Skip to main content

Videoanalysen des Schulalltags

Die dokumentarische Interpretation schulischer übergangsrituale

  • Chapter
  • First Online:
Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis

Zusammenfassung

Rekonstruktive Verfahren der qualitativen Forschung zeichnen sich durch ihre Bezugnahme auf die Alltagswirklichkeit der Erforschten, deren (Ethno-) Methoden und kommunikativen Regelsysteme in situ aus. Einen entscheidenden Beitrag leisten hier die Text-interpretativen Erhebungsmethoden, vor allem, wenn sie – wie etwa die Gruppendiskussion (vgl. Bohnsack 2006; Loos/Schäff er 2001) oder das nar rative Interview (Schütze 1987) – das jeweilige atheoretische (Mannheim 1980), handlungsleitende Wissen und den spezifi schen Habitus der Akteure aufzuspüren suchen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 79.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Auch das der videogestützten Beobachtung zugrunde liegende Medium Film wurde in der Ethnologie bereits frühzeitiger, und zwar als „ethnographischer Film“ eingesetzt. Der ethnographische Film wird jedoch weniger als Datengrundlage zur weiteren empirischen Analyse eingesetzt, vielmehr erhält er den Stellenwert eines wissenschaftlichen Endprodukts mit dem Anspruch, die während der Feldforschung gewonnenen Erkenntnisse in bewegte Bilder umzusetzen (vgl. Ballhaus 1995).

  2. 2.

    Dies gilt nicht nur für den deutschsprachigen Raum, sondern auch für die anglo-amerikanische Forschungslandschaft. Diese Einschätzung teilen Knoblauch et al. in der Einleitung zu ihrem 2006 erschienenen Band, der erstmals eine Sammlung von internationalen Beiträgen zu Methodologie und Methoden der Videoanalyse enthält (vgl. auch: Wagner-Willi 2006). Innerhalb der deutschsprachigen Schulforschung bildet die oben zitierte Publikation von Krummheuer/Naujok (1999) jedoch eine Ausnahme: Dort wird das methodische Vorgehen bei der Analyse expliziert. Allerdings dominiert hier die Auswertung des Diskurses gegenüber den nonverbalen Aspekten der untersuchten Interaktionen im Klassenraum.

  3. 3.

    Es handelt sich um ein 2003 abgeschlossenes Dissertationsprojekt mit dem Titel: Rituale und Ritualisierungen des Übergangs im Schulalltag von Kindern – Vergleichende Analyse in einer Berliner Grundschule (vgl. Wagner-Willi 2005). Dieses Projekt ist im Rahmen des seit 1999 eingerichteten Sonderforschungsbereichs: „Kulturen des Performativen“, Teilprojekt: „Die Herausbildung des Sozialen in Ritualen und Ritualisierungen“ (Projektleiter Christoph Wulf), Arbeitsgruppe: Schule und Rituale an der Freien Universität Berlin entstanden (vgl. Göhlich/Wagner-Willi 2001; Wulf et al. 2001). Die Erhebung wurde von der Arbeitsgruppe (Michael Göhlich, Monika Wagner-Willi sowie – zeitweise – Heinz Schlöttke) und Anja Tervooren vorgenommen.

  4. 4.

    Vgl. auch die von Klambeck 2006 vorgelegte Dissertation zu psychogenen Gangstörungen, in der die Möglichkeiten der dokumentarischen Mikroanalyse noch stärker ausgeschöpft werden als hier, sowie die Forschungsarbeit von Nentwig-Gesemann (2006), in der videogestützte Gruppendiskussionen mit Kindern dokumentarisch interpretiert werden.

  5. 5.

    Der Begriff des Mimetischen bezeichnet die kreative Anähnlichung in sozialen, interaktiven Prozessen, die insbesondere in Ritualen wirksam wird (Wulf 1998).

  6. 6.

    Turner rekurriert auf die ethnologischen Untersuchungen zu Übergangsritualen von van Gennep (1986), der selbst bereits die Bedeutsamkeit der Schwellen- bzw. Umwandlungsphase betonte.

  7. 7.

    Der Begriff des Performativen geht auf Austin (1985) und seine Theorie der Sprechakte zurück. Er betont den Aspekt des Vollzugs von Handlungen im (performativen) Sprechakt sowie die Wirkungen und den Verweischarakter performativer Äußerungen. Hier gibt es Parallelen zur Ethnomethodologie, insbesondere zum Konzept der Indexikalität (vgl. Garfinkel 1973).

  8. 8.

    Die im Folgenden verwendeten Begriffe Box und Besitzterritorium sind Goffman (1974) entlehnt. Dabei bezeichnet die Box solches Territorium, auf das das Individuum einen temporären Anspruch hat, wie hier der Sitz- und Tischplatz.

  9. 9.

    Vgl. zum Begriff der kommunikativen Ritualisierung Bohnsack 2004.

  10. 10.

