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Der Forschungsprozess

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Zusammenfassung

In diesem Kapitel wird der Gesamtverlauf des Forschungsprozesses offen gelegt und methodisch reflektiert. Einleitend wird die Entwicklung der Fragestellung nachgezeichnet, wie sie sich im Verlauf des Forschungsprozesses ergab (Kap. 4.1). Im Anschluss an die Untersuchungsanlage (Kap. 4.2) werden die verschiedenen Erhebungsinstrumente der Forschung dargestellt (Kap. 4.3). Aus dem Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, dem biographischen Umgang mit Erfahrungen von Migration unter Einbezug der sozialen Lebenswelt(en) von MigrantInnen, resultiert sowohl die ethnographische Anlage der Untersuchung als auch der Forschungszugang über narrativ-biographische Interviews. Nach einem Unterkapitel zur Bedeutung der Sprache im Feld (Kap. 4.4) werden der Zugang zum Feld (Kap. 4.5) sowie die Sample-Bildung und Auswahl derjenigen Fälle, die im nachfolgenden Teil der Arbeit ausführlich vorgestellt werden, dargestellt (Kap. 4.6).

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Notes

  1. 1.

    Der Name der Stadt wurde pseudonymisiert.

  2. 2.

    Im Einzelnen wurden Interviews mit fünf Kindern von MigrantInnen im Alter zwischen 14 und 19 Jahren, mit drei Migranten zwischen 24 und 29 Jahren, einem Geschwisterteil (38) und einer Ehefrau eines Migranten (34) und zehn Elternpaaren von MigrantInnen im Alter zwischen 48 und 66 Jahren durchgeführt. Zusätzlich wurde in Form eines Experteninterviews der Bürgermeister und frühere Schuldirektor des Dorfes interviewt. Bei diesen Interviews waren insgesamt elfmal eine, sechsmal zwei, dreimal drei und einmal vier Personen anwesend.

  3. 3.

    Von mittelbarer Anbindung an das Dorf Satulești wird zum einen im Fall von Kindern gesprochen, deren Herkunftsort nicht Satulești ist. Einige jüngere Kinder wurden in Italien geboren. Zum anderen wird von mittelbarer Anbindung an das Dorf Satulești gesprochen, wenn Familien definitiv in andere Regionen Rumäniens migriert waren, allerdings noch Verwandte in Satulești hatten (vgl. Kap. 5.2.3.1).

  4. 4.

    Der Übergang zwischen themenzentrierten und ethnographischen Interviews ist fließend (vgl. Kap. 4.3.1). Für diese Auflistung wird von ethnographischen Interviews gesprochen, wenn die Interviews vonseiten des Forschers bewusst nicht auf Tonband aufgezeichnet wurden, um dadurch den Gesprächscharakter der Interviews nicht zu gefährden.

  5. 5.

    Bei diesen themenzentrierten Interviews waren pro Familie neunmal ein, sechsmal zwei und zweimal drei Familienmitglieder anwesend. Mit zwei Personen aus diesen Familien wurden während des dritten Aufenthaltes narrativ-biographische Interviews geführt.

  6. 6.

    Diese themenzentrierten Interviews im Ankunftskontext wurden viermal mit einer, fünfmal mit zwei und einmal mit drei Familienmitgliedern geführt.

  7. 7.

    An diesen mehrmaligen Interviews waren pro Familie insgesamt zweimal eine, viermal zwei, zweimal vier und einmal fünf Personen aus den Familien beteiligt.

  8. 8.

    Bei diesen Interviews waren pro Familie insgesamt fünfmal zwei, siebenmal drei, fünfmal vier, und zweimal fünf Familienmitglieder anwesend.

  9. 9.

    Generell wird die Auffassung vertreten, dass jegliche Form von Interview in einem buchstäblichen Sinne auch teilnehmende Beobachtung mit einschließt. Jede Form von Interview umfasst sowohl teilnehmende Beobachtung als auch beobachtende Teilnahme. In den nachfolgenden Ausführungen werden daher alle anderen Formen von Interviews als das narrativ-biographische Interview, die ebenfalls im Feld verwendet wurden, in das erste Unterkapitel zu ethnographischen Forschungsmethoden (Kap. 4.3.1) mit aufgenommen.

