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Vorannahmen und -entscheidungen

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Zusammenfassung

Erwartungen an Wissenschaft können sehr verschieden sein. Bis heute weit verbreitet ist eine Vorstellung von Wissenschaft als besondere Produktivkraft (kritisch dazu Habermas, 1972b: 12). Zu diesem Verständnis passen bspw. hochschulpolitische Anstrengungen, verschiedenste Ergebnisse universitärer Arbeit in Patente zu überführen. Oder auch die Umgestaltung von Hochschulen in Dienstleistungsbetriebe mit Kunden, die über Nachfrage statt Mitbestimmung Einfluss nehmen und sich hierbei am Arbeitsmarkt orientieren sollen (vgl. MWK, 2000). Vor diesem Hintergrund könnten zahlreiche Disziplinen als überflüssiger Luxus begriffen werden, den man sich leisten kann aber nicht muss. Politikwissenschaft hätte in diesem Rahmen eine Existenzberechtigung, wenn sie z. B. rentable Diktator-Beratung, patentfähige Demokratisierungskonzepte oder Beiträge zur Steigerung wirtschaftlicher Effizienz liefern würde – dazu könnten ‚outputorientierte Demokratietheorien’ beispielsweise beitragen.

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Notes

  1. 1.

    Bis vor kurzem habe ich den Gedanken patent- und verkaufsfähiger Demokratiekonzepte allein als ironische Antwort auf unsinnige Forderungen gegenüber politischer Wissenschaft für möglich gehalten. Zumal Demokratie und kapitalistische Wirtschaft letztlich kaum zusammenpassen (vgl. Dahl und viele andere). Vor diesem Hintergrund sind die von James S. Fishkin gesicherten Schutzrechte für Deliberation Polling® (Ackerman/Fishkin, 2004: 233) verwunderlich – wobei zu sagen ist, dass die Einnahmen aus dem „Verkauf“ bzw. der Anwendung des Konzepts seiner Forschung zufließen. Vielleicht ist er ja der (möglicherweise zutreffenden) Auffassung, dass Ideen zur Demokratisierung heute nur dann Gehör finden, wenn sie als Produkt gekauft werden können. Die ’Nur-was-was-kostet-ist-auch-was-wert’ Argumentation ist allerdings ebenso falsch, wie sie bekannt ist. Das Wissen hierum kann man aber natürlich strategisch nutzen. Vermutlich ist der Gedanke dahinter aber ein ähnlicher, wie der des Jefferson Centers, das den Begrif Citizen Jury’ hat schützen lassen „only to preserve the integrity of the process, and not to discourage others who whish to conduct a trustworthy Citizens Jury project. The Trade- mark has standing only in the United States. Anyone in the U.S. wishing to call a project a Citizens Jury must first obtain permission from the Jefferson Center“ (Jefferson-Center, 2004: 10). Ich halte diese Selbsternennung zum Schiedsrichter jedoch in mehrerlei Hinsicht für problematisch und würde die Bewertung eines Projektes eher einer kritischen Öffentlichkeit überlassen wollen, als einer selbsternannten Prüfinstanz, deren demokratische Legitimation nicht dadurch gesichert ist, dass sie in Anspruch nimmt, allgemein erstrebenswerte Ziele zu verfolgen. Es bleibt aber das Problem des Patentrechts bestehen, wonach gilt:,Wer zuerst kommt, malt zuerst’. So könnten Nachmacher oder Blockierer mithilfe von Schutzrechten versuchen, den Gebrauch von Ideen durch ihre Erfinder oder andere zu untersagen. Dies könnte in sozialwissenschaftlichen Zusammenhängen merkwürdigste Blüten treiben.

  2. 2.

    „Fragen Sie doch mal, was die Naturwissenschaften zum Nahostkonflikt zu sagen haben“ (Peter Grotian, Politikwissenschaftler, in einer Diskussion um vorgesehene Stellenreduzierungen am Berliner Otto-Suhr-Institut: UniSpiegel, 2/2002: 26).

  3. 3.

    Mit meiner pessimistischen Einschätzung stehe ich nicht allein (vgl. etwa Hirschman, 1987: 11). Sie ist aber bloß eine Beschreibung der gegenwärtigen Praxis, nicht ihrer Möglichkeiten. Insbesondere glaube ich nicht, dass eine Wissenschaft, die selbst über Leistungswettbewerb organisiert ist besonders kritisch sein kann.

  4. 4.

    Wobei das Aufzeigen von Lösungswegen nicht als Voraussetzung zur Berechtigung von Kritik missverstanden werden darf.

  5. 5.

    Diese wären dann natürlich nicht mehr in ein Patent zur Förderung der Forschung zu überführen, das Einzelne für sich in Anspruch nehmen könnten.

  6. 6.

    Ob die Philosophie zur Wissenschaft gezählt wird oder nicht ist ein langer und von Seiten einiger Philosophen oft borniert geführter Streit (vgl. Keil, 1996). Solange Wissenschaft nicht eng positivistisch begriffen wird, halte ich die Trennung für unnötig. Auch Wissenschaftler, die keine Philosophen sind, können sich Problemen der ‚Wahrheit‘ bewusst sein. Sie sind natürlich keine schlechteren Wissenschaftler, bloß weil sie diese Probleme nicht verdrängen.

  7. 7.

    Ein Problem das sich hieraus ergibt, ist z. B. die Steuerung wissenschaftlicher Arbeit über finanzielle Mittel. Ferner die Vereinnahmung von Wissenschaft für Herrschaftszwecke – Max Weber spricht von Wissenschaftlern „als Beifallssalven der Macht“. Peter Weingart weist auf die Gründung von Forschungsinstituten durch Wirtschaftsunternehmen hin, deren Aufgabe es ist, Gegenexpertisen zu unliebsamen Forschungsergebnissen zu entwickeln (Weingart im Gespräch im IPMZ an der Uni Zürich, 11.06.2003).

  8. 8.

    Die Wertschätzung wissenschaftlicher Arbeit selbst ist dabei natürlich nicht von kulturellen Hintergründen losgelöst (vgl. Max Weber).

  9. 9.

    „Darunter verstehe ich allgemein anerkannte wissenschaftliche Leistungen, die für eine gewisse Zeit einer Gemeinschaft von Fachleuten maßgebende Probleme und Lösungen geben“ (Kuhn, 2001: 10). Ein Paradigma verträgt sich jedoch nicht mit anderen, d. h. ist nicht z. B. eine Metatheorie, die andere Theorien auf einer abstrakteren Ebene zusammenfassen kann (Kuhn, 2001: 107). „Sie sind Quellen aller Methoden, Problemgebiete und Lösungsnormen“ (Kuhn, 2001: 116). Paradigmadiskussionen bringen „immer die Frage mit sich: die Lösung welcher Probleme ist bedeutsamer?“ (Kuhn, 2001: 122).

    Begriffe zur Beschreibung ähnlicher Konzepte sind: Strukturkerne (Stegmüller) oder Zentralreferenz: „Es handelt sich dabei um Theoriebestandteile, welche als 'Makrostrukturen' oder 'Formationsprinzipien' eines gesamten (dadurch überhaupt erst zur Einheit eines bestimmten Textes gefügten) Diskurses selbst noch den theorieprägenden Zusammenhangsaussagen vorgeordnet sind“ (Ritsert, 1994: 19). Bestandteile einer Zentralreferenz sind Ritsert zufolge deren syntaktische Grundstrukturen, ontologischen Optionen, Schlüsselsemantiken und Kriterien der Problematisierung. Letztere „legen fest, was im Rahmen der Theorie ein von ihr zu bearbeitendes cognitives und/ oder praktisches Problem ist, worin erfolgreiche ‚Bearbeitungen‘ oder gar ‚Lösungen‘ desselben bestehen (würden)“ (Ritsert, 1994: 19). Ein Vergleich sozialwissenschaftlicher Theorien muss sich Ritsert zufolge auf deren Vorstellungen von Synthesis (was hält die soziale Welt im Innersten Zusammen?), Dynamis (was sind Gründe und Ursachen gesellschaftlichen Wandels?) und Praxis (welche Handlungen und Handlungszusammenhänge haben welche Folgen für das gesellschaftliche Ganze?) beziehen. Als weiteres ‚Bedeutungsfeld‘ des Begriffs Paradigma spricht Ritsert von „Paradigmata als Grundorientierungen bei Wissenschaftler(gruppen)“ welche „(selektive) Perspektiven auf die Einzelheiten und Detailzusammenhänge des Erfahrungsbereiches“ bedeuten (Ritsert, 1994: 33). Dies schwächt simple Annahmen über einen natürlichen Theorie-Darwinismus erheblich. Für den Wechsel von Paradigmen (während wissenschaftlicher Revolutionen) macht Ritsert deutlich, „dass diese Krisen bei Kuhn fast ausnahmslos als cognitive (wissenschaftliche) Probleme, dass heißt im Falle der Normalwissenschaften: als Rätsel zu verstehen sind, die sich zu Anomalien zugespitzt haben und häufen! Probleme der gesellschaftlichen Praxis spielen so gut wie keine Rolle!“ (Ritsert, 1994: 53, im Original mit Hervorhebungen). Zudem kritisiert Ritsert: „Die Achse Kontinuität oder Bruch […] kann zur zweifellos fruchtbaren Kuhnschen Unterscheidung zwischen 'Normalwissenschaft' und ’revolutionärer Wissenschaft’ quer stehen!“ (Ritsert, 1994: 61) und wendet sich damit gegen die absolut scheinende Annahme, dass wissenschaftlicher Fortschritt allein auf der Grundlage eines Paradigmas möglich sei. Verschiedene Paradigmen (wie Beispielsweise die Philosophie Kants und die Aristoteles) wären schließlich keine vollständig „gegeneinander abgedichteten Sinnkapseln“ (Ritsert, 1994: 60). Im Anschluss an seine Einbeziehung der Kritik Feyerabends empfiehlt Ritsert schließlich, „sich keineswegs von Dichotomien wie intern versus extern, Logik versus Eristik, Überzeugen versus Überreden, Kontinuität versus Diskontinuität etc. ins Bockshorn jagen zu lassen“ (Ritsert, 1994: 92).

  10. 10.

    Während die Gesetzmäßigkeiten, nach denen Naturwissenschaftler suchen, anfänglich als Gesetze gedacht wurden, die Gott der Natur gegeben hat, und die es herauszufinden gilt, geht der aufgeklärte Naturwissenschaftler heute davon aus, dass diese Naturgesetze Konstruktionen sind, die der Beschreibung der beobachteten Wirklichkeit dienen. Naturgesetzlichkeiten auf menschliches Zusammenleben zu übertragen wirkt heute ähnlich befremdlich wie die gesamte Geschichte als nicht zu beeinflussendes Gotteswerk zu begreifen und damit gleichbedeutend mit der ursprünglichen Vorstellung von Naturgesetzen.

    Mills erklärt ahistorische Gesetze in den Sozialwissenschaften für vollständig unmöglich: „Es gibt nach meiner Meinung kein sozialwissenschaftliches 'Gesetz', das frei von historischem Bezug wäre und sich nicht auf die spezifische Struktur einer bestimmten Periode bezöge. Andere 'Gesetze' stellen sich immer als leere Abstraktionen oder unklare Tautologien heraus“ (Mills, 1963: 199). So z. B. „Alle Menschen müssen essen“, die Notwendigkeit des essen Müssens ist im Begriff Mensch bereits enthalten. Auch Kriterien der Logik sind nicht vom Himmel gefallen, sondern entstammen dem Kontext gesellschaftlicher Lebensformen und können nur darin sinnvoll interpretiert werden (vgl. von Beyme, 1992: 54).

