Zusammenfassung
(…) Wie schon einmal dem politischen und religiösen Aufschwung der katholischen Gesinnung eine litterarische Wiedergeburt der katholischen Weltanschauung voraufgegangen ist in der Romantik, so könnte umgekehrt das erstarkte und in heißen Kämpfen bewährte religiöse Bewußtsein der Gegenwart zum Wurzelboden einer neuen Kunstblüte werden. Der Geist der Romantik, in dem auch jene Männer groß geworden, die wie Görres1 zu den gewaltigsten Vorkämpfern des katholischen Gedankens gehören, ist noch immer lebendig, und wenn es heutzutage auch Leute giebt, denen die Romantik selbst in ihren besten Vertretern nicht korrekt genug war und die daher die „Künstlergemütlichkeit der romantischen Tage“ als unzeitgemäß mit überlegenem Lächeln ablehnen, so wird doch der unbefangene Beurteiler nicht leugnen können, daß die Romantik bei aller ihr eigenen ästhetischen und religiösen Verschwommenheit als Gegensatz zu der vorangehenden und nachfolgenden Epoche wie selten eine Litteraturperiode das religiöse Moment in sich barg und alle jene um ihre Fahnen scharte, die sich durch eine innere Sehnsucht in die dem künstlerischen Schauen so nahe liegende Welt des Glaubens hingezogen fühlten.
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Notizen
Joseph Görres (1776–1848), in jungen Jahren Anhänger der Französischen Revolution und Propagator einer rheinischen Republik, schon seit der Schulzeit befreundet mit Clemens Brentano, schloß sich als Privatdozent in Heidelberg dem dortigen Romantikerkreis an, trieb ausgedehnte mythologische Studien und edierte die „Deutschen Volksbücher“ (1807); von 1814–1816 Herausgeber des „Rheinischen Merkur“, nach langen Jahren politischer Verfolgung durch die preußische Restauration Professor der Geschichte in München. Wenn Muth ihn zu den „gewaltigsten Vorkämpfern des katholischen Gedankens“ rechnet, dann entspricht das zwar den Intentionen des späteren Görres — erst als Vierundvierzigjähriger war er zur Kirche zurückgekehrt —, schneidet aber, wie es in der seit den siebziger Jahren einsetzenden Görres-Renais-sance allgemein geschah, die frühen aufrührerisch-republikanischen Züge, überhaupt das vielfach Schillernde des Universalgelehrten, Politikers und Publizisten weg.
Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897), deutscher Kulturhistoriker, Begründer der Volkskunde; das Zitat stammt aus der sozialhistorischen Schrift „Die Familie“ (1859).
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Ruprecht, E., Bänsch, D. (1970). Karl Muth »Die litterarischen Aufgaben der deutschen Katholiken. Gedanken über katholische Belletristik und litterarische Kritik, zugleich eine Antwort an seine Kritiker«. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_80
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