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Carol Gilligan: Die andere Stimme der Moral

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Auszug

Eine interessante Variante einer Theorie der moralischen und Identitäts-Entwicklung liegt mit dem Ansatz vor, der von Carol Gilligan (geb. 1936) und Mitarbeiter/innen — vor allem Charlene Langdale und Nona Lyons — in den letzten Jahren erarbeitet wurde. Carol Gilligan versucht, die Vorstellung einer anderen, auf Fürsorge-Kategorien aufbauenden Theorie der moralischen Entwicklung stark zu machen und abzusichern, indem sie in Abgrenzung zu Kohlberg vor allem vier Punkte ihres Forschungsprogramms betont, nämlich

  1. 1.

    dass die von ihr hervorgehobene Moral der Fürsorge und Anteilnahme (care) einer Verantwortungsethik entspricht und demnach über Kohlbergs Beschränkung auf Fragen der Gerechtigkeit und der damit verbundenen Pflichtenethik hinausgeht, indem sie zugleich lebensnäher und lebenspraktischer ist;

  2. 2.

    dass die von ihr favorisierten Aspekte der Fürsorge und Verantwortlichkeit bisher von Freud über Piaget bis hin zu Kohlberg aufgrund der Vernachlässigung der weiblichen Entwicklung entweder schlichtweg „unter den Tisch“ fielen (das wäre die schwächere These) oder zur wissenschaftlich initiierten Unterdrückung bzw. „Herabstufung“ von Frauen benutzt wurden (das wäre die stärkere These). Als Beispiel für diese starke These steht Freud, der für Frauen eine im Vergleich zu den Männern beschränkte Gewissensbildung konstatierte; ein Beispiel für die schwächere These bildet Kohlberg, der in seine Längsschnittuntersuchung zur moralischen Entwicklung keine Frauen aufnahm;

  3. 3.

    (In einem versöhnlichen Schritt) zu zeigen, dass Frauen sich überwiegend über Beziehungen definieren, während Männer eher auf unpersönliche (systemische) Kategorien zurückgreifen, dass dies aber sozialisatorisch erworbene Muster sind, die sich zudem so eindeutig in der Praxis nicht finden lassen. Mit diesem Schritt scheint die Gefahr einer „weiblichen“ Rollenzuweisung und -festschreibung gebannt;

  4. 4.

    Methodologisch zu klären, welcher Status ihrem Theorieprogramm zuzuschreiben ist, da dies entscheidende Implikationen für die Forschungspraxis nach sich zieht. Insbesondere gilt es zu untersuchen, ob Kohlbergs Ansatz wichtige Teile des interaktionistischen Programms aufgegeben hat und zu eiem geschlossenen System hin tendiert, das einst gegebene emanzipatorische Versprechungen der Offenheit der Forschung nicht länger einlösen kann.

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© 2006 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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(2006). Carol Gilligan: Die andere Stimme der Moral. In: Sozialpsychologische Entwicklungstheorien. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90064-3_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90064-3_6

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-23158-7

  • Online ISBN: 978-3-531-90064-3

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

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