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„Knallharte Gedächtniskunst“

Friedrich Hölderlin als Intertext in Friederike Mayröckers Scardanelli

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Fragen zum Lyrischen in Friederike Mayröckers Poesie

Part of the book series: Abhandlungen zur Literaturwissenschaft ((ABLI))

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Zusammenfassung

In Friederike Mayröckers Gedichtband Scardanelli fungiert Hölderlin, so die These dieses Aufsatzes, als intertextuelle ‚Eselsbrücke‘ zu einem schwer artikulierbaren, nicht durch herkömmliche Trauerarbeit abschließbaren Schmerz. Mayröckers intertextuelle Auseinandersetzung mit einem von ihr sorgfältig ausgewählten und verdichteten, variierten und re-zitierten Komplex von Hölderlin-Zitaten (vor allem aus den Oden) lässt sich auf einer intratextuellen Ebene in Hölderlins Werk als lyrische Durcharbeitung traumatischer Verlust- und Trennungserfahrungen und spezifisch des Susette/Diotima-Traumas bis in die spätesten Gedichte entziffern. Diese Auseinandersetzung bildet den Kern jener „knallharten Mnemotechnik, Gedächtniskunst“, mit der das lyrische Ich in Scardanelli und ähnlich wie dieser, mittels introvertierter Intertextualität, „weinend und blöde“ die singuläre Beziehung zu jenem, „der da / wegging wegblieb plötzlich tatsächlich wegblieb mich“, aufrechterhält.

„Tragen muß er, zuvor; nun aber nennt er sein Liebstes,

Nun, nun müssen dafür Worte, wie Blumen , entstehn.“.

Friedrich Hölderlin, Brod und Wein. An Heinze, V. 89–90.*

*Hölderlins Gedichte werden im Folgenden normalerweise nach der zugänglichen dreibändigen Münchner Ausgabe von Michael Knaupp zitiert: Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke und Briefe. Hg. von Michael Knaupp. München 1992 (zitiert als MA I, II, III). Nur wenn es sich um Zitate aus früheren bzw. späteren Fassungen handelt, wird aus der Frankfurter Ausgabe von D. E. Sattler zitiert (FHA): Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. ‚Frankfurter Ausgabe‘. Je nach dem Band handelt es sich um eine Ausgabe von Roter Stern Verlag, Frankfurt a. M. oder von Stroemfeld Verlag, Frankfurt a. M./Basel (Jahr der Erscheinung abhängig vom Band). Für das Motto dieses Artikels siehe MA I, 376.

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Notes

  1. 1.

    Mayröcker, Friederike: Scardanelli. Frankfurt a. M. 2009. Die Gedichte aus diesem Band werden mit einfacher Seitenangabe zitiert.

  2. 2.

    Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

  3. 3.

    Die Schrägstriche markieren in diesem Zitat einen Versbruch und sind kein typographisches Stilmittel.

  4. 4.

    Siehe dazu das Standardwerk von Lawrence Ryan: Hölderlins Lehre vom Wechsel der Töne. Stuttgart 1960. Für einen neuen Zugang zu dieser Thematik siehe den Beitrag von Boris Previšić in diesem Band.

  5. 5.

    MA I, 253.

  6. 6.

    Adorno, Theodor W.: Parataxis. Zur späten Lyrik Hölderlins. In: Ders.: Noten zur Literatur. Frankfurt a. M. 1974, 447–491, 479. Zu Hölderlin und Beckett siehe die m. E. zu abstrakt-philosophische Arbeit von Dieter Henrich: Sein oder Nichts. Erkundungen um Samuel Beckett und Hölderlin. München 2016.

  7. 7.

    Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und sind kein typographisches Stilmittel.

  8. 8.

    Haverkamp, Anselm/Lachmann, Renate (Hg.): Gedächtniskunst: Raum-Bild-Schrift. Studien zur Mnemotechnik. Frankfurt a. M. 1991.

  9. 9.

    FHA 9 (Dichtungen nach 1806-Mündliches).

  10. 10.

    MA I, 913–14.

  11. 11.

    Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch, der Doppelstrich das Strophenende. Sie sind kein typographisches Stilmittel.

  12. 12.

    Aus der Elegie Brod und Wein, MA I, 376.

  13. 13.

    MA I, 438.

  14. 14.

    Siehe dazu Haverkamp, Anselm: Verschwiegener Lorbeer. In: Ders.: Laub voll Trauer. Hölderlins späte Allegorie. München 1991, 71–92.

  15. 15.

    MA I, 919.

  16. 16.

    Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

  17. 17.

    MA I, 406 (aus dem Gesang Germanien, V. 72).

  18. 18.

    MA I, 479. Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

  19. 19.

    Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

  20. 20.

