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Professionstheoretische Vorüberlegungen zu einer Handlungstheorie Sozialer Arbeit

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Soziale Arbeit, Gerechtigkeit und das gute Leben

Part of the book series: Soziale Arbeit in Theorie und Wissenschaft ((TWSA))

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Zusammenfassung

Soziale Arbeit, hier verstanden als professionelles Handeln in der Unterstützung von Menschen, die in ihrer Lebensführung durch soziale Probleme beeinträchtigt sind, muss auf einer handlungstheoretischen Basis fußen, die ihr Aufschluss darüber gibt, welche Mechanismen zur Entstehung von Problemen, Krisen, Störungen, Krankheiten, Behinderungen etc. beitragen und wie darauf erfolgreich und zum Wohle der AdressatInnen reagiert werden kann. Die vielfach verwendeten Formeln des „wissenschaftlich ausgebildeten Praktikers“ (Lüders 1989) einerseits und des „reflektierenden Praktikers“ (Schön 1984) andererseits werden auch hier verwendet, um zu zeigen, dass sich nach einer 100-150 Jahre währenden Praxis nunmehr die Idee durchgesetzt hat, dass sich ein rein wohltätiges, karitatives oder naiv-helfendes Handeln nicht zur Verbesserung der sozialen Lage von Menschen mit sozial bedingten Beeinträchtigungen eignet, dass also ein oft intuitives, unreflektiertes oder rein an den Erfordernissen der Praxis ausgerichtetes Handeln, dass schließlich ein solches Handeln aus professionsethischen Gründen nicht akzeptabel ist und sich deshalb Soziale Arbeit durch Professionalisierung und Wissenschaftlichkeit weiterentwickeln muss.

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Notes

  1. 1.

    vgl. zur erkenntnistheoretischen Begründung dieser Problemkategorien siehe das Kapitel 3

  2. 2.

    Ife (2008, 132) denkt in eine ähnliche Richtung, wenn er die Möglichkeit verneint, man könne ein „Kochbuch“ für Soziale Arbeit schreiben, allerdings dabei nicht die Chance negiert, Prinzipien der Praxis auf der Grundlage von Theorie zu beschreiben: "The rejection of neat ’how to do it’ instruction books has been an ongoing theme of social work. Any social worker who tries to set down such clear ‘cookbook’ prescriptions for practice is heading for irrelevance. [...] Social work practice is not predictable; it is messy, chaotic, and infinitely changeable. This is the reason that most social work texts refuse to lay out specific prescriptions for practice, and instead rely on theory, principles of practice, and case studies, much to the frustration of students, who are frequently under the misapprehension that in a social work course they will be ’taught how to do it’."

  3. 3.

    Es handelt sich hier um eine definitorische Bestimmung der Funktion Sozialer Arbeit, die in Anlehnung an die Definition des Fachausschusses „Theorie- und Wissenschaftsentwicklung Sozialer Arbeit", der im Auftrag des Fachbereichstages Soziale Arbeit tätig war, weiterentwickelt wurde. In der Fassung des Fachausschusses hieß es: „Der Gegenstand der Sozialen Arbeit ist die Bearbeitung gesellschaftlich und professionell als relevant angesehener Problemlagen." (Klüsche 1999, 44). Die Erweiterung integriert die aus Sicht der betroffenen NutzerInnen Sozialer Arbeit hohe Bedeutung der problematischen Aspekte innerhalb der eigenen Lebensführung und trägt somit den dienstleistungstheoretischen Erkenntnissen (Oelerich/Schaarschuch 2005) Rechnung.

  4. 4.

    Daran ändern auch die vielen Sammlungen und Kompendien von Theoriebeiträgen nichts (Engelke/ Borrmann/Spatscheck (2009), Thole (2010), Birgmeier/Mührel (2009a, b). Die einzigen derzeitigen Ausnahmen bilden einerseits der Band von Mührel/Birgmeier zur Theoriebildung Sozialer Arbeit (2011), wobei auch hierin z. T. neue Theoriebeiträge aufgenommen sind, und andererseits der Übersichtsartikel von Füssenhäuser/Thiersch (2005).

  5. 5.

    Umso mehr sind die Bemühungen zu schätzen, welche ein breiteres Panorama an Theorie zeigen (Engelke 2003; Engelke/Borrmann/Spatscheck 2009).

  6. 6.

    Der Einfachheit halber werden hier die Theorien mit bestimmten AutorInnen identifiziert und damit personalisiert, was insofern nicht unproblematisch ist, als sich diese wiederum auf bestimmte Personen und Theorieentwicklungen beziehen. Sie alle stehen „auf den Schultern von Riesen". Diese Metapher wird dem scholastischen Philosophen Bernhard von Chartres zugesprochen und u. a. von Isaac Newton und Robert Merton aufgegriffen. (B. v. Chartres: „Wir sind gleichsam Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen, um mehr und Entfernteres als diese sehen zu können - freilich nicht dank eigener scharfer Sehkraft oder Körpergröße, sondern weil die Größe der Riesen uns zu Hilfe kommt und uns emporhebt.")