  10. 10.

    In der vorliegenden Arbeit wird ein breiter Begriff von Feldforschung verwendet. Im Einzelnen ließe sich zwischen der ethnographischen Feldforschung zur Hervorhebung des Verfahrens der teilnehmenden Beobachtung und der Feldforschung als Kontaktaufnahme mit InformantInnen zur Durchführung von Interviews unterscheiden (vgl. Riemann 2010).

  11. 11.

    In ähnlicher Weise wird auch von James Clifford (1997) vor dem Hintergrund der zunehmenden Mobilität von Personen eine multilokale Forschung eingefordert, die die verschiedenen Orte, an denen sich die Personen aufhalten, einbezieht.

  12. 12.

    Marcus’ methodischer Ansatz bildete sich vor dem Hintergrund einer von KulturwissenschaftlerInnen und AnthropologInnen geführten Debatte um den Kultur-Begriff. Mit Zunahme der Interaktionsfrequenz zwischen den Gesellschaften und der steigenden Prominenz des Begriffs der Globalisierung wurden Konzepte, die von einer an bestimmte geographische Räume gebundenen Form von Kultur ausgingen, stärker hinterfragt. Welz (1998) merkt dazu kritisch an, dass die Debatte um den Kulturbegriff mit Beiträgen von Appadurai (1989, 1990), Hannerz (1995) und auch Clifford (1986, 1992) vor allem von Wortführern getragen worden sei, die kaum eigene empirische Arbeiten vorweisen konnten. Dagegen geht es Marcus mit seinem Ansatz um ein Forschungsdesign, mit dem bei Forschungsvorhaben zu Formen von Mobilität die kulturellen Verknüpfungen zwischen verschiedenen lokalen Bezügen untersucht werden. Das Globale ist nach Marcus (1995) dem Lokalen inhärent.

  13. 13.

    Unschwer lässt sich nachvollziehen, dass Forscherinnen manchmal situationsbedingt die Entscheidung über eine stärker involvierte oder eher distanzierte Teilnahme am Feld abgenommen wird. Aus den eigenen Feldaufenthalten hat sich etwa die Situation eingeprägt, als ein Haus im Dorf anfing zu brennen und sofort alle BewohnerInnen und auch ich zu Hilfe eilten, um aus den nächstgelegenen Brunnen Wasser zu schöpfen, mit dem der Brand gelöscht werden konnte. Die Entscheidung über eine engere Teilnahme im Feld als allein über Beobachtung wurde mir ebenso abgenommen, als ich während des zweiten Forschungsaufenthaltes von Rumänien aus nach Rom weiterreiste. Nach einer zweitägigen Busfahrt, während der ich die gesamte Zeit neben einem Bewohner des Dorfes gesessen hatte, und einer Feier bis in die frühen Morgenstunden bei meiner Gastfamilie in Rom – direkt im Anschluss an die Busfahrt anläßlich einer standesamtlichen Trauung, die einige Tage vorher bereits im Herkunftsdorf gefeiert worden war – erfuhr ich, dass ich die nächsten zehn Tage mein Bett mit einem nahen Verwandten der Familie teilen musste.

  14. 14.

    Zu Vertretern, die sich für diese Form der Feldforschung aussprachen und sie in ihren Arbeiten anwandten, gehören unter anderem Robert Ezra Park (u. a. 1925) als Begründer der Chicagoer Schule, Nels Anderson (1923), Frederic M. Thrasher (1927) und William F. Whyte (1943). Der Begriff ‘participant Observation’ als eine soziologische Methode wurde vor allem von Vertretern des symbolischen Interaktionismus (vgl. Becker/Geer 1957) verwendet.

  15. 15.