    Die untersuchte Schule hat die Praxis, die Schüler das Frühstück noch vor der Hofpause im Klassenterritorium zu sich nehmen zu lassen. Nach der Pause befinden sich noch entsprechende Utensilien auf den Schülertischen.

  11. 11.

    Der Begriff der Distanz wird im Sinne des von Goffman geprägten Begriffs der Rollendistanz gebraucht, der die Markierung von Distanz als Teil der Rolle definiert (vgl. Goffman 1973). Dementsprechend gehören zur Rolle des Schülers sowohl kommunikative Ritualisierungen als auch – in Auseinandersetzung mit diesen – zu einem gewissen Grad konjunktive, Distanz markierende Ritualisierungen. Dazu korrespondiert die Terminologie Turners, in der die Antistruktur der liminalen Phase in einem dialektischen Verhältnis zur (gesellschaftlichen bzw. institutionellen) Struktur steht.

  12. 12.

    Vgl. zum Begriff der kommunikativen und konjunktiven Ritualisierung Bohnsack 2004.

  13. 13.

    Die Sitzordnung der Klasse 4y ist dominant geschlechtsspezifisch bzw. durch Strukturen der Peergroup geprägt.

  14. 14.

    Zu Fragen der Videographie als Erhebungsmethode, die in diesem Beitrag nicht im Zentrum stehen, vgl. weiterführend auch Brauer/Dehn (1995) sowie Huhn et al. (2000).

  15. 15.

    So ist auch nachvollziehbar, dass die Photographie (vgl. Bateson/Mead 1942) und der Film (vgl. Ballhaus/Engelbrecht 1995) innerhalb der sozialwissenschaftlichen Forschung zuerst in der (ethnologischen) Feldforschung zum Einsatz kamen.

  16. 16.

    Die formulierende Interpretation liegt methodisch auf der Ebene der Berichte aus teilnehmender Beobachtung (vgl. Bohnsack 2000a, 147f.).

  17. 17.

    Innerhalb der Schul- und Kindheitsforschung sind verschiedene Wege beschritten worden, die selektive Wahrnehmung des teilnehmenden Beobachters unter methodische Kontrolle zu bringen. Ein Beispiel bietet die Studie von Krappmann/Oswald (1995) zu Aushandlungsprozessen unter Kindern, die nach dem von ihnen entwickelten formalisierten Verfahren der „Doppelten Überkreuz-Fokussierung“ arbeiten. Hierbei haben zwei Beobachter jeweils eine Unterrichtsstunde zwei nebeneinander sitzende Kinder im Fokus und tauschen in der folgenden Stunde sowohl die Perspektiven als auch die „Fokuskinder“ (1995, 32). Ein anderes Beispiel liefert die ethnographische Untersuchung zum Geschlechteralltag von Schulkindern von Breidenstein/Kelle (1998). Die Autoren suchen die „(unabdingbare) Selektivität als (gewollte) Fokussierung von Beobachtungen zu gestalten“ (1998, 140), indem sie nach dem Verfahren des Theoretical Sampling (Glaser/Strauss 1969) allmählich Kategorien entwickeln, welche die Fokussierung der Beobachtungen lenken. Diese sehr verschiedenen Versuche der kontrollierten Fokussierung können jedoch – im Unterschied zur videogestützten Beobachtung – nicht die Hauptschwierigkeit der teilnehmenden Beobachtung überwinden, da sie für diese konstitutiv ist: die Gleichzeitigkeit der Sammlung und Analyse von Daten schon im Prozess der Erhebung selbst.

  18. 18.

    Vgl. auch den Beitrag von Bohnsack zur Bildinterpretation i. d. Band.

  19. 19.

    Vgl. dazu den Beitrag von Bohnsack zur Bildinterpretation i. d. Band

  20. 20.

    In der o.g. Untersuchung von Krappmann/Oswald wurden Videoaufzeichnungen lediglich als Ergänzung zur teilnehmenden Beobachtung hinzugezogen. Die Autoren führen als Vorteil der teilnehmenden gegenüber der videogestützten Beobachtung an, dass der Beobachter „eine sinnvolle Geschichte“ wahrnehme, die er protokolliere und die bei videogestützter Beobachtung manchmal nicht mehr zu rekonstruieren sei. Eine „sinnvolle Geschichte“ meint jedoch nichts anderes als die in Erzählung eingebettete Unterstellung von Um-zu-Motiven. Dies kommt nicht zuletzt in den vorgelegten Berichten zum Ausdruck, in denen Darstellungen wie folgt zu finden sind: „Jens grinst die ganze Zeit, seine Taktik besteht darin, seine Schläge nicht so stark werden zu lassen, dass das Spiel aufhört“ (1995, 120).

Authors

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2013 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Wagner-Willi, M. (2013). Videoanalysen des Schulalltags. In: Bohnsack, R., Nentwig-Gesemann, I., Nohl, AM. (eds) Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19895-8_6

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-19895-8_6

  • Published:

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-19894-1

  • Online ISBN: 978-3-531-19895-8

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics