Zusammenfassung
Kriminalität lässt sich nicht einfach auf (Aus-)Bildungsdefizite und Arbeitslosigkeit zurückführen; sie ist vielmehr in komplexeren Zusammenhängen zu sehen (vgl. Mey 1986). Insofern darf auch Erwachsenenbildung (EB) im Strafvollzug nicht auf die Funktion bloßer Rückfallprophylaxe verkürzt werden. Sie muss vielmehr zunächst einmal von ihrer Aufgabe der Identitätsfindung und Persönlichkeitsstabilisierung her begriffen werden, die ihren eigenständigen (verfassungsrechtlichen) Wert in der Anerkennung und Respektierung der Menschenwürde hat (vgl. Rehn 1998; Kobbé 2005). So stehen Angebote und Maßnahmen der EB stets unter dem Vorbehalt von Sicherheit und Ordnung. Vielfach sind sie im dreiteiligen Tagesablauf (Arbeits-, Frei- und Ruhezeit) auf die Freizeit verwiesen. Die Wahrnehmung solcher Angebote für den Gefangenen freiwillig; jedoch trifft die Anstalt eine Motivierungspflicht (§ 4 Abs. 1). Dem grundsätzlichen Gleichrang von Weiterbildung und Arbeit entspricht es, dass aus- und weiterbildende Maßnahmen anstelle der Arbeit treten können (§ 37 Abs. 3) und dann während der Arbeitszeit stattfinden (§ 38 Abs. 2). Mit zunehmender Rezeption von Methoden und Konzepten allgemeiner EB tragen Didaktik und Inhalte der EB im Strafvollzug stärker Lernbarrieren und -defiziten sowie emotionalen Bedürfnissen der Teilnehmer Rechnung. Nachteilig bemerkbar macht sich jedoch das Fehlen eines Gesamtkonzepts, das die verschiedenen Bereiche der Vollzugsanstalt – von der Arbeit über die Ausbildung und Therapie bis hin zur Entlassungsvorbereitung – zu einem in jeder Hinsicht konsistenten und differenzierten „sozialen Lernfeld“ zusammenschließt.
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Müller-Dietz, H. (2018). Weiterbildung von Strafgefangenen. In: Tippelt, R., von Hippel, A. (eds) Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19979-5_63
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