    In der ethnologischen Forschung vollzog sich eine deutliche Hinwendung zu Fragestellungen, in denen das vermeintlich ‘Eigene’ stärker thematisiert wurde, in den 1980er Jahren. Wichtige Auslöser waren zum einen Studien zu Wanderungsbewegungen (vgl. Mayer 1961), die verdeutlichten, dass sich die Migrationsprozesse nicht nur auf den Ankunfts- sondern auch auf den Herkunftskontext der Migration auswirkten. Zum anderen sorgten unterschiedliche Formen von Migration dafür, dass Angehörige von Bevölkerungsgruppen, deren Herkunftskulturen von EthnologInnen beschrieben worden waren, aufdeckten, wie sehr der Diskurs kultureller Differenz mit Machtprozessen und Mechanismen der In- und Exklusion verbunden war (vgl. Schiffauer 2004). Diesem Problem der Konstruktion von Differenz wird in der vorliegenden Arbeit versucht, mit einem hohen Maß an Selbstreflexivität, mit der Hervorhebung der Kontextabhängigkeit sowie mit einer deutlichen Transparenz in der Dokumentation des Forschungsprozesses zu begegnen.

  16. 16.

    Das Prinzip der Fremdheitsannahme wurde zu einem grundlegenden Merkmal rekonstruktiver Sozialforschung insgesamt (vgl. Kruse 2009). Dahinter steht das Erkenntnisprinzip der ethnomethodologischen Indifferenz bzw. der ethnographischen Fremdheitsannahme und der Versuch eines methodisch kontrollierten Fremdverstehens. Bezogen auf das Prinzip der Fremdheit gibt es Überschneidungen zwischen der Ethnologie bzw. Kulturanthropologie und einer phänomenologisch fundierten Wissenssoziologie, die von einer prinzipiellen Fremdheit zwischen den Handelnden und den InterpretInnen bzw. von einer Aspekthaftigkeit oder Standortgebundenheit von Interpretationen ausgeht (vgl. Schütze 1993 nach Bohnsack 20087). Intersubjektivität muss entsprechend der phänomenologischen Tradition und der Ethnomethodologie auf der Grundlage ständiger Interpretationsleistungen immer erst prozesshaft hergestellt werden, insbesondere wenn die InterpretInnen nicht demselben ‘konjunktiven Erfahrungsraum’ (vgl. Kap. 2.2.2) angehören (vgl. Bohnsack 20087).

  17. 17.

    Vor dem Hintergrund der besonderen Nähe zur Untersuchungsgruppe kann für diese Phase des Aufenthaltes im Herkunfts- sowie für die späteren Phasen im Ankunftskontext, in denen die Unterbringung ebenfalls in Familien aus dem Dorf erfolgte, an Gerd Spittlers (1998, 2001) Konzeption der dichten Teilnahme, in Anlehnung an Clifford Geertz’ (1983) Konzept der ‘dichten Beschreibung’, angeknüpft werden. Sie steht für eine „Radikalisierung der Teilnehmenden Beobachtung“ durch Formen gemeinsamen Erlebens über einen längeren Zeitraum (2001: 12). Spittler ist sich dabei des Problems des going native, dem Eintauchen in ein bestimmtes Feld, sodass der wissenschaftliche Blick dabei verloren geht, durchaus bewusst.

  18. 18.

    Bereits während des ersten Aufenthaltes im Feld stellte ich mich und mein damaliges Forschungsvorhaben in der Gemeindeverwaltung vor. Dieser Kontakt verhalf mir zu einer Liste mit Namen von Familien von MigrantInnen mit ihrem ungefähren Wohnort im Dorf. Die Anbindung an die Familie, in der ich zu Beginn des zweiten Aufenthaltes untergebracht war, verhalf mir jedoch zu einem intensiveren Kontakt zur Gemeindeverwaltung. Im Verlauf der Forschungsaufenthalte wurde allerdings deutlich, dass mit einer Anstellung in der Gemeindeverwaltung zumeist auch die Zugehörigkeit zuVereinem bestimmten politischen Lager im Dorf verbunden war, was den Kontakt zu Personen, die nicht mit dieser politischen Richtung und bestimmten politischen AmtsträgerInnen sympathisierten, beeinträchtigt haben könnte.

  19. 19.

    Die Unterkunft in der Familie im Herkunftsdorf organisierte ich telefonisch. Dabei war ich davon ausgegangen, für die gesamten angekündigten sechs Wochen dieses Aufenthaltes im Herkunftskontext bei der Familie wohnen zu können. Nach zehn Tagen im Dorf wurde mir allerdings mitgeteilt, dass der Sommerurlaub, den die Familie am Schwarzen Meer verbringen wollte, unmittelbar bevorstehe. Dies wurde mit einem Missverständnis bei der telefonischen Absprache erklärt. Mir wurde mitgeteilt, dass ich mich nach einer neuen Unterkunft umsehen müsse. Gleichzeitig wurde mir allerdings signalisiert, dass dies vermutlich nicht einfach sei, da dies eine besondere Vertrauensbasis voraussetze. Hieraus sowie aus einzelnen Freizeitunternehmungen während der ersten Tage wurde mir bewusst, dass die Familie meinen Aufenthalt weniger als einen intensiven Forschungs- als vielmehr einen Touristenaufenthalt eingeschätzt hatte. Dabei stellte sich für mich zudem die Frage, in welchem Ausmaß ich tatsächlich einen Einblick in den Familienalltag gewonnen hatte. Aus einem längeren Interview während des ersten Aufenthaltes mit Personen aus der Familie war zudem hervorgegangen, dass die Familie bereits zuvor einen Freund aus Italien für zwei Wochen zu Besuch hatte. Davon wurde mir während des ersten Feldaufenthaltes im Zusammenhang mit Bemühungen berichtet, mit der Unterstützung von Freunden aus Italien im Dorf einen Agrotourismus betreiben zu wollen. Unklar blieb für mich, ob meine Aufnahme in der Familie somit möglicherweise auch durch unternehmerische Interessen geleitet war. Ferner kann angenommen werden, dass die Unterbringung eines Westeuropäers für die Familie auch einen Prestigegewinn bedeutete. Generell gilt es, die eigene Position bzw. die ständig sich verändernden Rollenzuweisungen im Feld, soweit sie überhaupt explizit werden, permanent zu reflektieren. Exemplarisch und verkürzt dargestellt wurde ich, soweit mir dies im Feld selbst klar wurde, neben der Rolle des Forschers auch mit der Rolle eines Arztes, eines potentiellen Geschäftspartners, eines Touristen sowie eines potentiellen Schwiegersohns konfrontiert.

  20. 20.

    Neben den einzelnen Feierlichkeiten im Rahmen von Hochzeiten, zu denen etwa die Schmückung des Hauses der Braut, eine abendliche Feier mit Jugendlichen aus dem Dorf, die standesamtliche und die kirchliche Trauung sowie das gemeinsame Feiern mit der Hochzeitsgesellschaft, etwa im Gemeindesaal, gehörten, nahm ich an Trauerfeiern und beobachtend distanziert auch an Beerdigungen sowie Gottesdiensten teil. Zusätzlich hielt ich mich gerade in der ersten Zeit meiner Aufenthalte häufig abends in einer Bar und gleichzeitig der einzigen Diskothek im Dorf auf, um mich mit den Gästen zu unterhalten und Kontakte zu InformantInnen zu knüpfen.

  21. 21.

    Feldnotizen zu bestimmten Gesprächssituationen und -verläufen sowie zu besonderen Interaktionsformen habe ich meist im Nachhinein als Gedächtnisprotokolle angefertigt. In diese Aufzeichnungen gingen Kontextbeschreibungen sowie visuelle Wahrnehmungen ebenso mit ein wie spontane Eindrücke, Gefühle, Selbstreflexionen und erste Ideen einer möglichen Interpretation. ‘Systematische Beobachtungen’ (vgl. Beer 2003) oder Kartographien (vgl. Welz 1991) wurden nicht durchgeführt. Die Aufnahme auf Tonband war lediglich in zwei Interviewsituationen ausdrücklich nicht erwünscht. Hier wurden die Interviews in Form von Protokollen aufgezeichnet.

