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Massenmedien als Katalysator: Die Wissenschaft des Klimawandels

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Kalkül versus Katastrophe
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Zusammenfassung

Wenn sich an eine Kommunikation eine weitere anschließt, sprich wenn Kommunikation verstanden wird, wird Sinn möglich, und damit die Beobachtung des Sinnvollen und die Konstruktion von Realität (Luhmann 1998, 44 ff.). Gesellschaftliche Teilsysteme können sich abgrenzen, indem sie die Anschlussmöglichkeiten von Kommunikation eingrenzen. Das kann über die Bestimmung von Medien der Kommunikation, wie in Kapitel 2.2.3 bereits beschrieben, erfolgen. Wirtschaftliche Kommunikation erfolgt so im Medium des Geldes beschränkt, wissenschaftliche im Medium der Wahrheit. Massenmedien grenzen über technische Verbreitungsmedien Kommunikationsanschlüsse ein und sich damit als Teilsystem der Gesellschaft ab (Luhmann 1996, 11). Die Eingrenzung bezieht sich dabei auf Kommunikation ohne Anwesenheit aufgrund einer zwischengeschalteten Vervielfältigungstechnik wie Druck oder Rundfunk (ebd.). Sender und Empfänger können durch die technische Vervielfältigung nicht mehr im direkten Kontakt zueinander stehen. So, wie die Wissenschaft begrenzt im Medium der Wahrheit Wissen als Realität konstruiert, so konstruieren Massenmedien begrenzt im Medium technischer Verbreitung Information als Realität.

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Notes

  1. 1.

    Wolfgang Krohn und Wolf Schäfer zeigen in ihrer Veröffentlichung von 1978 diesen Zusammenhang am Beispiel von Hygiene in der Bevölkerung und Mikrobiologie, Bruno Latour in seiner Veröffentlichung von 1988 am Beispiel von Bevölkerungsversorgung und Agrarkulturchemie (Halfmann 2003, 12).

  2. 2.

    Als Beispiele sind hier die Verbindung von Mikroelektronik zur Festkörperphysik, wie von Jost Halfmann in seiner Veröffentlichung von 1984 dargestellt, aber auch zu Hochenergiephysik und Informatik, wie von Klaus Mainzer in seiner Veröffentlichung von 1979 beschrieben zu nennen (Halfmann 2003, 12).

  3. 3.

    Organisationen der Wissenschaft erlauben nicht nur in methodischer und damit inter- und transdisziplinärer Hinsicht, erzeugtes Wissen vom Entstehungskontext unabhängig zu machen, sondern beispielsweise auch in zeitlicher und damit disziplinärer Hinsicht. Die Tradition einer wissenschaftlichen Disziplin über Forschergenerationen hinweg verlangt „die Verwendung anerkannter Lehrbücher, die Einrichtung disziplinär definierter Lehrstühle und Forschungsprogramme sowie die Motivierung von Studenten, die in die entsprechende Problemsicht und das dominierende Paradigma hineinsozialisiert werden.“ (Halfmann 2003, 10 f.).

  4. 4.

    Die Sachverständigenräte teilen sich auf in einen Technology and Economic Assessment Panel (TEAP), einen Scientific Assessment Panel (SAP) und einen Environmental Effects Assessment Panel (EEAP).

  5. 5.

    Die Arbeitsgruppen teilen sich auf in The Science of Climate Change (WG I), Impacts, Adaptation and Vulnerability (WG II), und Mitigation of Climate Change (WG III).

  6. 6.

    Im Peer-Review-Verfahren werden einem Autor Gutachter aus seinem Fachgebiet zugeordnet. Deren Einschätzungen bestimmen dann beispielsweise über die Veröffentlichung als Reviewed Paper in einer wissenschaftlichen Zeitschrift.

  7. 7.

