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Kalkül versus Katastrophe: Klimawandel im Verhältnis von Wissenschaft und Massenmedien

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Kalkül versus Katastrophe
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Zusammenfassung

Der in Kapitel 2.2.1 eingeführte Systembegriff erlaubt es, Kommunikation in den Begriffen der Selbst- und Fremdreferenz zu unterscheiden. Ein System kann sich dem folgend nur in Abgrenzung zu seiner Umwelt erhalten, das heißt in Selbstreferenz. Deshalb kann das System seine Abgrenzung zur Umwelt nur in sich, nur in seiner Selbstreferenz abbilden, und zwar als Unterscheidung von Selbst- und Fremdreferenz (Luhmann 1992, 74). Begriffe, wie Medialisierung oder Verwissenschaftlichung lassen sich demnach nicht als ein mehr oder weniger konkurrierendes Ineinandergreifen, sondern nur als ein Ausweiten der Massenmedien oder der Wissenschaft verstehen, in sofern, als dass für diese funktionsspezifischen Systeme eine Komplexitätssteigerung auf beiden Seiten der Unterscheidung von Selbst- und Fremdreferenz beobachtet werden kann. Das heißt auch, dass „die Bedingungen der Reproduktion von sozialen Systemen gleichzeitig Bedingungen für Selbst- und Fremdgefährdungen mitproduzieren“ (Büscher 2010, 37).

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Notes

  1. 1.

    Hierbei findet die von George Spencer Brown als „Begrifflichkeit des Formenkalküls“ (Luhmann 1992, 69) beschriebene Figur des re-entry ihre systemtheoretische Verwendung: Um das Paradox, das entsteht, wenn eine Unterscheidung auf sich selbst angewendet wird, zu entfalten, muss eine Unterscheidung in sich selbst wiedereingeführt werden.

  2. 2.

    Helmut Wiesenthal bezieht diese Beobachtung auf die deutsche Regierungskoalition, bestehend aus den Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Legislaturperiode 1998 bis 2002.

  3. 3.

    Im voranstehenden Kapitel wurden bereits die „Formen der Zeitbindung“ (Luhmann 1991, 62) erwähnt, die die durch Entscheidungen gegebene Gegenwart der Gesellschaft beansprucht, nämlich Normen, Knappheit und Risiko. Sie erleichtern das Zustandekommen von Entscheidungen, sie erlauben es, sich in Entscheidungen leiten lassen zu können. Entscheidungen können geleitet sein eben durch die Bezugnahme auf Normen, auf Knappheit oder auch auf Risiko. Weil aber, wie ebenfalls im Voranstehenden bereits erwähnt „jede Festlegung einer bestimmten Zukunft sozial diskriminierend wirkt, also nicht alle gleich begünstigt, bzw. belastet“ (ebd. 139 f.), entstehen zwischen Ablehnung und Anerkennung soziale Spannungen, beispielsweise als „Bauernkriege, Arbeiterbewegung oder Tarifverhandlungen“ (Japp 2010, 285), woraus sich letztlich wiederum „Ordnungsgewinne“ (ebd.) ergeben. Geht es in diesen Fällen jedoch noch um Fragen rechtlicher Normierung und der Knappheit von Eigentum, gilt die Ablehnungskommunikation, die hier als Katastrophenkommunikation bestimmt wird, nun vielmehr der Frage nach dem Risiko von Entscheidungen.

  4. 4.

    Auch hierbei greift der in Kapitel 5.1 bereits angemerkte Begriff des re-entry, wonach das Paradox, das entsteht, wenn eine Unterscheidung auf sich selbst angewendet wird, nur entfaltet werden kann, indem die Unterscheidung in sich selbst wiedereingeführt wird: im Falle der wissenschaftlichen Problembestimmung in der Spezifizierung von Nichtwissen als das Wissen um das Nichtwissen.

  5. 5.

    Peter Wehling verweist hier zum einen auf die einschlägigen Veröffentlichungen von Jerome Ravetz Ende der 80er Jahre, wo in diesem Zusammenhang der Begriff der science-based ignorance geprägt wird, zum anderen auf Niklas Luhmanns systemtheoretische Variante der Selbstreferenz, in die in Kapitel 2.2.1 bereits eingeführt wurde, wonach alle Systeme ihre Bedingungen selbst erzeugen und somit hinsichtlich des Wissenschaftssystems ein Mehr an Wissen auch immer ein Mehr an Nichtwissen bedeutet (Wehling 2011, 537).

  6. 6.

    Klaus Peter Japp nimmt hierbei Bezug auf Niklas Luhmanns Bestimmung einer ökologischen Kommunikation (Luhmann 1986) als eine Kommunikation, die davon gekennzeichnet ist, dass sie mit der Gefahr von zuviel und zu wenig gesellschaftlicher Resonanz zugleich einhergeht.

  7. 7.

    Hans Mathias Kepplinger spricht in diesem Zusammenhang gar von einem „Wettbewerb“ politischer Parteien um „die präventionspolitische Führungsposition“ und dem entsprechend von einem „Interesse an positiver Medienresonanz“ sowohl von Wirtschafts- als auch von Forschungsunternehmen hinsichtlich der „konkreten Sorge um die Entwicklung des Weltklimas und seiner Folgen“, wobei „latente intellektuelle Motive“ bedient werden, etwa „die oft religiös geprägte Forderung nach der Bewahrung der Schöpfung, was immer man darunter verstehen mag; die moderne Variante der platonischen Idee eines Philosophenkönigtums, die Vorstellung einer aus wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeleiteten Politik; der alte Traum von einer Weltregierung, die die Interessen aller Menschen vertritt; die generelle Kritik an der wildwüchsigen Entwicklung von Wissenschaft und Technik sowie die spezifische Kritik an den kapitalistischen Industriegesellschaften und ihrem beschleunigten Ausgreifen, der Globalsierung“ (Kepplinger 2008, 4 f.).

