Zusammenfassung
Politische Akteure sind in ihrem täglichen Handeln und Entscheiden auf kompetente Beratung angewiesen. Es verwundert daher, dass die offensichtliche Verknüpfung von Politik, Wissenschaft und Politikberatung von der Politikwissenschaft in Deutschland lange Zeit wenig zur Kenntnis genommen wurde. Während in den USA der Politikberatung schon immer ein hoher Stellenwert im wissenschaftlichen Diskurs beigemessen wird und als Beratungskultur auch Teil öffentlicher Debatten ist, steckt diese Diskussion in Deutschland noch in den Anfängen. In den 1990er Jahren – auch durch die Regierungszeit des Bundeskanzlers Gerhard Schröder – verstärkte sich jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung der Eindruck eines neuen Politikstils mit einem wachsenden Einfluss politischer Berater und Ideengeber von außen: „Die Berater sind los!“ titelte Die Zeit damals in überraschter Rhetorik (Hofmann 1998). Auch im politikwissenschaftlichen Feld hat sich seitdem das Interesse an Politikberatung, angewandter Politikforschung und deren Möglichkeiten zumindest intensiviert. Das Schlagwort von der „Beraterrepublik“ verweist letztlich auf zweierlei: Einerseits nimmt der Beratungsbedarf der Politik in der Bundesrepublik Deutschland ebenso wie in anderen modernen Demokratien auf Grund immer komplexer werdender Probleme und multipler Interdependenzen zu. Politikberater sind nicht nur in formalen wie informellen Beratungsrunden von Parlament und Regierung, sondern auch in den Medien vielfach präsent. Andererseits macht das Schlagwort auf Kontroversen aufmerksam, die um die Leistungsfähigkeit und Legitimität von Politikberatung geführt werden. Ablesbar ist der Stellenwert der Politikberatung auch an einer größeren Zahl wissenschaftlicher Publikationen (z. B. Cassel 2001; Falk u. a. 2006; Bröchler/Schützeichel 2008; Weingart/ Lentsch 2008) wie auch praxisorientierter Veröffentlichungen (z. B. Althaus/Meier 2004; Busch-Janser u. a. 2007) sowie der Begründung eines Fachmagazins (Zeitschrift für Politikberatung 2008ff.) zum Thema.
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Notes
- 1.
Wir bedanken uns für die wertvollen, weiterführenden Anregungen, die wir von Dr. Frank Gadinger (Universität Duisburg-Essen) für diesen Grundsatzartikel bekommen haben.
- 2.
Grundsätzlich dazu Korte/Grunden (2012).
- 3.
Das bezieht sich konkret auf die gestiegenen Erwartungshaltungen der Bürger gegenüber staatlichem Handeln.
- 4.
Dazu hat sich bereits 1959 Charles Lindblom mit seinem Diktum von Public Policy als Kunst des „Durchwurstelns“ („muddling through“) maßgeblich geäußert.
- 5.
Hier gilt der Bezug auf die sozialwissenschaftlichen Fundamenten des Kompetenzbegriffs: Die Soziologie Max Webers, die Sprechakt-Theorie von Chomsky, die pragmatisch-funktionale Tradition der amerikanischen Psychologie (Klieme/Hartig 2007: 14-19).
- 6.
- 7.
Manchmal – wie unmittelbar nach der Atomkatastrophe von Fukushima – verkürzt die Politik auch eigenmächtig die Zeitkorridore, um entscheidungsfähig zu bleiben.
- 8.
Für eine systematische Erörterung des Begründungszusammenhangs, siehe Mayntz (2009).
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Glaab, M., Korte, KR. (2012). Angewandte Politikforschung – Konzeption und Forschungstradition. In: Glaab, M., Korte, KR. (eds) Angewandte Politikforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19672-5_1
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