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Dämonische Mächte

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Das Nibelungenlied
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Zusammenfassung

Ich beginne in der Analyse der untergründigen Mächte1 der Dichtung mit dem auf den Zeilen Greifbaren: Es wiegt noch nicht allzu schwer — wenngleich doch ungleich mehr als in der Abgeblaßtheit späterer Zeiten -, wenn der Teufel zitiert wird: Liudegêr meint etwa über Sîvrit: ‛in hât der übele tiuvel her zen Sachsen gesant’ (216, 4), oder Hagen schleudert Kriemhilt entgegen, er bringe ihr nicht den Hort, sondern den tiuvel (1744), kurz darauf ruft wieder der Tronjer (zu dem von Blut geröteten Dancwart) beschwörend: ‛derz iu hât getân, / in erner der übel tiuvel, ez muoz im an sîn leben gân’ (1955, 3–4), oder Dietrîch herrscht den Heißsporn Wolfhart an: ‛swîget, … ir habet den tiuvel getân’ (1993, 4). Viel gewichtiger ist schon, wenn der überraschte Etzel in seiner jähen Angst sich glücklich schätzt, dem wie der Satan wütenden Volkêr entgangen zu sein; das Dämonische in diesem Menschen hat er verspürt (2001). Ein tief erregender und innerlich kritischer Augenblick aber ist es, der Dietrîch bei der ersten Nachricht von Rüedegêrs Tod ausrufen läßt: ‛daz ensol niht wellen got! / daz wœre ein starkiu râche und ouch des tiuvels spot’ (2245, 1–2)2! Vom Triumph der Finsternis über die Mächte des Guten wird hier im Widerschein der Dietrîch-Seele etwas sichtbar. — Tiefer auch und anders als nur tragikomisch ist es bereits einzuschätzen, wenn Gunther und vor allem Hagen die überdimensionierte Körperkraft Brünhildes als der Hölle zugehörig verwünschen (438; 442; 450); was sie im Unbewußten verspüren, ist das in die Richtung von etwas Untergründigem Verwandelte in dieser Frau, deren übermüete jedem den Tod bereitet, der sich als Schwächerer erweist.

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Notizen

  1. vgl. zu Einzelheiten dieses Kapitels die Frankfurter Diss. von Wedis Neindorf »Irrationale Kräfte im Nibelungenlied«, 1963; ferner Werner A. Mueller »The Nibelungenlied today«, S. 44 ff.

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  2. vgl. hierzu unten S. 162.

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  3. Diesen Aspekt hat neuerdings Werner A. Mueller stark betont.

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Notizen

  1. vgl. hierzu auch: Hulda H. Braches »Jenseitsmotive und ihre Verritterlichung in der deutschen Dichtung des Hochmittelalters«, 1961, S. 103 f.

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Notizen

  1. vgl. dazu unten S. 163.

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  2. vgl. dazu unten S. 146, 167.

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Notizen

  1. vgl. zur Textgestalt von 1521, 4: de Boor, Textausgabe 1961, S. 243.

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  2. vgl. hierzu außer der überholten Arbeit von Alfred Gerz »Rolle und Funktion der epischen Vorausdeutung im Mittelhochdeutschen Epos« (1930): Siegfried Beyschlag »Die Funktion der epischen Vorausdeutung im Aufbau des Nibelungenliedes«, PBB 76 (Halle), 1955, S. 38 ff.; Adrien Bonjour »Anticipations et prophéties dans le Nibelungenlied«, Etudes Germ. 7, 1952, S. 241 ff., und vor allem Burghart Wachinger »Studien zum Nibelungenlied. Vorausdeutungen, Aufbau, Motivierung«, 1960, insbesondere Kap. I, S. 4–55; siehe zu Wachinger die Besprechungen von Werner Hoffmann, WW 12, 1962, S. 121–124, Hansjürgen Linke, AfdA 73, 1962, S. 96–102, Franz H. Bäuml, JEGP 61, 1962, S. 110–113, und Bert Nagel, ZfdPh. 81, 1962, S. 100–109. — Nach der Seite der ästhetischen Funktion hat Hansjürgen Linke die Abhandlung Beyschlags ergänzt und beachtliche weiterführende Untersuchungen über „das umfassende Künstlertum“ des Nibelungenlieddichters daran angeschlossen (»Über den Erzähler im Nibelungenlied und seine künstlerische Funktion«, GRM 41, 1960, S. 370–385).

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Notizen

  1. Von der Schwierigkeit der hier angerührten Problematik hat die nachdenkliche Bonner Dissertation von Katharina Bollinger »Das Tragische im höfischen Epos« (1938) durchaus etwas geahnt; vgl. dort insbesondere S. 4–17.

