

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  28. In der deutschen Verfassungstheorie geht dies zurück auf Smend, Rudolf, Ungeschriebenes Verfassungsrecht im monarchischen Bundesstaat, S. 39 ff.

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  29. Es sei nur erinnert an das Diktum von Carl Schmitt: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“; Politische Theologie, S. 13.

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  30. Vgl. Epping, Die Evakuierung deutscher Staatsbürger im Ausland..., S. 450 f.

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  31. Art. 115a II GG; so auch kurz der Vorschlag bei Epping, ebd., S. 456. Der in Art. 53a GG geregelte Gemeinsame Ausschuss besteht zu 2/3 aus nach Fraktionsproporz bestimmten Mitgliedern des Bundestags und zu 1/3 aus Mitgliedern des Bundesrats, wobei jedes Bunsdesland einen Vertreter entsendet.

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  32. Czempiel, Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskommission am 11.02.1993; in: Dt. Bundestag, Bd. 2, S. 382. Seinerzeit empfahl Czempiel in diesem Falle hilfsweise im Sinne der „Uniting for Peace-Resolution“ 1952 (Korea-Krieg) auf einen Beschluß der Generalversammlung zu rekurrieren, die zwar hier keine völkerrechtlich verbindlichen Beschlüsse herbeiführen kann, wodurch jedoch ein Mindestmaß an Legitimität der UN erhalten bliebe; in seiner schriftlichen Stellungnahme zum Entwurf der Regierungsfraktionen bzgl. der Einfügung eines neuen Art. 24a GG regte er daher eine entsprechende Regelung an; vgl. Czempiel, Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen der Fraktionen..., ebd., S. 446.

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  33. Vgl. van Ooyen, Krieg, Frieden und Grundgesetz, S. 83 ff.

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  34. Eine Subsumtion der NATO-Luftangriffe gegen Jugoslawien unter Art. 51 UN-Charta, der ja das Gewaltverbot nach Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta durchbricht und jedem Staat „naturgegeben“ zusteht bis der Sicherheitsrat die erforderlichen Maßnahmen trifft, entfällt, weil ja im Unterschied etwa zum zweiten Golfkrieg überhaupt kein zwischenstaatlicher Konflikt, sondern ein Bürgerkrieg vorlag. Daraus im Umkehrschluß die Völkerrechtswirdrig-keit abzuleiten, kann jedoch mit dem Bedenken entgegnet werden, dass die Verhinderung von Völkermord in der Rechtsgüterabwägung (sowohl das Gewaltverbot als auch das Verbot des Völkermords sind als sog. „ius cogens“ auf gleicher Stufe der völkerrechtlichen Normenhierarchie) mindestens gleichrangig ist und somit als Rechtfertigungsgrund gelten kann. Dagegen kritisch-mit dem Einwand, dass die Durchbrechung des Gewaltverbots für eine „gerechte Sache“ ohne UN-Mandat zur „bellum-iustum-Lehre“ zurückkehrt und in letzter Konsequenz den Krieg wieder zur freien Disposition der einzelnen Staaten stellt-z. B. Wirth, Zurück zur Lehre des gerechten Kriegs?

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  35. Vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen: Gustenau, Humanitäre militärische Intervention zwischen Legalität und Legitimität; Lutz, Der Kosovo-Krieg.

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  36. Fischer, Serbien gehört zu Europa, S. 3.

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  37. Schöllgen, Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, S. 217.

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  38. Schwarz, Die Zentralmacht Europas (Untertitel).

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  39. Vgl. Seidl-Hohenveldern, Kombattantenstatus für Terroristen?, S. 81 ff.

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  40. Die UN-Polizeieinsätze an denen der Bundesgrenzschutz seit 1989 („Namibia“) teilnimmt, gelten im Bereich der UN zwar als „Blauhelm-Einsatz“; vgl Eisele, Internationale Polizeieinsätze, S. 814. Nach § 8 BGSG ist die Verwendung des BGS im Rahmen von UN, WEU etc. aber auf die „Mitwirkung an polizeilichen und anderen nichtmilitärischen Aufgaben“ beschränkt.

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  41. Schwarz, Die gezähmten Deutschen.

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  42. „Verfassungsänderung durch Verwaltungsakt!“, so schon damals richtig der Liberale Burkhard Hirsch, Zwischenruf beim Vortrag des Sachverständigen Isensee; in: Deutscher Bundestag, Bd. 2, S. 383.

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(2006). Die neue Welt des Krieges und das Recht: Out of Area-Einsätze der Bundeswehr im verfassungsfreien Raum. In: Politik und Verfassung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90077-3_19

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