  22. 22.

    Obgleich offen geführt beinhalteten diese Vorbesprechungen zu längeren teilstandardisierten sowie narrativ geführten und narrativ-biographischen Interviews bestimmte Unterpunkte. So wurde das genaue Forschungsvorhaben – auch wenn darauf bereits eingegangen worden war – vorgestellt und den InterviewpartnerInnen Anonymität zugesichert. Darüber hinaus wurde der Ort des Interviews abgesprochen und auf die Dauer des Interviews hingewiesen.

  23. 23.

    Vor dem Hintergrund dieses beidseitigen Abhängigkeitsverhältnisses wird auch implizit die Frage nach der Gegengabe der Forschenden an Personen der Untersuchungsgruppe gestellt. Im vorliegenden Fall wurde besonderen Wert darauf gelegt, dass dort, wo die Unterbringung bei Familien aus dem Feld erfolgte, zuvor eine Gegengabe vereinbart worden war.

  24. 24.

    Neben eher formalen Besonderheiten bei der Vorbereitung und Durchführung von narrativ-biographischen Interviews, wie dem Hinweis auf die Dauer und Spezifik des Ablaufs, gilt es, bei der Erhebung narrativ-biographischer Interviews in besonderer Weise eine gewisse Vertrauensbasis herzustellen. Diese wird etwa durch eine „ausreichende und glaubhafte Distanz gegenüber Instanzen sozialer Kontrolle“ (Riemann 2010: 225) begünstigt. Vor dem Hintergrund bestimmter Mechanismen sozialer Kontrolle sowohl im dörflichen Herkunfts- als auch im Ankunftskontext der Migration,aufgrund der hohen Konzentration von Personen aus dem Dorf an einigen Orten in Italien, bedeutete dies für die Erhebung der Interviews, dass die Vertraulichkeit der Daten mitunter sehr deutlich zugesichert werden musste.

  25. 25.

    Die erzählgenerierende Eingangsfrage lautete folgendermaßen: Es gefällt mir hier in Satulești. Es gefällt mir, mit den Leuten hier aus dem Dorf zu sprechen. Ich möchte gerne noch mehr über das Leben der Leute von hier erfahren. Ich möchte gerne mehr über ihre Erfahrungen, die sie in ihrem Leben gemacht haben wissen. Das Thema meiner Doktorarbeit sind die Migrationserfahrungen, die die Menschen hier aus dem Dorf gemacht haben. Um genauer zu erfahren, was diese Migrationserfahrungen für ihr Leben bedeuten, möchte ich gerne so viel wie möglich über ihr Leben erfahren. Aus diesem Grund möchte ich Sie/Dich bitten, dass Sie/Du mir Ihre/Deine Lebensgeschichte erzählen/erzählst von Beginn an, von der Kindheit an bis heute – alles was für Sie/Dich wichtig ist und wichtig war. Ich nehme das auf Band auf. Ich höre nur zu, so lange bis Sie/Du fertig sind/bist zu erzählen, ich werde mir einige Notizen machen in der Zeit und Fragen werde ich erst stellen, wenn Sie/Du fertig sind/bist. Sie/Du haben/hast so viel Zeit dafür wie Sie/Du möchten/möchtest. [Imî place aici la Satulești. Imî place să stau de vorba cu oameni de aici, din Satulești. Aş vrea să stiu mai mult despre viaţa oamenilor de aici. Aş vrea să ştiu mai mult despre experienţele pe care le au avut în viaţa lor. Tema mea de doctorat reprezintă experienţele de migraţie pe care oameni de aici le au trait. Pentru a şti mai bine ce inseamna experienţele de migraţie pentru viaţa oamenilor trebui sâ cunosc căt de mult posibil despre viaţa lor. De aceea vă/te rog să mă povestiţi/povesteşti viaţa dumneavoastră/tă de la început, de la copilarie pănă azi – tot ceea ce este şi a fost important pentru dumneavoastră/tine. Şi eu fac o enregistrare. Eu doar ascult pănă aţi/ ai terminat, eu voi scrie în timp ce vorbţi/vorbeşti dumneavoastră/tu căteva lucruri şi voi pune întrebari numai după ce aţi/ai terminat. Dar dumneavoastră/tu aveţi/ai cât de mult timp ce dorţi/doreşti.].