  11. 11.

    Zu dieser Einschätzung führt auch Robert Mertons historische Untersuchung der Redewendung „Ein Zwerg, der auf den Schultern eines Riesen steht, kann weiter sehen als der Riese selbst“ (Merton, 1983: 15). Mögliche Probleme des darin ausgedrückten Fortschritts-Optimismus kann man sich schnell am Bild selbst deutlich machen: Der Zwerg könnte z. B. eine schlechte Brille tragen oder aber deshalb fast nichts sehen, weil der Riese vor eine Wand gelaufen ist. Ein Problem wäre sicher auch, wenn der Zwerg den Boden nicht mehr sieht, auf dem er zusammen mit dem Riesen steht (hierauf hat mich Uwe Fricke in einer kurzen Nebenbemerkung hingewiesen). Tragisch wäre es schließlich, wenn der Riese in eine andere Richtung läuft, als der Zwerg gerne will und dieser nun nicht mehr heile runterkommt. Der Erste von dem ich selbst die Redewendung als Zitat gehört habe, war Helmut Willke. Er setzte sich damit zu Niklas Luhmann in Beziehung, wollte das letztgenannte Problem damit aber sicher nicht illustrieren.

  12. 12.

    „Für drei Kategorien von Forschungsprozessen lässt sich ein spezifischer Zusammenhang von logisch-methodischen Regeln und erkenntnisleitenden Interessen nachweisen […] In den Ansatz der empirisch-analytischen Wissenschaften geht ein technisches, in den Ansatz der historisch- hermeneutischen Wissenschaften ein praktisches und in den Ansatz kritisch orientierter Wissenschaften jenes emanzipatorische Erkenntnisinteresse ein, das schon den traditionellen Theorien uneingestanden, wie wir sahen, zugrunde lag“ (Habermas, 1971a: 155). Habermas spricht von den drei „inkommensurablen“ Traditionen Kritischer Rationalismus (Popper), Kritische Theorie (Adorno) und Hermeneutik (Gadamer) (Habermas, 2000: 20). „Das Abfragen von Erkenntnisinteressen, bevor man sich auf die Sache einlässt, habe ich, entgegen anders lautenden Legenden, immer für Unsinn gehalten. Das heißt ja nicht, dass man nicht auch nach den Wurzeln einer Theorie im Leben fragen soll“ (Habermas, 1991b: 131).

  13. 13.

    Hierüber besteht, trotz unterschiedlicher Konzepte, Einigkeit (vgl. Weber, 1980b: 1 Sinn als gemeinter Sinn ,Luhmann, 1976: 61 Sinn als Ordnungsform menschlichen Erlebens , Habermas, 1971b, Habermas, 1995d: 152 ff: Sinn als sozialer Sinn ).

    Sinn ist bei Luhmann etwas, dass Zusammenhänge zwischen verschiedenen Erlebnissen herstellt: „Der Sinnbegriff ist primär, also ohne Bezug auf den Subjektbegriff zu definieren, weil dieser als sinnhaft konstitutierte Identität den Sinnbegriff schon voraussetzt“ (Luhmann, 1976: 28). Mit dieser Konzeption wird die Fundierung von Sinn im psychischen System nicht der Fundierung von Sinn in sozialen Systemen vorangestellt oder als elementarer begriffen. Psychische und soziale Systeme werden als sinnkonstituierende Systeme beschrieben. Erst mit der Entscheidung für eines der Systeme wird ein mit Sinn, Handlung, Erleben bezeichneter Sachverhalt zu einer psychologischen oder soziologischen Kategorie (Luhmann, 1976: 29). Es wird nicht bestritten, dass aller Sinn, alles Erleben und Handeln psychische Systeme voraussetzt und nur in ihnen möglich ist (Luhmann, 1976: 29). Sinn ist Ordnungsform menschlichen Erlebens (Luhmann, 1976: 31). Das Verständnis von Kommunikation ist an die Unterscheidung von Sinn und Information gebunden (Luhmann, 1976b: 39f.). Sinn fungiert als Selektionsregel, nicht als sich ereignender Bewusstseinsinhalt, Inhalte treten als Information ins Leben (Luhmann, 1976: 40). Den Hintergrund der detaillierten Klärung seines Sinnbegriffs bildet bei Luhmann die Frage nach der Bewältigung von Weltkomplexität durch systemische Sinnbildungen.

  14. 14.

    Bei Weber steht hier nur 'Verhalten'. Das ist problematisch, wenn man Handeln und Verhalten auseinanderhalten möchte. Zumal seine Beispiele: „Rache für frühere Angriffe, Abwehr gegenwärtigen Angriffs“ (Weber, 1980b: 11) eher als Handeln denn als Verhalten zu begreifen sind. Davon unabhängig würde ich in beiden Fällen von sozialem Handeln sprechen, also auch, wenn das Handeln sich am erwarteten Verhalten anderer ausrichtet. Dagegen könnte man einwenden, wenn wir von Verhalten sprechen, würde der andere auf einen Naturgegenstand reduziert und entsprechend ginge es um instrumentelles Handeln. Hier hilft der Begriff des strategischen Handelns (s.u.) weiter.

  15. 15.

    Als von einem Handelnden im Einzelfall oder von Handelnden in mehreren ähnlichen Fällen zumeist gemeinter Sinn. Nicht als metaphysisch wahrer Sinn (Weber, 1980b: 1). Anders als bei Luhmann, s.o.

  16. 16.

    Dabei haben Sozialwissenschaftler keinen anderen Zugang zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, als sozialwissenschaftliche Laien. Beide müssen der Lebenswelt, die sie verstehen möchten selbst angehören (vgl. Habermas, 1995d: 159 f.).

  17. 17.

    Parsons begreift „soziale Systeme, zusammen mit kulturellen und Persönlichkeitssystemen sowie Verhaltensorganismen, als primäre Bestandteile des allgemeinen Handlungssystems“ (Parsons, 2003: 12). „Soziale Systeme werden gebildet von Zuständen und Prozessen sozialer Interaktion zwischen handelnden Einheiten“ (Parsons, 2003: 15). Keine Rolle spielen Sinn und Handlungen dagegen beispielsweise in der behavioristischen Psychologie (Habermas, 1995f: 25). Bei Luhmann werden Handlungen (im Rahmen wissenschaftlicher Beobachtungen zweiter Ordnung) jedoch als zugerechnete Kommunikationen von einem System zu(m) anderen begriffen, wobei diese Zurechnungen vom Beobachtungsstandpunkt abhängig sind (vgl. Lange, 2002: 176). Nicht im Subjekt/ Objekt oder Subjekt/ Subjekt Verständnis.

  18. 18.

    Obwohl man in der voluntaristischen BWL oft den Eindruck gewinnen kann, es gäbe sie nicht. Vergessen ist aber ja noch nicht leugnen.

  19. 19.

    „Dass Politik sich auswirkt, kann ebenso wenig bestritten werden, wie: dass es ihr nicht gelingt, Systemzustände (und seien es die eigenen) in der gewünschten Richtung zu determinieren“ (Luhmann, 2002a: 110). „Solange die Politik in den politischen Wahlen nach guten und schlechten Resultaten beurteilt wird (und nicht nur nach der ideologischen Richtigkeit ihrer Ideen), darf es nicht erstaunen, wenn man politische Techniken findet, das unkontrollierbare (für die Politik mehr oder weniger zufällige) Entstehen guter und schlechter Resultate zu überleben“ (Luhmann, 2002a: 113). Verbindungen von operativ geschlossenen Systemen, zwischen denen es beobachterabhängige Kausalbeziehungen unbestreitbar gibt (Luhmann, 2002a: 111) laufen in der Theorie autopoietischer Systeme über strukturelle Kopplungen „die die kognitiven Prozesse des Systems nur irritieren, nicht aber determinieren können“ (Luhmann, 2002a: 373). Mit dieser Theorie erübrige sich auch eine direktive Politikberatung. Welche Bedeutung einer nicht-direktiven Aufforderung der Politik, „die eigene Selbstbeschreibung auf die Bedingungen einzustellen, die in der modernen Gesellschaft gegeben sind“ (Luhmann, 2002a: 110 f.) zukommen kann, kann ich nicht sehen.

    Anders als Luhmann, der die Differenzierung sozialer Systeme betont, geht es Richard Münch, dessen Arbeiten ebenfalls an die Systemtheorie von Talcott Parsons anschließen, um „das Interpenetrationstheorem, nachdem erst beides zusammen – die größere Entfaltung von Eigengesetzlichkeiten und ihre stärkere gegenseitige Durchdringung – eine qualitativ neue Ebene der Selbstentfaltung eines Systems schaffen". Er spricht von Interpenetration als „Bauprinzip der Moderne“ (Münch, 1988: 56, siehe auch S.131 und 509 ff sowie: Münch, 1998: 70) und geht davon aus, dass die Interpenetration von Gemeinschaft und Wirtschaft ökonomische Rationalität und Solidarität zugleich befördere. Dies kritisiert Habermas scharf: „Im Entwurf dieses keimfreien, von Sozialpathologien gereinigten Bildes entwickelter kapitalistischer Gesellschaften trifft sich Münch nicht zufällig mit Parsons“ (Habermas, 1995b: 443). Parsons selbst hielt das „Phänomen der gegenseitigen Durchdringung“ jedenfalls für einen wesentlichen Teil „der Analyse der Wechselbeziehungen zwischen den vier Handlungssubsystemen“ (Parsons, 2003: 14).

  20. 20.

    Diese Unterscheidung geht zurück auf: Lockwood: Social Integration and System Integration. In: Zollschan und Hirsch: Explorations in Social Change, London: 1964. Sozialintegration bezieht sich auf Institutionen in denen sprechende und handelnde Subjekte vergesellschaftet sind. Hier werden normative Strukturen thematisiert (bei Parsons: Integration und Normenerhaltung). Systemintegration bezieht sich auf Steuerungsleistungen selbstgeregelter Systeme/ funktionale Vernetzung von Handlungsfolgen hinsichtlich ihrer Grenz- und Bestandserhaltung. Dabei werden eine sich stets verändernde Umwelt und zu bewältigende Komplexität zum Problem (bei Parsons: Anpassung und Zielverwirklichung). Die Schwierigkeit der diesen zugeordneten 'Paradigmata' Lebenswelt und System sei ihre Verbindung (Habermas, 1996d: 14). Das Problem der Spannung zwischen Handlungs- und Systemrationalität bzw. funktional verknüpften Handlungen ist spätestens seit Mandevilles Bienenfabel (von 1705) auf dem Tisch. Gäbe es diese Spannung nicht, wären Fragen planvoller gesellschaftlicher Veränderungen allein Fragen des Wollens.

    „Im Begriff der 'Sozialintegration' sind zwei Aspekte ungeschieden vereint: der Aspekt normativer solidarischer Verbundenheit und kollektiver Identität einerseits und der intentionale Charakter sozialer Beziehungen andererseits. Nicht alle intentionalen sozialen Beziehungen beziehen sich jedoch auf moralische Verbundenheit oder kollektive Identifikation. 'Systemintegration' meint einerseits die Koordination komplementärer, funktional differenzierter Aktivitäten, die zur Reproduktion von sozialen Systemen erforderlich sind. Aber diese Koordinationen können ja zumindest teilweise auch 'sozialintegrativ' oder intentional erfolgen (also durch Normen, Kommunikation usw.). 'Systemintegration' hat daneben den Aspekt der 'unbewussten' oder latenten Koordination hinter dem Rücken der Akteure, meint insofern einen speziellen Modus oder Mechanismus der Vergesellschaftung – der möglicherweise nur bestimmte Funktionen sozialer Integration erfüllen kann, andere nicht“ (Peters, 1993: 41 f.). Eine klare Trennung von Sozial- und Systemintegration entlang der Unterscheidung intendierter und nichtin- tendierter Handlungsfolgen oder Nebenfolgen ist letztlich wenig überzeugend, da beide funktional oder dysfunktional, d. h. integrierend oder desintegrierend sein können. Dies sowohl auf der Systemebene, als auch auf der Interaktionsebene.

    Parrallel zu Lockwoods Unterscheidung trennt Reentsma zwischen Systemvertrauen und interpersonalem Vertrauen als zwei Weisen des Vertrauens in die Moderne (Jan Philip Reemtsma, Vortrag auf dem Deutschen Soziologentag in München, 06.10.2004). Vertrauen, genauer 'sozialem Vertrauen' komme zentrale Bedeutung bei gesellschaftlicher Integration zu. Nun wäre zu klären, wann dieses Vertrauen als gerechtfertigt gelten kann. Der hier von mir verwendete Vertrauensbegriff schließt zumindest ein mögliches Wissen um die Unwahrscheinlichkeit des Vertrauensbruchs ein. Man könnte Vertrauen aber natürlich enger als Mechanismus fassen, der gerade dann zum Tragen kommt, wenn das Eintreffen von Erwartungen nicht mit Wissen begründet werden kann. In der Umgangssprache würde dieses vermutlich als ‚blindes Vertrauen‘ bezeichnet werden.

  21. 21.

    Mit der Beschreibung der Ausdifferenzierung von kapitalistischer Wirtschaft und modernem Staat folgt er Max Weber und Karl Marx (Habermas, 1995d: 226).

  22. 22.

    Diese beschreibt Giddens als aus Regeln und Ressourcen bestehend. Erstere können in konsti- tutive und regulative Regeln unterschieden werden (vgl. Searl) und letztere in allokative und autoritative Ressourcen (Giddens, 1997). Giddens betont, dass Strukturen Handlungen begrenzen und ermöglichen – dies ist bekanntlich aber keine neue Einsicht.

  23. 23.

    „Die Existenz der Gesellschaft hat entweder auf unmittelbarer Unterdrückung beruht oder ist eine blinde Resultante widerstrebender Kräfte, jedenfalls nicht das Ergebnis bewusster Spontaneität der freien Individuen“ (Horkheimer, 1992: 217). Diese „Verhältnisse der Wirklichkeit […] erscheinen ihr [der Kritischen Theorie, B.T.] nicht als Gegebenheiten, die bloß festzustellen und nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit vorauszuberechnen wären. Was jeweils gegeben ist hängt nicht allein von der Natur ab, sondern auch davon, was der Mensch über sie vermag (Horkheimer, 1992: 261). „Die Trennung von Individuum und Gesellschaft, kraft deren der Einzelne die vorgezeichneten Schranken seiner Aktivität als natürlich hinnimmt, ist in der kritischen Theorie relativiert. Sie begreift den vom blinden Zusammenwirken der Einzeltätigkeiten bedingten Rahmen, das heißt die gegebene Arbeitsteilung und die Klassenunterschiede, als eine Funktion, die, menschlichem Handeln entspringend, möglicherweise auch planmäßiger Entscheidung, vernünftiger Zielsetzung unterstehen kann“ (Horkheimer, 1992: 224). Ich gehe mit Marx (Marx, 1970: 34) und dem später sehr viel pessimistischerem Horkheimer (Horkheimer/Adorno, 2000) davon aus, dass wir unsere Geschichte selbst machen können. Wäre dies nicht der Fall, wären die Sozialwissenschaften ein ziemlich blindes Unternehmen (der Umkehrschluss gilt hier übrigens nicht).

  24. 24.

    Vgl. Interaktion, Organisation, Gesellschaft bei Luhmann (Soziologische Aufklärung 2) und Mikro-, Meso-, Makroebene in zahlreichen Lehrbüchern. Korrespondierende Begriffe finden sich in verschiedenen theoretischen Arbeiten zu gesellschaftlichen Teilbereichen. In der Diskussion um Öffentlichkeit wären dies z. B. Encounter, Versammlungs-Öffentlichkeit und Massenpublizistik.

  25. 25.

    So waren Aussagen über Wärme und Kälte sicherlich auch vor der Erfindung des Thermometers möglich und so kann man sich mit Zielkonflikten von Handlungsplänen sicherlich auch wissenschaftlich befassen, ohne sie in Zahlenverhältnisse umzuformen. „Methoden sind nur so viel wert, wie sie an Erkenntnis einbringen, man soll nicht so viel Wesens davon machen“ (Sternberger, 1978: 11 f.). Zugleich gilt: Dort, wo man sich von ihrem Gebrauch Einsichten erhofft, sollten sie natürlich kompetenter eingesetzt werden, als es manch borniertem Theoretiker nach meinem Eindruck möglich ist.

  26. 26.

    Merton, 1971. Im Original: The self-fulfilling prophecy, in: Merton, Robert K.: Social theory and social structure, New York, The Free Press of Glencoe: 1957. Merton weist auf die vorherige Beschreibung des Phänomens durch Bossuet, Mandeville, Marx, Freud und Summer hin.

  27. 27.

    Das entsprechende Handeln kann die Annahmen dann oftmals – aber eben nicht immer – im Nachgang als zutreffend qualifizieren.

  28. 28.

    Berger und Luckmann geht es bei ihrer Untersuchung der gesellschaftlichen (also nicht individuellen!) Konstruktion von Wirklichkeit insbesondere um die Zusammenhänge zwischen Vorstellungen und deren geschichtlicher Situation (Berger/Luckmann, 1989: 5). Sie wenden sich gegen verschiedene ahistorische Orientierungen in der Soziologie, so gegen den Funktionalismus, eine rein strukturelle Soziologie und Annahmen zur menschlichen Natur (Berger/ Luckmann, 1989: 186f.).

    „Aus materialistischer Sicht wäre es aber zu flach gegriffen, wollte man gesellschaftliche Wirklichkeit als bloß symbolisch konstruierte begreifen; 'Desymbolisierungen' z. B. könnte es dann nicht geben, 'Ideologien' auch nicht, und die Kategorien von 'Legitimation' und 'Sinngebung' wären 'sinnlos'. Es kann nur das desymbolisiert, ideologisiert, legitimiert, sinnhaft gemacht werden, was auf anderer Ebene bereits vorhanden ist und als solches auch (abweichend von herrschenden Deutungen) erfahren wird“ (Türk, 2000: 149).

  29. 29.

    „Die Orientierung im Denken ist eben nicht eine rein theoretische Angelegenheit, sondern bezeichnet unser Bedürfnis nach Situierung in einer Welt, die zugleich als intelligible und empirische verstehbar sein muss […] Wenn wir uns orientieren, tun wir dies gewöhnlich an etwas, an einem äußeren Fixpunkt wie dem Sonnenstand, dem magnetischen Nordpol oder einer Peilmarke. Die geographische Orientierung […] setzt die Invariantheit eines äußeren Bezugsrahmens voraus. Anders die kognitive Orientierung: ihre Aufgabe ist dramatischer, denn sie kann die Stabilität eines äußeren Bezugsrahmens nicht voraussetzen, sie muss auch diesen gewissermaßen mit Bordmitteln selbst herstellen“ (Dietz u.a., 1996: 9 f.).

  30. 30.

    Wenn normative Fragen wahrheitsfähig sind, können rechtfertigungsfähige Normen von solchen unterschieden werden, die Gewaltverhältnisse stabilisieren (Habermas, 1996d: 153). Ob normative Fragen wahrheitsanalog geklärt werden können ist allerdings hoch umstritten. Dafür argumentiert Jürgen Habermas: Die „rational motivierte Anerkennung von Normen, die jederzeit problematisiert werden darf, begründet den Geltungsanspruch von Normen […] der normative Geltungsanspruch selber ist kognitiv im Sinne der (wie immer kontrafaktischen) Unterstellung, dass er diskursiv eingelöst, also in einem argumentativ erzielten Konsensus der Beteiligten begründet werden könnte“ (Habermas, 1996d: 144).

  31. 31.

    „Wertneutralität hat mit theoretischer Einstellung im klassischen Sinne nichts zu tun; sie entspricht im Gegenteil einer Objektivität der Geltung von Aussagen, die durch Beschränkung auf ein technisches Erkenntnisinteresse ermöglicht – und erkauft wird. Diese Beschränkung hebt nicht etwa die normative Bindung des Forschungsprozesses an Motive der Lebenspraxis auf; sie bringt vielmehr ein bestimmtes Motiv gegenüber anderen undiskutiert zur Herrschaft. Gerade die Herrschaft eines sich selbst verborgenen technischen Erkenntnisinteresses deckt die verschleierten Investitionen“ (Habermas, 1970: 37).

    „Begreift sich Wissenschaft nicht als eine außerhalb jeglicher sozialer Bedingungen stehende private Tätigkeit, sondern selbst als einen sozialen Prozess und zwar als einen der Erkenntnis ganz bestimmter Probleme und damit der Untersuchung ganz bestimmter Sachverhalte, dann kann sie nicht umhin, die Werte, die die herrschenden der sie umgebenden Gesellschaft sind, in ihre Arbeit mit einzubeziehen und zwar nicht nur als Objekte der Untersuchung, sondern vielmehr gerade als Voraussetzung derselben“ (Greven, 1974: 20). „Die Notwendigkeit einer expliziten Wertprämisse ergibt sich also aus der Tatsache, dass einerseits Sozialwissenschaft prinzipiell nicht wertfrei sein kann, weil sie integriert ist in einen Gesamtzusammenhang sozia ler Prozesse, in dem Entscheidungen auf Werten beruhen, andererseits aber Sozialwissenschaft zur Erfüllung ihrer Funktionen in der Gesellschaft der Kommunikationsfähigkeit, das heißt der Übertragbarkeit und Mitteilbarkeit ihrer Ergebnisse bedarf. Beides zusammen erfüllt sich nur in einer Wissenschaft, die die konkret der einzelnen Untersuchung zugrunde liegenden Werte in einer Weise explizit macht, die nachvollziehbar ist“ (Greven, 1974: 21).

  32. 32.

    „Tatsache ist, dass sich unsere demokratische Gesellschaft zunehmend ein riskantes Missverhältnis zwischen der Erwartung an politischer Beteiligung und politischem Urteilsvermögen in immer komplizierteren Entscheidungsfragen einerseits und der Bereitstellung von Lernorten des Erwerbs politikbezogenen Wissens andererseits erlaubt. Während es allgemein offenkundig für unverzichtbar gehalten wird, dass die Masse der Schüler die innere Funktionslogik der DNS und RNS oder eines Neutrons durch vielstündige 'Beschulung' vor Beginn eines entsprechenden Fachstudiums zu verstehen lernt, verlässt der durchschnittliche Abiturient die Schule, ohne Konkordanz- von Konkurrenzdemokratie und beide von autoritären Regimen angemessen differenzieren zu können“ (Greven, 1994: 295).

  33. 33.