  7. 7.

    Englischsprachige Übersichtswerke (Payne 2005; Howe 2009) nennen zudem auch noch bezugswissenschaftliche Theorien, v. a. psychologische und sozialwissenschaftliche Theorien, die hier bewusst ausgeklammert bleiben. Interessanterweise finden hier die aus der sozialpädagogischen Tradition kommenden Theorien, wie z. B. die Lebensweltorientierung, keine Erwähnung, da diese im angloamerikanischen Raum eher wenig Beachtung finden.

  8. 8.

    Obrecht (2005a) nennt dies „Wissenschaftlichen Realismus" und bezeichnet damit eine in gewisser Hinsicht andere Wissenschaftstheorie, die aber den Zweifel an rein empiristischen Theoremen mit dem kritischen Realismus teilt (vgl. hierzu Danermark u. a. 2002)

  9. 9.

    Staub-Bernasconi (2007, 169 f.) bezeichnet diese Sichtweisen als „individualistischsubjektzentriert" und „soziozentrisch-holistisch".

  10. 10.

    Die Widerlegung bzw. Anklage einer funktionalistischen Sicht auf den Menschen ist ein weiterer Hauptgesichtspunkt ihrer Theorie (vgl. Staub-Bernasconi 2002; 2007, 113 ff.)

  11. 11.

    Im Sinne einer theoretischen Weiterentwicklung stünde hier etwa ein kritischer Abgleich mit der „Verdinglichungstheorie" an (Honneth 2005), da sich innerhalb des Austauschverhältnisses zwischen Menschen bekanntermaßen Verdinglichungsphänomene ergeben können.

  12. 12.

    Hier ist nicht die professionelle Handlungstheorie, sondern eine allgemeine Handlungstheorie menschlicher Praxis gemeint (siehe dazu auch Benner 2005; Birgmeier 2011)

  13. 13.

    Hier ist nicht die professionelle Handlungstheorie, sondern eine allgemeine Handlungstheorie menschlicher Praxis gemeint (siehe dazu auch Benner 2005; Birgmeier 2011)

  14. 14.

    vgl. zum Aneignungsbegriff auch Scheu/Autrata (2011) sowie die Arbeiten Holzkamps zur Lebensführung (1995) und auch allgemein: May (2004) sowie Winkler (2004). Ebenfalls als zielgruppenspezifische Anwendung des Aneignungskonzepts Deinet/Reutlinger (2004).

  15. 15.

    Die Annahme, dass es ,klassische Professionen’ gibt bzw. jemals gab, ist angesichts der historischen Entwicklung wie auch der aktuellen Lage jener Professionen, die wir damit klassischerweise verbinden, also beispielsweise Ärzte, Juristen, Architekten etc., stark zu bezweifeln. Jedenfalls ist hier angesichts auch deren Abhängigkeit von kulturellen, gesellschaftlichen und vor allem rechtlichen und ökonomischen Voraussetzungen ihres Handelns ein gewisses Maß an Skepsis wohl mehr angebracht als eine Stilisierung ihrer angeblichen Autonomie. Vor allem die ärztliche Zunft erlebt gerade durch die zunehmende „Verbetriebswirtschaftlichung" der Medizin einen spürbaren Einfluss der Ökonomie, gegen den sie sich zwar moralisch und faktisch wehrt, im Ergebnis aber kaum vollständig widersetzen oder entziehen kann. Aus diesem Grund ist die Gegenüberstellung von klassischen und neuen Professionen zumindest in dieser Hinsicht zu relativieren, was auch die Soziale Arbeit und ihren Professionsstatus in ein anderes Licht rückt.

  16. 16.

    Abgesehen von der missbräuchlichen Verwendung professioneller Standards (wie etwa der Sozialen Diagnostik oder der Nähe zu KlientInnen der Fürsorge) im Nationalsozialismus ist durchaus eine fortschreitende Entwicklung festzustellen. Auch die Zunahme an professionellen Fachkräften (Züchner/Cloos 2010) ist ein - wenn auch eher schwacher - Indikator für diese Erfolgsgeschichte.

  17. 17.

    In diesem Zusammenhang sei auf den Versuch von Otto u. a. hingewiesen, den Capabilities Approach für eine Wirkungsmessung zu operationalisieren (Albus u. a. 2010; Otto u. a. 2007; siehe auch Röh/Jakobs 2009)

  18. 18.