  26. 26.

    Die Eingangserzählung eines der beiden Interviews musste leider aus Zeitgründen unterbrochen werden. Im darauf folgenden Jahr wurde an die Eingangserzählung angeknüpft. Die Nachfrageteile wurden bei beiden dieser Interviews aus zeitlichen Gründen im darauf folgenden Feldaufenthalt ein Jahr später durchgeführt.

  27. 27.

    Zu Untersuchungen zur Erhebung narrativ-biographischer Interviews mit Jugendlichen, die zu teilweise unterschiedlichen Einschätzungen gelangen, vgl. Rosenthal (1995), Mey (1999, 2000) sowie Juhasz/Mey (2003). Nach Mey (1999, 2000) würden Subjekte gerade in der Adoleszenz zu BiographInnen der eigenen Person. Gleichzeitig weist er auf einen besonderen Umgang mit der Textsorte der Erzählung bei Jugendlichen hin. So sei diese nicht „darstellungserforderlich“ (ebd.: 137 nach Juhasz/Mey 2003), da sich Jugendliche sehr stark mit der Gegenwart und Zukunft und weniger mit der Vergangenheit beschäftigten.

  28. 28.

    Das Verfahren der rekonstruktiven Fallanalyse impliziert ein am Einzelfall orientiertes abduktives und sequenzielles Vorgehen. Bei einem abduktiven Vorgehen geht es im Unterschied zu deduktiven und induktiven Verfahren, die beide auf theoretische (Vor) Annahmen zurückgreifen, nicht um die Überprüfung von Theorien bzw. Hypothesen am empirischen Material, sondern um eine am Einzelfall vorgenommene Hypothesengenerierung. Damit verbunden wird die Forschungsfrage aus dem empirischen Material gewonnen und an ihm weiterentwickelt. Abduktion bedeutet somit, dass ausgehend von dem emergent sich Darbietenden zunächst alle als möglich erscheinenden Hypothesen aufgestellt werden, bis sich diese nacheinander, der weiteren Lebensgeschichte folgend, als unwahrscheinlich herausstellen und die wahrscheinlichste Lesart des Falles übrig bleibt. Daraus, welche bewussten oder unbewussten Handlungsoptionen die BiographInnen für sich ausgeschlossen haben, wird schließlich die Fallstruktur sichtbar. Demgegenüber wird bei einem deduktiven Vorgehen von einer bestimmten Theorie ausgegangen, aus der Hypothesen abgeleitet (deduziert) werden, die in einem numerischen Sinne an der Empirie überprüft werden. Im Vergleich dazu beginnt das induktive Vorgehen mit einer Hypothese, für die in der Empirie nach Fakten gesucht wird, um sie „für eine Anzahl von Fällen, für die etwas wahr ist, (zu) verallgemeinern“ (Peirce 2.624 nach Rosenthal 2005: 61). Das Prinzip der Sequenzialität folgt dem Verbot der Gestaltzerstörung. Einzelne Sequenzen der Erzählung werden im Zusammenhang ihres Entstehungskontextes belassen und auf ihre funktionale Bedeutung für die Gesamtgestalt der biographischen Erzählung hin befragt. Die Bedeutung einer Erfahrung, so die Annahme, lässt sich einzig aus ihrer konkreten Einbettung in vorgängige bzw. nachfolgende Erlebnisse aufspüren. Welche Bedeutungen etwa die Migrationserfahrungen für eine Person einnehmen, könne nur aufgeschlüsselt werden, wenn der Versuch unternommen werde, nachzuvollziehen, wie diese Erfahrungen in die konkreten Lebensumstände eingelagert sind. Über das Prinzip der Sequenzialität wird somit die zeitliche Abfolge der einzelnen Lebensereignisse in der Analyse der Lebensgeschichte berücksichtigt, um die Prozesshaftigkeit von Erfahrungen sowie die Verlaufsdynamik ihrer Bedeutungsgenerierung abzubilden (vgl. Fischer/Kohli 1987).

