Die Lokalisierung des Globalen. Szenographien der Spionage und narrative Verunsicherung in Wolfgang Herrndorfs Sand

Zusammenfassung

 Zwei Gründe sprechen für die globalgeschichtliche Relevanz von Spionagegeschichten: Erstens handeln sie in der Regel von einem politischen Konflikt, der globale Reichweite besitzt. Zweitens gehört das Genre zum global mainstream des Populären Realismus. Wolfgang Herrndorfs Roman Sand (2011) ist eine Parodie des klassischen Spionageromans. Der Roman greift auf typische Szenographien der Spionage zurück. In der „politischen Phantasmatik“ (Eva Horn) oder „Komplottform“ (Luc Boltanski) der Spionage zeichnet sich eine Verunsicherung der globalen politischen Struktur ab. Diese Verunsicherung springt in Herrndorfs Roman auf die Erzählverfahren über. Durch eine Paralipse, also indem der Erzähler eine wesentliche Information über die Hauptfigur vorenthält, werden Effekte narrativer Verunsicherung erzeugt. Der Roman nutzt das literarische Szenario der Spionage, um die globalen politischen Konstellationen der 1970er Jahre und der Gegenwart historisch zu situieren, und er reflektiert deren Instabilität in seinen narrativen Verfahren.