    „Die Analogie zur Medizin macht vielleicht deutlicher, worum es geht. Wenn wir krank sind, merken wir dies gewöhnlich an einer Reihe einzelner Symptome: Die Nase läuft, der Hals ist rauh und wir haben Fieber. Der erfahrene Arzt stellt seine Diagnose, indem er diese verschiedenen Symptome als typische Ausdrucksformen eines bestimmten Krankheitsbilds interpretiert. Er erkennt das eigentümliche Muster der Symptome, von denen jedes einzelne auch in anderen Krankheitsbildern auftreten könnte. Ganz ähnlich läßt sich der Globale Wandel als eine Reihe von ‚Krankheitsbildern’ des Systems Erde verstehen. Diese Syndrome des Globalen Wandels, also die charakteristischen, typischen Muster der Verknüpfung von Entwicklungen aus der Natur- und der Sozialsphäre, beschreiben in ihrer Gesamtheit den krisenhaften Zustand und die mögliche weitere Entwicklung des Planeten.“ (Reusswig und Schellnhuber 1998, 280).

  8. 8.

    Auch bei anderen wissenschaftlichen Organisationen, etwa Instituten und Universitäten, ist die Reputation in der Gegenseitigkeit von Organisation und ihren Mitgliedern beobachtbar.

  9. 9.

    Man kann entgegenhalten, dass wissenschaftliche Publikationen demnach oft genug im System der Wissenschaft bleiben. In systemtheoretischer Konsequenz ist das kein Widerspruch, sondern lediglich zu kurz gegriffen. Denn selbst wenn wissenschaftlich erzeugtes Wissen ausschließlich zur Erzeugung neuen wissenschaftlichen Wissens herangezogen wird, dann geschieht dies nicht allein über die wissenschaftsspezifische Unterscheidung von wahr und unwahr, sondern auch über die Unterscheidung von bedeutsam und weniger bedeutsam, sprich über Reputation. Publikationen können außerdem nicht ausschließlich aus wissenschaftlich erzeugtem Wissen bestehen, denn auch Wissenschaft kommt im Gebrauch der Methoden ihres Erkenntnisgewinns nicht ohne die massenmedial erzeugte Hintergrundsrealität der Gesellschaft aus. Kapitel 4.2 kommt darauf zurück.

  10. 10.

    Die in dem zugehörigen Lehrforschungsprojekt durchgeführten Fallstudien zu der Bedeutung von Medien für die Reputation von Wissenschaftlern zeigen diese Zusammenhänge auf, so auch für den Fall Hartmut Grassl, der unter anderem als Direktor für das Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI Met) und für das Weltklimaforschungsprogramm (World Climate Research Programm, WCRP) der WMO tätig war. Dabei zeigt sich unter anderem, „daß Grassls wissenschaftliche Karriere in den 6 Jahren zwischen 1988 und 1994 einen steileren und kürzeren Verlauf nimmt als in den 22 Jahren wissenschaftlicher Tätigkeit zuvor, daß seine Medienprominenz 1987 beginnt und zwischen 1991 und 1994 mit der höchsten Medienpräsenz Grassls ihren bisherigen Höhepunkt erreicht, daß diese beiden Karrieremuster einen ziemlich parallelen Verlauf nehmen“, derart, „daß ein begründbarer Zusammenhang zwischen Grassls Medienprominenz und seiner (inner)wissenschaftlichen Reputation besteht.“ (Jungcurt 1998, 154 f.).

  11. 11.

    Grundlagenforschung spricht nicht gegen diesen Befund, denn sie findet insofern als Leistung und im Leistungsaustausch gesellschaftliche Beachtung, als dass ihre Ergebnisse, wie der Name es bereits verdeutlicht, als Grundlage wesentlich für alle weitere, also auch anwendungsorientierte Wissensproduktion bestimmt wird. Es gilt also auch hier: Wissenserzeugung setzt Wissensbedarf voraus, wobei in diesem speziellen Fall die Wissenschaft selbst den Wissensbedarf anmeldet und diesen Bedarf gesellschaftlich legitimiert als grundlegende Voraussetzung für angewandte und problemorientierte Wissensproduktion.

  12. 12.

    Lediglich die Überraschung bleibt als Vorgabe der sich über sich selbst informierenden, sich selbst aktualisierenden Gesellschaft. So „macht sich die moderne Gesellschaft mit dem Begriff der Information und der Suggestion, auf Information angewiesen zu sein, aufmerksam auf die prekäre Instabilität ihrer Entscheidungsgrundlagen. Die Entscheidungen müssen sich von Überraschungen abhängig machen, weil sie Überraschungen sind.“ (Luhmann 2005, 39).

  13. 13.