    Für Hannah Arendt ist im Rahmen menschlicher Angelegenheiten jeder Anspruch auf absolute Wahrheit, die vorgibt, von Meinungen unabhängig zu sein, die Axt an die Wurzeln aller Politik (Arendt, 1999). Berühmt für ihre Sachzwangs‚politik‘ war Magret Thatcher. Die viel zitierte, ihr zugeschriebene TINA-Logik steht für ‚There ist no alternative‘. Politikverneinung liegt ferner nahe im Traditionalismus, in Technokratie, Fundamentalismus, Markt-Fundamentalismus (Meyer, 2000: 45) und Fatalismus.

  34. 34.

    „Das Gesetz kann nicht herrschen. Nur Menschen können über andere Menschen Macht ausüben. Die These, derzufolge Gesetze und nicht Menschen herrschen, soll die Tatsache verhüllen, dass Menschen über andere Menschen herrschen“ (Neumann, 1967: 84)

  35. 35.

    Einer der wohl bekanntesten soziologischen Klassiker hierzu ist: Weber, 1988b. Was bei Weber legitime Herrschaft heißt, müsste genauer jedoch als „legitim empfundene“ – weil nicht weiter hinterfragte bzw. begründete – Herrschaft beschrieben werden.

  36. 36.

    Wenn wir z. B. die Leitung einer Organisation als demokratisch oder autoritär beschreiben, beschreiben wir den politischen Aspekt dieser (vgl. Dahl, 1973: 18). Genauso gut kann eine Organisation, die man klar als politische Organisation bezeichnen würde (z. B. eine Partei), eine wirtschaftliche oder religiöse Dimension haben – was in der Regel der Fall ist.

  37. 37.

    Gegen das Vorurteil, Politik könne auf strategisches Handeln oder „ein Gewebe aus dem Lug und Trug von schäbigen Interessen“ (Arendt, 1993: 15) reduziert werden, hat insbesondere Hannah Arendt argumentiert (Arendt, 1993: 13ff.). Ihr Politikbegriff betont (allerdings einseitig) die Freiheit, welche in der politischen Teilhabe liegt. Ihre Zuordnung von Freiheit und Öffentlichkeit auf der einen und Privatheit und Zwang auf der anderen Seite steht damit dem alltäglichen Verständnis entgegen, wonach der Staat Zwang ausübt vor dem Menschen sich in ihre Privatheit flüchten können. Den Hintergrund der Argumentation Arendts bildet die Unterscheidung zwischen dem Reich der Notwendigkeit (das Private) und dem Reich der Freiheit (das Öffentliche) in der griechischen Polis – „wobei Freiheit negativ als Nicht-beherrscht- Werden und Nicht-Herrschen verstanden wird (Arendt, 1993: 39; siehe auch: Arendt, 2002: 33f.). Arendts Politikbegriff geht auf Aristoteles’ Vorstellung von Politik als Fortsetzung der Ethik und Lehre vom guten und gerechten Leben (Habermas, 1972a: 48), zurück, das auf der Grundannahme des Menschen als zoon politikon fußt.

  38. 38.

    Also Durchsetzungsfähigkeit gegen den Willen anderer (Weber, 1980b: 28).

  39. 39.

    Wobei Mouffe weit gemäßigter, nicht eine Bereitschaft für die eigene Nation zu sterben oder ähnlichen Unfug fordert, sondern die von ihr beschriebenen Kämpfe als im Rahmen zivilisierter Umgangsformen austragbare beschreibt.

  40. 40.

    Nach Marcuse „diejenige Praxis, in der die grundlegenden gesellschaftlichen Institutionen entwickelt werden“ (Marcuse, 1971: 261).

  41. 41.

    „Die neuzeitlichen demokratischen Gesellschaften sind u. a. durch die Abgrenzung einer bestimmten Sphäre von Institutionen, Beziehungen und Tätigkeiten als politische gekennzeichnet, die sich von den anderen unterscheidet, die wiederum als ökonomische, rechtliche usw. erscheinen. In dieser Erscheinungsweise des Politischen finden die Politologen und Soziologen die Bedingung sowohl für die Definition ihres Gegenstandes wie für die Methode ihrer Erkenntnis, ohne jedoch die Gesellschaftsformation zu hinterfragen, in der sich die Aufspaltung verschiedener Wirklichkeitsausschnitte darstellt und als legitim anerkannt wird. Doch die Tatsache, dass sich so etwas wie die Politik in einer bestimmten Epoche im gesellschaftlichen Leben abzugrenzen begann, hat gerade eine politische Bedeutung, die als solche nicht partikular, sondern allgemein ist“ (Lefort, 1990: 283 f.). „Wenn man die Erkenntnis in die Grenzen der objektiven Wissenschaft zurückführen möchte, so bricht man mit der philosophischen Tradition. Anstatt das Risiko eines Urteils auf sich zu nehmen, verliert man den Sinn für den Unterschied zwischen den Gesellschaftsformen“ (Lefort, 1990: 286).

  42. 42.

    In der Luhmannschen Systemtheorie, die von klar getrennten Teilsystemen infolge funktionaler Differenzierung ausgeht, ist das politische System weder Spitze noch Zentrum von Gesellschaft. Hieraus wird gefolgert, dass Kategorien wie Gemeinwohl, Legitimität und Repräsentation des Ganzen aufgegeben werden müssen. Die Aufgabe des Begriffs Gemeinwohl wird auch über die Auflösung der Trennung zwischen Gemeinwohl und Privatinteresse begründet (vgl. Luhmann, 2002a: 121 f.). Auch bei Parsons ist Politik ein Teilsystem neben Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft (Familie, Gemeinschaften).

  43. 43.

    Klaus von Beyme geht jedoch nicht von einem Steuerungsprimat der Politik aus. Kennzeichen moderner politischer Theorien sind für ihn neben der Anerkennung der Differenzierung von Theorie und Praxis, Evolution und Geschichte sowie der Entwicklung der vergleichenden Methode die Akzeptanz ausdifferenzierter Lebensbereiche mit Verzicht auf den Primat der Politik (von Beyme, 1992: 44, Hervorhebung B. T.). Bedeutend ist hier natürlich ob dies als Beschreibung oder als normative Forderung gemeint ist. Im ersten Fall wäre unsere Schnittmenge sicher größer. Da er aber nicht vom Verzicht der Politik auf ihren Primat sondern dem Verzicht auf den Primat der Politik spricht, geht es ihm wohl nicht um eine empirische Feststellung.

