Zusammenfassung
Im Frankfurt seiner Kindheit fand sich Goethe von Gebäuden und Gebräuchen umgeben, die fast unverändert vom sechzehnten Jahrhundert bis in seine Gegenwart erhalten geblieben waren. Das Haus am Hirschgraben war alt, düster und besaß viele dunkle Winkel. Das Haus seines Großvaters war einst eine Burg gewesen und schaute immer noch so aus ; die Bankreihen im Rathaus symbolisierten die uralte Verfassung und die Porträts der Kaiser die historische Bedeutung der Freien Reichsstadt; die Feste in der Stadt hielten in Form und Wesen die Vergangenheit in lebendiger Erinnerung; der Schädel eines Verräters, der 1616 hingerichtet worden war, schmückte immer noch den Brückenturm; und der Knabe war gar Zeuge einer Bücherverbrennung gewesen. Eine Vorliebe für die Vergangenheit wurde von den Holzschnitten und Stichen im Hause seines Vaters und durch die Lektüre alter Chroniken ermutigt. Auch verschlang er die Volksbücher — Eulenspiegel, Melusine, Octavianus, Magelone, Fortunatus und so weiter, darunter auch den Ewigen Juden. Über seines Großvaters Haus und Bibliothek schrieb Goethe:
Alles was ihn umgab war alterthümlich. In seiner getäfelten Stube habe ich niemals irgend eine Neuerung wahrgenommen. Seine Bibliothek enthielt außer juristischen Werken nur die ersten Reisebeschreibungen, Seefahrten und Länder-Entdeckungen. Überhaupt erinnere ich mich keines Zustandes, der so wie dieser das Gefühl eines unverbrüchlichen Friedens und einer ewigen Dauer gegeben hätte.1
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Anmerkungen
In diesem ganzen Kapitel werde ich aus »Der junge Goethe«, hrsg. v. Max Morris, 6 Bde, Leipzig 1909–1912,
vgl. S. Waetzoldt »Die Jugendsprache Goethes«, Berlin 1888;
H. G. Heun »Der Satzbau in der Prosa des jungen Goethe«, Berlin 1930.
vgl. W. D. Robson-Scotts Aufsatz über »Goethe and the Gothic revival«, in: Publications of the English Goethe Society, N. S. Bd XXV, 1956.
Humphry Trevelyan »Goethe and the Greeks«, Cambridge 1941, S. 55.
O. Flohr „Geschichte des Knittelverses vom 17. Jahrhundert bis zur Jugend Goethes«, Berlin 1893, weist nach, daß zwischen Opitz und Goethe die Form nur für humoristische und groteske Ausdruckszwecke verwendet wurde.
vgl. F. Beissners Artikel »Studien zur Sprache des Sturms und Drangs“, in: GRM, XXII, 1934, S. 417–429, und meinen Vortrag vor dem Kongress der Fédération des Langues et Littératures Modernes 1957: »The Language of Sturm und Drang«.
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Blackall, E.A. (1966). Die Glückliche Hand. In: Die Entwicklung des Deutschen zur Literatursprache 1700–1775. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99901-6_15
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