  29. 29.

    Zu den Transkriptionsregeln, die nach Rosenthal (1995, 2005) in dieser Arbeit verwendet wurden, siehe Anhang.

  30. 30.

    Dieser Analyseschritt ist neben den theoretischen Ausführungen Gurwitschs (1975) zur thematischen Feldanalyse deutlich an die Erzählanalyse Schützes (1983) (vgl.Kap. 3.1) angelehnt.

  31. 31.

    Hieran schließt sich nach Rosenthal (1995) als vierter Analyseschritt die sogenannte ‘Feinanalyse’ an. Hierbei werden einzelne Textstellen bzw. Wörter sprachanalytisch genauer auf ihren Sinn- und Bedeutungsgehalt hin untersucht. Dabei können etwa Textelemente ausgesucht werden, die sich durch ihre erzählerische Dichte auszeichnen oder die für die Fallstruktur als besonders relevant erachtet werden. Ferner bieten sich Textstellen an, deren Bedeutungsgehalt bislang noch nicht herausgearbeitet werden konnte. Die Aufschlüsselung dieser Textstellen kann bis hin zu unterschiedlichen Bedeutungen eines Wortes oder der Deutung nonverbaler Ausdrucksmittel reichen. Da es sich bei der vorliegenden Analyse für den Autor um nicht-muttersprachliche Texte handelte, wurde dieser Analyseschritt nicht vorgenommen. So wird davon ausgegangen, dass eine derartige Feinanalyse ausschließlich von MuttersprachlerInnen erbracht werden kann. Zur Bedeutung der Sprache im Feld sowie für den Untersuchungsgegenstand insgesamt vgl. Kap. 4.4.

  32. 32.

    Dausien (1996) verweist an anderer Stelle in diesem Zusammenhang im „Biographiemodell“ - im Gegensatz zum „Handlungsmodell“ (ebd.: 109) – auf eine besondere Komplexität bezogen auf die Aspekte der Prozessualität sowie der Perspektivität hin. So thematisiere die biographische Forschung zwar ebenso, wie verschiedene Handlungen miteinander verknüpft sind. Der Aspekt der Prozesshaftigkeit stelle sich in erster Linie allerdings dar als „Aufschichtung von Erlebnissen und Erfahrungen im biographischen Zeithorizont“ unter dem Aspekt, wie eine Person ihre „subjektive lebensgeschichtliche Erfahrungsaufschichtung (...) als [ihre] Biographie präsentiert“ (ebd.).

  33. 33.

    In zahlreichen Beiträgen zur Biographieforschung ist von einer ‘biographischen Methode’ die Rede. Diese Bezeichnung suggeriert eine in sich geschlossene Methode. Stattdessen handelt es sich um eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen und Forschungsmethoden (vgl. Dausien 1994 sowie als exemplarisches Übersichtswerk Fuchs-Heinritz 20053). Die Bezeichnung ‘biographische Methode’, die sich im Folgenden auf die obigen methodischen Ausführungen bezieht, wird an dieser Stelle gewählt, um die beiden unterschiedlichen Herangehensweisen terminologisch einfacher gegenüberstellen zu können.

  34. 34.

    Die Position als relativ Außenstehender im Feld sorgte insbesondere bei Personen des Samples, die sich selbst als AußenseiterInnen sahen bzw. präsentierten, dafür, dass sich bereits nach kurzer Zeit eine besondere Vertrauensgrundlage und Offenheit herstellen ließ. Dies ging vermutlich mit der Zuschreibung einer Rolle als Verbündeter einher. Darüber hinaus genoss ich vor dem Hintergrund bestimmter Mechanismen sozialer Kontrolle unter den DorfbewohnerInnen – an beiden Kontexten der Migration – eine relative Neutralität und Ungebundenheit im Feld, was es auch in anderen Fällen vermutlich erleichterte, Vertrauen aufzubauen. Gleichwohl galt es, diese eigene Ungebundenheit auch im Feld stets in besonderer Weise deutlich zu machen sowie den Befragten ausdrücklich ihre Anonymität zuzusichern.