  44. 44.

    „Eine Begriffsbestimmung des Politischen kann nur durch Aufdeckung und Feststellung der spezifisch politischen Kategorien gewonnen werden. […] Die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind. Sie gibt eine Begriffsbestimmung im Sinne eines Kriteriums, nicht als erschöpfende Definition oder Inhaltsangabe.“ (Schmitt, 1963: 26).

  45. 45.

    Hennis spricht so auch von Demokratisierung als „Kampf um die Grenze zwischen dem politischen und nicht-politischen“ (Hennis, 1973).

  46. 46.

    „Aber das totalitäre Wesen der 'ungleichen Brüder' Faschismus und Stalinismus bestand nicht in der Politisierung der ganzen Gesellschaft, sondern gerade in deren Unterdrückung mit staatlichen und terroristischen Mitteln […] es ist deshalb unsinnig, den totalitären Grad der Mobilisierung und Durchdringung etwa der nationalsozialistischen oder stalinistischen Gesellschaft als 'Politisierung' zu bezeichnen“ (Greven, 1994: 289).

    Greven kritisiert ferner zu Recht Ulrich Becks Unterscheidung von Politik und Subpolitik: „Bei U. Beck rächt sich in solchen Ungereimtheiten beim Begriff des Politischen das inkonsequente Festhalten an dem symbolischen Dispositiv der Unterscheidung von Gesellschaft und Staat“ (Greven, 1994: 291). Es mache keinen analytischen oder theoretischen Sinn, Prozesse der Entscheidungsfindung z. B. im Gesundheitswesen in unpolitische, politische und subpolitische zu trennen. „Und erst recht wäre es unsinnig, schließlich nur den gesetzgeberischen Vollzug und die administrative Umsetzung der vielleicht gefundenen Einigung als ‚Politik‘ zu bezeichnen, den vorangegangenen qualitativ entscheidenden Prozess aber als ‚Subpolitik‘“ (Greven, 1994: 292). Eine Übersicht zu Becks „Kategorien des Politischen“ findet sich in Beck, 1993: 209.

  47. 47.

    Zur Kritik am zu engen Politikbegriff Laswells und den Folgen hieraus siehe u. a. Bachrach, 1970: 82.

  48. 48.

    „Mit anderen Worten: ich bin davon überzeugt, dass Politikwissenschaft nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht hat, zu bewerten und kritisch zu urteilen. Auch wenn wir heute nicht mehr auf der Basis einer dogmatischen und apodiktisch urteilenden Moralphilosophie argumentieren können, erscheint es mir doch als legitim und sogar notwendig, die politische und soziale Realität daraufhin zu befragen, wieweit sie den von den großen Theoretikern der bürgerlichen Emanzipationsbewegung aufgestellten Idealen entspricht“ (Fetscher, 1968: 11).

    Dryzek begreift kritische Wissenschaft aus kognitiven Gründen für unumgänglich: „To be rational, political science must be critical. This basic critical commitment is not a matter of ideology or of the investigator's preference; it is a matter of cognitive rationality, and it is one matter that does not change with historical circumstances“ (Dryzek, 1990: 213). Ferner „political science must criticize society and polity to the extent they violate the principles of communicative rationality. To reject this point is to be untrue to the cognitively rational foundations of political inquiry“ (Dryzek, 1990: 219).

    Auch Lefort äußert sich kritisch zu einer unkritischen Wissenschaft von der Politik: „Das Denken des Politischen erfordert einen Bruch mit dem Standpunkt der politischen Wissen schaft, die gerade aus der Streichung jener Frage [nach einer Bewertung unterschiedlicher Gesellschaftsformen, B. T.] entstanden ist. Die politische Wissenschaft wird aus einem 'Willen zur Objektivierung' geboren, der vergisst, dass es keine Elemente oder Elementarstrukturen, keine Wesenheiten (Klassen oder Klassensegmente), keine gesellschaftlichen Beziehungen, keine ökonomische und technische Bestimmung, keine Dimension des gesellschaftlichen Raumes gibt, die 'vor' ihrer Formgebung existierten“ (Lefort, 1990: 284).

  49. 49.

    „Die Politikwissenschaft gehört zu den treuesten Abnehmern jener Globaltheorien, welche in der Soziologie [mit deren Auflösung in 'Bindestrich-Soziologien] zunehmend randständig wurden. Die Geschichte der Theorien im 20. Jahrhundert schwankte hin und her zwischen Theorien überzogener staatlicher Steuerungsansprüche, und anderen Theorien, welche der Politik die totale Steuerungsunfähigkeit bescheinigten, ob es sich nun um neomarxistische Restriktionstheorien oder um autopoietische Selbststeuerungstheorien handelte“ (von Beyme, 1992: 93). Wobei sich auch die Politikwissenschaft in den Sechzigern von den Makrotheorien abund den Theorien mittlerer Reichweite (Merton) zugewandt hat. Diese stehen weiterhin im Zentrum politischer Theorie (vgl. von Beyme, 1992: 17f.). Mit diesem Wechsel gehen sicherlich viele Bezugnahmen auf gesamtgesellschaftliche Fragestellungen verloren. Gleichwohl findet man in Lehrbüchern zur politikwissenschaftlichen Theorie auch heute noch 'große Gesellschaftstheorien' (siehe z. B. Brodocz/Schaal, 2001 sowie Brodocz/Schaal, 2002).

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Thies, B. (2012). Vorannahmen und -entscheidungen. In: Co-Gruppen-Demokratie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19436-3_2

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