Zusammenfassung
Nach dem Überblick über verschiedene Formen des politisch motivierten Suizids sowie ihre historische Genese und globale Diffusion möchte ich im Folgenden die wichtigsten wissenschaftlichen Erklärungsmodelle zu diesem Phänomen vorstellen und diskutieren. Über Suizidattentate existiert eine ganze Fülle an Literatur mit den verschiedensten Forschungsansätzen. Fokus der Analysen sind z.B. die geschichtliche Entwicklung des Suizidattentats (Reuter 2003, Croitoru 2003, Géré 2003), der ausübende Akteur aus psychologischer oder psychiatrischer Sicht (Merari 2010), die islamistische Ideologie (Israeli 2003, Shay 2004), die Biographien der Attentäter (Davis 2003, Victor 2005, Schäuble 2011), die Inhalte der Märtyrertestamente, die Rolle weiblicher Attentäterinnen (Brunner 2005, Schweitzer 2006, Skaine 2006, Speckhard, Akhmedova 2008, O’Rourke 2009, Ziolkowski 2012) oder die strategische Dimension der Anschläge im Zusammenspiel von Individuum, Organisation und Gesellschaft (Pape 2005, Bloom 2005, Pedahzur 2005, Gambetta 2005, Hafez 2007a, Moghadam 2008, Pape, Feldman 2010). Die Bandbreite der Forschungsarbeiten zum Protestsuizid ist deutlich geringer und umfasst vor allem Ansätze aus der Psychiatrie (Bourgeois 1969, Crosby et al. 1977), der Linguistik (Jorgensen-Earp 1987, Wee 2004) und der Forschung zu Sozialen Bewegungen (Biggs 2005, 2011, Kim 2008). Auch zum Todesfasten, wie es in der vorliegenden Arbeit definiert ist, gibt es vergleichsweise wenig Literatur. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Dimension des Protests (Biggs 2004, Bargu 2011) und der Theatralität (Ellmann 1993, Passmore 2009) dieser Akte der Nahrungsverweigerung. Bisher existiert nur eine Forschungsarbeit, die den Anspruch hat, einen systematischen Vergleich zwischen den verschiedenen Formen Selbstmordattentat, Todesfasten und Suizidprotest zu leisten (Lahiri 2008). Die Autorin beschränkt sich dabei auf Indien und Sri Lanka. Zudem gibt es, trotz zahlreicher Bibliographien des Selbstmords, bisher noch keine umfassende Auflistung aller Publikationen zu Suizidanschlägen oder politisch motivierten Suiziden. Da es mir hier nicht möglich ist, alle Ansätze, geschweige denn alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen, ausführlich zu erläutern, möchte ich nur die wichtigsten Paradigmen der Forschung darstellen und ergebnisorientiert diskutieren. Zunächst will ich jedoch auf ein grundsätzliches Problem eingehen, das fast alle relevanten Publikationen betrifft.
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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden
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Graitl, L. (2012). Politisch motivierter Suizid: Erklärungsmodelle der Forschung. In: Sterben als Spektakel. Veröffentlichungen der Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19062-4_4
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-18461-6
Online ISBN: 978-3-531-19062-4
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