  35. 35.

    Strauss (1968) bringt das Beispiel einer anthropologischen Untersuchung über das Leben der Lappen. Die Tatsache, dass sich das Leben der Lappen um Tätigkeiten mit Rentieren drehe, komme etwa darin zum Ausdruck, dass ein einzelnes Wort sowohl die Bedeutung von ‘Leute’ als auch von ‘Rentieren’ habe. Die terminologische Bezeichnung erweise sich somit als ein zentraler „Schlüssel zum System der Lappen, ihre Welt und deren Objekte zu ordnen“ (ebd.: 19).

  36. 36.

    Während meines einjährigen Studien- und Forschungsaufenthaltes an der Universität Bukarest nahm ich an insgesamt zwei Exkursionen in zwei verschiedene Dörfer in der Moldau teil, die nur wenige Kilometer voneinander entfernt liegen. Diese Exkursionen im Dezember 2004 und im Mai 2005 wurden jeweils von Doktorandinnen am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Bukarest organisiert, die sich mit einer speziellen traditionellen Form des Gemeinbesitzes, der sogenannten ‘obşte’, als eine Form der Allmende in dieser Region, beschäftigten (vgl. Şişeştean 2005, Măntescu 2006, Vasile 2006).

  37. 37.

    Das Interesse an meiner Person schien sehr unterschiedlich motiviert. So wurde ich etwa mitunter nach Beschäftigungsmöglichkeiten für MigrantInnen in Deutschland oder nach Möglichkeiten, in Deutschland ein Auto zu kaufen, befragt. Das besondere Interesse konnte sich auch aus meiner besonderen Position innerhalb der Dorfgemeinschaft als eine Person von außen ergeben, woraus mitunter eine besondere Nähe und Vertrauensbeziehung zu Personen aus dem Dorf hervorging (vgl. 4.3.2). Gleichzeitig wurde ich durch mein Wissen über zahlreiche Familien aus dem Dorf im Verlauf des Forschungsaufenthalte zu einem Medium innerhalb der Kommunikations- und sozialen Kontrollprozesse unter den DorfbewohnerInnen. Darüber hinaus korrespondierte das Interesse an meiner Person vielfach mit den mir zugeschriebenen Rollen im Feld (vgl. Kap. 4.3.1 Fußnote 107).

  38. 38.

    In zwei dieser abschließenden neun Fälle des Samples ergab sich die Entscheidung zur Migration als Handlungsfolge aus einer vorangegangenen Migrationsentscheidung der Eltern. Damit sind die Migrationsprozesse dieser beiden Fälle in entscheidender Weise generationsspezifisch gelagert. Beide Fälle wurden in das Sample mit aufgenommen, da sich in ihnen im Sinne der entworfenen Typologie eine besondere, nämlich Generationen übergreifende Form der Kontinuität von biographischen Orientierungen und Projekten zeigte (vgl. Kap. 7.3.7).

  39. 39.

    Es geht hierbei um eine Typenbildung am Einzelfall. Hierzu wurden zunächst die Regeln und Wirkungszusammenhänge rekonstruiert, die die einzelnen Fälle jeweils in spezifischer Form konstituierten (vgl. Kap. 4.3.2). Dabei geht es im Sinne Lewins (1967 [1927]), für den ein Typus für einen möglichen Umgang mit sozialer Wirklichkeit steht, nicht um die Häufigkeit des Auftretens eines Typus. Stattdessen werden Fälle präsentiert, bei denen davon ausgegangen wird, dass sich in ihrer konkreten Besonderheit allgemeine und für das vorliegende Migrationsfeld ‘typische’ biographische Bearbeitungsstrategien von Migrationserfahrungen im Lebenslauf zeigen.

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© 2013 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Kempf, A. (2013). Der Forschungsprozess. In: Biographien in Bewegung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19656-5_5

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