Zusammenfassung
Die „geistesgeschichtliche“ Betrachtungsweise der frühen zwanziger Jahre ist von ihren Anhängern oft als ein „revolutionärer Umbruch“ bezeichnet worden. Genau gesehen, stellt sie eher das Sammelbecken sämtlicher neuidealistischen Strömungen seit 1900 dar. Das Streben nach einer neuen Kultursystematik im Sinne Diltheys, die neuromantische Seelenwissenschaft um 1905, die sich daran anschließende Problem- und Ideengeschichte (Rudolf Unger, Paul Kluckhohn), die Geistbiographien des George-Kreises (Friedrich Gundolf, Ernst Bertram) und schließlich die expressionistische Neigung zu abstrakten Begriffskonstruktionen: sie alle münden in eine Bewegung, die man heute mit dem Terminus „Geistesgeschichte“ bezeichnet. Man versteht darunter eine absolute Autonomie des Spirituellen, die sich im Bereich ahistorischer oder phänomenologischer Typologien bewegt und daher ständig ins „Expressionistische“ übergeht. Denn auch jetzt liegen dem Streben nach „Ganzheit“ meist Vokabeln wie Wesen, Essenz oder Kulturdynamik zugrunde, worin sich von vornherein ein Hang zum existentiell Konstruierten offenbart. Ausschlaggebend ist weder das Formalästhetische noch das Empirisch-Biographische, sondern die „geistige“ Grundtendenz einer Epoche, die sich — genau genommen — auch aus der Politik, Philosophie oder Religion ableiten ließe.
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Hermand, J. (1965). Die Geistesgeschichte der Zwanziger Jahre. In: Literaturwissenschaft und Kunstwissenschaft. Sammlung Metzler. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99103-4_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99103-4_4
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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