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Notizen

  1. Für Kriemhilt hat das Hans Kuhn in seinem höchst instruktiven Aufsatz »Brünhilds und Kriemhilds Tod« (ZfdA 82, 1948/1950, S. 191) bereits klar erkannt und zu Recht als spezifisch christlich gedeutet. — Hingegen kann keine Rede davon sein, daß das Schicksalhafte des Nibelungenliedes schlechthin im Christlichen aufgehe, ebensowenig davon, daß der Dichter einen „definite didactic purpose“ verfolgte (J. K. Bostock »The Message of the Nibelungenlied«, MLR 55, 1960, S. 200–212; vgl. auch den (freilich seinerseits nicht durchweg überzeugenden) Widerspruch gegen Bostock von K. C. King, MLR 57, 1962, S. 541–550).

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Notizen

  1. vgl. zu diesem Komplex: Max Ittenbach »Das Nibelungenlied. Dichtung und Schicksalsgestaltung«, 1944. Die kleine Arbeit enthält einige gute Ansätze; zu Dietrîch von Bern s. S. 49 f.

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  2. Das Untergründig-Dämonische wirkt, exakt gesehen, auf zweierlei Weise: einmal als unmittelbare Schicksalsdämonie „über“ dem Menschen, die an den Menschen herangetragen wird, — zum anderen als Dämonie „im“ Menschen selbst — eben auf Grund des durch ein dämonisches Schicksal Angestoßenwerdens. Das letzte ist vor allem in Kriemhilt und Hagen der Fall, die in ihrer dämonischen Seinskomponente nicht nur Erleidende, sondern auch aktiv Handelnde sind.

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Notizen

  1. vgl. zu 2245 unten S. 162.

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Notizen

  1. Nicht zu vergleichen mit ‛Schuld’ im christlichen Sinne.

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  2. vgl. hierzu die ausgezeichnete Arbeit von Hans Kuhn in Hermann Schneiders »Germanischer Altertumskunde«, 1938 (Verbesserter Neudruck 1951) über „Sitte und Sittlichkeit“ S. 171–221, insbesondere über Liebe zur Freiheit (171), rein innermenschliche Schuld (178), die grundsätzliche Unterschiedenheit einerseits: zwischen den christlichen Perspektiven von guten und bösen Mächten, Engel- und Teufelwelt, weiter spezifisch ethisch-religiösen Konflikten und andererseits: der altgermanischen Vorstellung von menschenfeindlichen und menschenfreundlichen Mächten jenseits ethischer und jenseits religiöser Konflikte (179), Ehre und Freiheit (187), der altgerm. Welt voller Unfrieden und Gefahren (207), der germ. Sittlichkeit in der Tapferkeit und Todesverachtung (208), strenger Selbstbeherrschung und Treue (209) und entscheidender Willensstärke (210), dem Begriff des Lebensopfers im Untergang und der Bewährung von Heldentum im Untergehen (210), Ehre und Nachruhm (215 ff.), Macht und Größe (219). Zu verwandten, z.T. ergänzenden Ergebnissen ist in den in unserem Zusammenhang interessierenden Fragen auch Walter Baetke (»Vom Geist und Erbe Thules«, 1944) gelangt; vgl. dort besonders S. 48–60. Siehe außerdem Wolfgang Mohr »Schicksalsglauben und Heldentum« (»Die Welt der Germanen«, hrsg. von Gustaf Wenz, Bd 3, 1935, besonders S. 19–32). Auf die Besonderheiten der Forschungssituation innerhalb der Nordistik, insbesondere die frühere Arbeit von Walther Gehl (1939) und die neuere von Eduard Neumann (1955) [rez. Jan de Vries, AfdA 69, 1956/57), S. 145–147], braucht hier nicht eingegangen zu werden. (Vgl. im übrigen das Literaturverzeichnis bei Ed. Neumann, S. 8 f.)

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Notizen

  1. Dadurch erhält z.B. der Begriff recke über seinen alten (objektiven) Sinngehalt hinaus zwangsläufig eine besondere subjektiv-weltbildliche Tönung: der recke ist der im tiefsten Kern von den untergründigen Mächten (nicht nur des Feindseligen, sondern auch zugleich des Bösen) Bedrohte, ist der dämonischer Entwurzelung Preisgegebene, innerlich Vereinsamte; vgl. dazu Kap. XI sowie Exkurs II b).

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Weber, G. (1963). Dämonische Mächte. In: Das Nibelungenlied. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99956-6_11

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99956-6_11

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