Zusammenfassung
Der Beitrag setzt sich vor dem Hintergrund einer noch immer von „hegemonialer Männlichkeit“ und „weißer Suprematie“ geprägten Fußballkultur und der teilweise „rassifizierten“ Integrationsdebatte in Deutschland mit den nicht immer praxistauglichen Integrationskonzepten und -Maßnahmen der Sportverbände auseinander. Entgegen pauschalisierenden Bewertungen des Fußballs als ‚Integrationsmotor‘ bleibt die alltägliche Praxis sozialer Inklusion nur begrenzt medienwirksam vermittelbar und auch aus kulturhistorischer Perspektive ambivalent. Der Fußball bewegt sich demnach stets zwischen den Polen Gemeinschaft und Gegnerschaft, Segregation und Integration, Kosmopolitismus und Nationalisierung und ist somit ein „Seismograph“ gesellschaftlichen Wandels. In diesem Spannungsfeld muss auch die bewusste Weiterentwicklung des Fußballs als Feld für soziale Inklusion betrachtet werden.
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Notes
- 1.
Der Schwerpunkt des vorliegenden Essays bezieht sich ausschließlich auf die Entwicklung des Männerfußballs als gesellschaftlich dominantem, hegemonialen Referenzrahmen. Die fortlaufend verwendete männliche Endung von Akteuren soll nicht nur darauf, sondern auch auf die strukturelle Benachteiligung hinweisen, deren Begründung vor allem in der soziohistorischen und biologischen Konstruktion von Geschlecht und den daraus abgeleiteten Formen von Heteronormativität liegt.
- 2.
Verkörpert deutlich wird dieser Kulturtransfer z. B. in der frühen Benennung des Vereins Britannia Solingen.
- 3.
Wirkungsmächtig werden Menschen durch Benennungen auf eine Reise reduziert, die sie oder ihre Vorfahren einmal gemacht haben bzw. machen mussten. Der vorliegende Essay setzt mit der nachfolgenden Verwendung des Begriffs Migrierte/People of Color (PoC) Benennungen als Selbstbenennungen auf einer Basis der Kritischen Weißseinsforschung im Jahre 2012 (vgl. Lauré al-Samarai und Mysorekar 2007; Eggers et al. 2009; Arndt und Ofuatey-Alazard 2011; Olson 2004).
- 4.
Mit der Umbenennung von Hilalspor Stuttgart wurde die Absurdität sozialer Konstruktionen von „Fremdheit“ offensichtlich: Als der Verein dann FC Stuttgart hieß, ‚trauten‘ sich erheblich mehr Menschen, ihre Kinder dort anzumelden (vgl. Dembowski 2010b, S. 84).
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Dembowski, G. (2014). Zwischen Gemeinschaft und Gegnerschaft–Anmerkungen zum Potential des Fußballs für soziale Inklusion. In: Gebken, U., Vosgerau, S. (eds) Fußball ohne Abseits. Bildung und Sport, vol 4. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19763-0_5
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