    Das kann auch heißen: Anschluss nichtwissenschaftlicher Kommunikation! Gerade wenn Wissen in selbstlegitimierender Wirkungsabsicht eingesetzt werden soll, muss es aus dem Kontinuum wissenschaftlicher Kommunikation herausgesellt, exponiert werden. Der Wissenschaftler wird zum Experten, das wissenschaftliche Wissen zur Expertise, wie in Kapitel 3.1.7 dargestellt.

  14. 14.

    In seinem 2000 veröffentlichten Sonderbericht zu Emissionszenarien (Special Report on Emission Scenarios, SRES) beschreibt der IPCC Szenarien, die er in 4 Szenarien-Familien zusammenfasst (A1, A2, B1, B2): „Die A1-Modellgeschichte geht aus von einer Welt mit sehr raschem Wirtschaftswachstum, einer in der Mitte des Jahrhunderts den Höchststand erreichenden und danach rückläufigen Weltbevölkerung, und rascher Einführung neuer und effizienterer Technologien. A1 teilt sich in drei Gruppen auf, die unterschiedliche Ausrichtungen des Technologiewandels beschreiben: fossilintensiv (A1Fl), nicht fossile Energieträger (A1T) und eine ausgewogene Nutzung aller Quellen (A1B). B1 beschreibt eine sich näher kommende (konvergente) Welt mit der gleichen Weltbevölkerung wie in A1, jedoch mit rascheren Änderungen der wirtschaftlichen Strukturen in Richtung einer Dienstleistungs- und Informationswirtschaft. B2 beschreibt eine Welt mit Bevölkerung und Wirtschaftswachstum mittlerer Größe, mit Schwerpunkt auf lokalen Lösungen für eine wirtschaftliche, soziale und umweltgerechte Nachhaltigkeit. A2 beschreibt eine sehr heterogene Welt mit hohem Bevölkerungswachstum, langsamer wirtschaftlicher Entwicklung und langsamem Technologiewandel. Keinem der SRES-Szenarien wurden Wahrscheinlichkeiten zugeordnet.“ (Deutsche IPCCKoordinierungsstelle 2008, 48).

  15. 15.

    „Indem Technik als Medium der Gesellschaft verstanden wird, wird es möglich, die spezifischen evolutionären Steigerungsleistungen von Technik zu erfassen; dies vor allem durch die je besonderen und z.T. unabhängig voneinander sich vollziehenden technischen Entwicklungsdynamiken in den diversen Funktionssystemen und ihren Organisationen. Das Wirtschaftssystem hat eine eigenständige Perspektive auf Technik entwickelt, die an der Steigerung der Gewinnung und Verarbeitung von (natürlichen) Ressourcen orientiert ist. Das politische Systeme [sic] hingegen installiert Kausalerwartungen in Bezug auf die Abnahme politischer Entscheidungen durch den Einsatz von Macht, Geld oder Überredung. Das Wissenschaftssystem hat eigene Techniken der Wissenserzeugung entwickelt, die aus dem Zusammenspiel von Theorien und Methoden erwachsen. Diese Vielfalt der Evolution von Technik, also der Herstellung der installativen Voraussetzungen von Kommunikation, hat die Gesellschaft an ein enorm komplexes Geflecht und Gestaltreichtum von Techniken gekoppelt und damit eine ganz eigenständige Riskanz der gesellschaftlichen Evolution erzeugt.“ (Halfmann 2003, 140).

  16. 16.

    „Die Aufmerksamkeit fokussiert auf den Effekt von Technik: steigert sie die Leistung und die Freiheitsgrade der Kommunikation oder nicht? Die maschinelle Säuberung der Wäsche soll […] dem Hausmann erlauben, Zeit für Telefonate mit Freunden oder zur elektronischen Kontoüberwachung zu gewinnen. Die Waschmaschine ist Medium der kommunikativen Operation Wäschewaschen; sie erfüllt diese Medienfunktion nur, wenn ihr Operieren nichtsinnhaft bleibt, wenn sie also funktioniert“ (Halfmann 1996, 125 f.).

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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden

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Lembcke, F. (2012). Massenmedien als Katalysator: Die Wissenschaft des Klimawandels. In: Kalkül versus Katastrophe. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19629-9_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-19629-9_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-19628-2

  • Online ISBN: 978-3-531-19629-9

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