  8. 8.

    „Der größte Teil des beobachteten Anstiegs der mittleren globalen Temperatur seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist sehr wahrscheinlich durch den beobachteten Anstieg der anthropogenen Treibhausgaskonzentrationen verursacht.“ (Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle 2008, 44). Dabei „werden folgende Wahrscheinlichkeitsbereiche verwendet, um die geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeit auszudrücken: praktisch sicher >99%; höchst wahrscheinlich >95%; sehr wahrscheinlich >90%; wahrscheinlich >66%; wahrscheinlicher als nicht >50%; etwa so wahrscheinlich wie nicht 33% bis 66%; unwahrscheinlich <33%; sehr unwahrscheinlich <10%; höchst unwahrscheinlich <5%; außergewöhnlich unwahrscheinlich <1%“ (ebd. 31).

  9. 9.

    Weil sich, wenn überhaupt, immer erst im Nachhinein beobachten lässt, ob eine Entscheidung eine dem Risiko angemessene Reaktion auf eine Gefahr war oder nicht, kann eine Entscheidung trotz allen, aber eben nur gegenwärtig, verfügbaren Wissens nur unter der Bedingung von Nichtwissen getroffen werden (Japp 1999, 25 ff.).

  10. 10.

    Als Akteur kann dabei die Politik als solche, oder die Politik bestimmter Staaten oder Staatengemeinschaften, ein bestimmtes politisches Ressort, ein bestimmtes politisches Gremium, eine bestimmte Partei, und nicht zuletzt auch der einzelne Politiker benannt werden.

  11. 11.

    Auch hier kann die Wissenschaft als solche, aber auch eine ihrer Organisationen, Richtungen, Einrichtungen, Gremien oder Projekte, bis hin zum einzelnen Wissenschaftler als Akteur bestimmt sein.

  12. 12.

    Auch in dieser Frage wiederholt sich lediglich die Beobachtung von Enttäuschung und Hoffnung.

  13. 13.

    Für das Politiksystem lässt es sich dann beispielsweise so zusammenfassen: „Das, was die Politik machen kann, ist, Risiken, so wie sie in den Massenmedien thematisiert werden, in politisch handhabbare Risiken zu überführen. Dass sich das politische System dabei um die Erhaltung der politischen Macht, der Demokratie, des Friedens, usw. kümmern muss […] wird von den Massenmedien nicht berücksichtigt.“ (Besio und Pronzini 2010, 295). Auch für das Wirtschaftsystem lässt sich Ähnliches beobachten: „Neuen Absatzmärkten werden sich die Unternehmen nicht verschließen, aber der Großteil der Produktion orientiert sich an Absatzmöglichkeiten vollkommen unabhängig davon, ob diese bedingt sind durch ökologische Stimmungen oder egoistisches Eigeninteresse. Die zusätzlichen ökologischen Maßnahmen, die sich nicht über Kostenersparnis oder Gewinnmöglichkeiten plausibilisieren lassen, dienen der Legitimation des Unternehmens und damit der langfristigen Überlebenssicherung.“ (Engels 2010, 125).

  14. 14.

    Ein prominenter Versuch der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development, WCED), der so genannten Brundtland-Kommission, nachhaltige Entwicklung zu definieren, lautet dementsprechend: „Entwicklung zukunftsfähig zu machen, heißt, dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können." (Hauff 1987, 24).

  15. 15.

    Ludger Heidebrink fasst als Klimaschutzmaßnahmen beispielsweise zusammen die „Erhöhung der Ressourcenproduktivität, die Suche nach alternativen Energien, Verfahren des Geo-Engineering, die Förderung von Informations- und Biotechnologien“, „neue Formen der Mobilität und Logistik, der Stadtplanung und Architektur, der digitalen Fernkommunikation und des sparsamen Konsums“, „effektive Anreize, etwa durch den Emissionshandel, CO2-Steuern oder Klimazölle sowie Zertifikate [..], die über Ressourcenverbrauch und Schadstoffproduktion von Gütern informieren“ (Heidebrink 2010, 55 f.).

  16. 16.

    In seiner Funktion als Vorsitzender der Arbeitsgruppe III des IPCC stellt Ottmar Edenhofer fest: „Die Debatte dreht sich um zwei einfache Fragen: Bearbeitet der Weltklimarat die richtigen Aufgaben? Und: Bearbeitet der Weltklimarat seine Aufgaben richtig? Dass diese Debatte so vehement, so leidenschaftlich und manchmal auch so unsachlich geführt wird, zeugt zunächst einmal vom Erfolg des IPCC. Denn ohne den Weltklimarat gäbe es keine interdisziplinäre Klimaforschung, und der Klimawandel wäre nicht eine der Hauptprioritäten auf der internationalen Tagesordnung.“ (Edenhofer 2010).

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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden

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Lembcke, F. (2012). Kalkül versus Katastrophe: Klimawandel im Verhältnis von Wissenschaft und Massenmedien. In: Kalkül versus Katastrophe. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19629-9_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-19629-9_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-19628-2

  • Online ISBN: 978-3-531-19629-9

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

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