Zusammenfassung
In seiner Lobpreisung der Gedichte Theokrits hatte Geßner deren Lauterkeit und Einfachheit als Gegensatz zu dem „epigrammatischen zugespitzten“ Witz hingestellt, der zu seiner Zeit in Mode war.1 Dieser Witz war ein wichtiger Bestandteil der Atmosphäre des achtzehnten Jahrhunderts. Professor Böckmann sieht in ihm sogar das vorherrschende Element der gesamten Kultur im Deutschland der Aufklärung.2 Die Barockliteratur hatte die Zierlichkeit kultiviert; die darauf folgende Epoche hatte diese als bloß äußerlichen Schwulst abgetan und größere Beachtung des Inhalts gefordert. Wernicke lobte „sinnreiche Gedanken und Einfälle“ über „balsamierte und vergüldte Redensarten“. Christian Weise sagte mehr oder weniger das gleiche. Wernicke und Thomasius waren für das französische Ideal des bel esprit eingetreten, und Wernicke hatte unter Hinweis auf Bouhours’ Klagen über die Deutschen das Wort Witz gebraucht, um jenen esprit zu bezeichnen, den sie — die Deutschen — angeblich nicht besaßen. Bouhours hatte gesagt, daß bel esprit eine Mischung von Intelligenz und Einbildungskraft darstelle; Christian Wolff beschrieb Witz als eine Mischung aus Einbildungskraft und Scharfsinnigkeit. Indem er sich auf Lockes Unterscheidung zwischen wit als der Fähigkeit, Ähnlichkeiten, und judgement als der Fähigkeit, Unterschiede wahrzunehmen, berief, definierte Wolff Witz als „die Leichtigkeit, die Ähnlichkeiten wahrzunehmen“, betrachtete aber Scharfsinnigkeit als Teil des Witzes. Witz sei in Wirklichkeit die Entdeckung verborgener Ähnlichkeiten, und dazu sei Scharfsinnigkeit erforderlich.
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Anmerkungen
P. Böckmann »Das Formprinzip des Witzes in der Frühzeit der deutschen Aufklärung«, in: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts, 1931/32, S. 52–130, und des gleichen Autors »Formgeschichte der deutschen Dichtung«, Bd 1, Hamburg 1949, S. 471–546. Die Ansicht, daß diese Formulierung zu eng sei, vertritt Bruno Markwardt »Geschichte der deutschen Poetik«, Berlin 1956, Bd 2, S. 27–29.
Ich benutze ein Expl. (in BM) der Hamburger Ausgabe von 1747. [Diese auch in 9, 12, 14, 24, 25, 38, 46, 70, 138, Wien.] Zu Hagedorns Beziehungen mit den Anakreontikern vgl. G. Witkowski »Vorläufer der anakreontischen Dichtung und Friedrich von Hagedorn«, Leipzig 1889.
J. G. Jacobi »Sämmtliche Werke«, Zürich 1819, I, S. 29; vgl. ebda, S. 112, wo er seine Abneigung gegen die melancholischen Verse der Nachahmer von Youngs »Night Thoughts« offenbart.
Gleim »Lieder« (1758), S. 8–9.
R. Haferkorn »Zum Begriff des Sentimentalen«, in: Fests. Deutschbein, Leipzig 1936.
Basil Willey »The Eighteenth Century Background«, London 1940.
Sterne »Journal to Eliza«, Everyman’s Library, London 1927, S. 177.
E. Erämetsä »A Study of the word „sentimental“ and of other linguistic characteristics of eighteenth century sentimentalism in England«, 1951; »Sentimental — sentimentalisch — empfindsam«, in: Festschrift Emil Öhmann, 1954; »Englische Lehnprägungen in der deutschen Empfindsamkeit des achtzehnten Jahrhunderts«, 1955 — alle in ›Annales Academiae Scientiarum Fennicae‹, Serie B, Bd 74, 84 und 98). Vgl. vom gleichen Autor den Artikel »Der sprachliche Einfluß Richardsons auf Goethes Werther«, in: NM, LVII, 1956, S. 118–125.
Erämetsä verweist hierzu auf K. Waentig »Die self-Komposita der Puritanersprache«, Diss. Leipzig 1932.
M. Deutschbein »System der neuenglischen Syntax«, Cöthen 1917.
W. Havers »Zur Bedeutung des Plurals«, in: Festschrift Kretschmer, Wien 1926.
E. Öhmann »Über die Pluralbildung von abstrakten Substantiven im Deutschen«, in: PBB, LXV, 1941, S. 134–152. Im Verlauf dieses Artikels kritisiert der Verfasser A. R. Lingls Dissertation »Über den Gebrauch der Abstrakta im Plural im Althochdeutschen und im Mittelhochdeutschen«, München 1934.
Th. Haas »Die Plural der Abstrakta im Französischen«, Erlangen 1884; F. Brunot »Histoire de la langue française«, Bd III, S. 461–463.
Havers »Handbuch der erklärenden Syntax«, Heidelberg 1931, S. 106 und 150.
Luise Thon »Die Sprache des Impressionismus«, München 1928; Petri (s.o. S. 433, Anm. 17).
Friedrich Sengle »Wieland«, Stuttgart 1949, S. 178 ff. Dieses ausgezeichnete Buch ist die erste wirklich umfassende Studie von Wielands Erscheinung und Werk und dürfte auf lange hinaus die Standardbiographie bleiben. Meine Kritik bezieht sich lediglich auf gewisse unglücklich gewählte Ausdrücke und sollte in keinem Fall als Äußerung eines grundsätzlichen Mißfallens an diesem so gelehrten und wertvollen Buch genommen werden.
G. Beck »Die Sprache des jungen Wieland«, Diss. Heidelberg 1913. Der erste (den Einfluß Klopstocks behandelnde) Teil dieser Arbeit wurde 1913 in Bukarest veröffentlicht.
Variante der späteren Revision. Vgl. »Sämmtliche Werke«, hrsg. v. Gruber, Leipzig 1819, VII, S. 53.
»Auswahl denkwürdiger Briefe«, hrsg. v. Ludwig Wieland, Wien 1815, Bd II, S. 149.
Böttiger »Literarische Zustände und Zeitgenossen«, Leipzig 1838, Bd I, S. 259.
vgl. Ernst Richter »Wielands sprachliche Ansichten im Teutschen Merkur“, in: ZfdPh. 58, 1933, S. 266–296.
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Blackall, E.A. (1966). Die Kultur von Witz und Empfindung. In: Die Entwicklung des Deutschen zur Literatursprache 1700–1775. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99901-6_12
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