    Kleve (2003, 119 ff.) geht sogar so weit zu behaupten, dass die krampfhafte Identitätssuche und -fixierung angesichts postmoderner „Gemüts- und Geisteszustände" gar nicht notwendig sei. Vielmehr laufe die Identitätsfrage angesichts konstruktivistischer Prämissen des postmodernen Denkens auf eine Paradoxie hinaus, da sich die „Identität" Sozialer Arbeit gerade durch die Unmöglichkeit einer Identifizierung spezifischer Eigenschaften zeige. Diese Eigenschaftslosigkeit resultiere aus dem Generalismus und dem Metawissen der sozialarbeiterischen Professionalität. Dies resultiert bei Kleve schließlich in einer (typisch konstruktivistischsystemischen) Umdeutung: „In der Schwäche, sich als Sozialarbeit nicht klar identifizieren zu können, liegt die Stärke, die eigentliche Professionalität sozialarbeiterischer Praxis." (Kleve 2003, 124 f.)

  19. 19.

    Diese werden derzeit auch im Rahmen einer immer weitreichenderen Thematisierung von Aktivierungs- und Gemeinschaftsidealen erneut in den Blick genommen (siehe beispielhaft die Inklusionsdebatte, z. B. Dörner 2007, 2012).

  20. 20.

    Heiner (2004) hat in einer beispielhaften Untersuchung die jeweiligen Handlungsmodelle der Professionellen daraufhin überprüft, ob sie diesem intermediären Modell entsprechen. Dabei konnte sie zeigen, dass sich die größte Teilgruppe der Fachkräfte ihrer Untersuchungsgruppe einem professionellen Handlungsmodell zuordnen lässt. Dieses zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass diese Fachkräfte es schaffen, die gesellschaftlichen Ansprüche mit einem klientenzentrierten und ressourcenorientierten Handeln zu verknüpfen und damit i. w. S. vermittelnd zu arbeiten.

  21. 21.

    Aktuell wird diese Definition von 2004 wiederum und in einem sehr großen Prozess diskutiert und wahrscheinlich geändert (vgl. http://ifsw.org/get-involved/the-future-of-social-work).

  22. 22.

    vgl. zur ausführlichen Einordnung in die Theorie Sozialer Arbeit Engelke/Borrmann/ Spatscheck 2009

  23. 23.

    Die Behauptung, die Systemtheorie der Zürcher Schule gehe stärker von universellen und damit im Grunde genommen ahistorischen Grundthemen menschlicher Bedürftigkeit aus, trifft nur insofern zu, als auch Staub-Bernasconi sich auf diejenigen Pionierinnen bezieht, die als Erste die Probleme der Moderne, insb. des Industriekapitalismus, sahen, z. B. Jane Addams (vgl. Staub-Bernasconi 2007). Mehr universalistisch ist dagegen die Argumentation von Werner Obrecht, der im Anschluss an Mario Bunge eine fast naturphilosophische Bestimmung des Menschen vornimmt (vgl. Obrecht 2005b).

  24. 24.

    Volz (1993) hat diese Form der Sozialen Arbeit vor allem als verstehenden Zugang charakterisiert, indem er der Sozialpädagogik (größtenteils ist aber Soziale Arbeit als Gesamtes gemeint) die Wissensform der „Lebensführungshermeneutik" neben der des „Gegenstandswissens" und des „Wertewissens" zur Seite stellt. Diese soll die Profession dazu befähigen, ein gutes Leben zu avisieren, ohne dieses dem Einzelnen zu oktroyieren.

  25. 25.

    Die Pädagogin und Philosophin Marianne Gronemeyer verwendet den Begriff der „Daseinsmächtigkeit" als einen vor allem konsumkritischen Gegenbegriff zu vorherrschenden Prozessen der Entmächtigung von Subjekten (vgl. 1988, 2002). Ihr Bedürfnisbegriff ist jedoch mit dem in der Sozialen Arbeit verwendeten nicht kompatibel, da hier vor allem die ÜberflussBedürftigkeit, dort die Notwendigkeits-Bedürfnisse thematisiert werden. In letzterem Sinne wird „Daseinsmächtigkeit" in dieser Arbeit verstanden. Ebenfalls abzugrenzen ist mein Gebrauch dieses Terminus von dem des Philosophen Martin Heidegger (2006), der dessen existenzphilosophische Bedeutung hervorhebt. Dies ist zwar in gewisser Weise mit dem hier vertretenden Lebensführungsansatz kompatibel, jedoch werden die weiteren philosophischen Attribuierungen Heideggers nicht übernommen.

  26. 26.

    vgl. zur Unterscheidung von Ethik und Moral (Dollinger 2010). Moralische Ansprüche sind häufig normativen Ansätzen geschuldet, wohingegen die Ethik eher die diskursive Thematisierung von moralischen Ansprüchen ist.

  27. 27.

    In ähnlicher Weise versteht auch Ife (2008) die Soziale Arbeit als eine Menschenrechtsprofession, wie im vierten Kapitel noch ausführlich dargestellt werden wird.

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Röh, D. (2013). Professionstheoretische Vorüberlegungen zu einer Handlungstheorie Sozialer Arbeit. In: Soziale Arbeit, Gerechtigkeit und das gute Leben. Soziale Arbeit in Theorie und Wissenschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19357-1_2

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