    Erste Veröffentlichung in The Second Book of Songs (1600). Für Text, Partitur und Ausführungen siehe https://imslp.org/wiki/Flow_My_Tears_(Dowland,_John) (29.09.2019).

  21. 21.

    Winkler, Eugen Gottlob: Der späte Hölderlin. In: Eugen Gottlob Winkler. Ausgewählt und eingeleitet von Walter Jens. Frankfurt a. M. und Hamburg 1960, 134–152, 152.

  22. 22.

    MA I, 916–17.

  23. 23.

    Schiller, Friedrich: Über naive und sentimentalische Dichtung. In: Ders. Werke. Nationalsausgabe. Hg. von Lieselotte Blumenthal und Benno von Wiese. Bd. 20 Weimar 1962, 413–503, 424 f.

  24. 24.

    Benjamin, Walter: Zwei Gedichte von Friedrich Hölderlin. ‚Dichtermut‘ – ‚Blödigkeit‘. In: Ders.: Gesammelte Schriften. Hg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, unter Mitw. von Theodor. W. Adorno und Gershom Scholem. Bd. II, 1. Frankfurt a. M. 1977, 105–126.

  25. 25.

    Agamben, Giorgio: Potentialities. Collected Essay in Philosophy. Stanford 1999, 183. Für den Hinweis auf Hölderlin siehe 204.

  26. 26.

    Haverkamp 1991, 103.

  27. 27.

    MA I, 436.

  28. 28.

    Celan, Paul: Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Hg. und komm. von Barbara Wiedemann. Frankfurt 2003, 198. Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

  29. 29.

    MA I, 378.

  30. 30.

    MA I, 475.

  31. 31.

    MA I, 326. Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

  32. 32.

    MA I, 291. Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

  33. 33.

    Auch von Hölderlin stammt ein sehr fragmentarischer Gedichtentwurf mit der nicht ausgeschriebenen Widmung An. aus dem gleichen zeitlich Kontext der anderen zitierten Oden, d. h. aus der Zeit nach der Trennung von Susette Gontard. Der Adressat ist dennoch klar: „Elysium // Dort find ich ja // Zu euch ihr Todesgötter // Dort Diotima  Heroen. // Singen möchte ich von dir // Aber nur Thränen. // Und in der Nacht in der ich wandle erlöscht mir dein // Klares Auge!“ MA I, 240.

  34. 34.

    MA I, 286. Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

  35. 35.

    Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

  36. 36.

    MA I, 439.

  37. 37.

    „den weich’ Kräutern“ liest sich wie eine Verschränkung von „Kräutern“ und „waiches Wild“. Die lineare Textdarstellung (und Blattspiegel) der früheren Fassung lässt sehen, wie „waich“ und „Kräutern“ auf dem Blatt zusammenrücken. FHA 5, 818.

  38. 38.

    Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

  39. 39.

    Für die von Mayröcker zitierte Zeile siehe FHA 5 (Oden II), 673.

  40. 40.

    FHA 5, 731.

  41. 41.

    FHA 5, 819.

  42. 42.

    Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

  43. 43.

    Celan 2003, 133.

  44. 44.

    Celan, Paul: Der Meridian. EndfassungEntwürfeMaterialien. Hg. von Bernhard Böschenstein und Heino Schmull. Frankfurt 1999. Die folgenden Zitate auf S. 8.

  45. 45.

    Celan nimmt dabei Bezug auf Büchners Novelle Lenz („Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirge“).

  46. 46.

    Derrida, Jacques: Schibboleth. Pour Paul Celan. Paris 1986. Das folgende Zitat auf S. 32.

  47. 47.

    Der Schrägstrich markiert in diesem Zitat einen Versbruch und ist kein typographisches Stilmittel.

Literatur

  • Adorno, Theodor W.: Parataxis. Zur späten Lyrik Hölderlins. In: Ders.: Noten zur Literatur. Frankfurt a. M. 1974, 447–491.

    Google Scholar 

  • Agamben, Giorgio: Potentialities. Collected Essay in Philosophy. Stanford 1999.

    Google Scholar 

  • Benjamin, Walter: Zwei Gedichte von Friedrich Hölderlin. ‚Dichtermut‘ – ‚Blödigkeit‘. In: Ders.: Gesammelte Schriften. Hg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, unter Mitw. von Theodor. W. Adorno und Gershom Scholem. Bd. II, 1. Frankfurt a. M. 1977, 105–126.

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  • Celan, Paul: Der Meridian. Endfassung – Entwürfe – Materialien. Hg. von Bernhard Böschenstein und Heino Schmull. Frankfurt a. M. 1999.

    Google Scholar 

  • Celan, Paul: Kommentierte Gesammtausgabe in einem Band. Hg. und komm. von Barbara Wiedemann. Frankfurt a. M. 2003.

    Google Scholar 

  • Derrida, Jacques: Schibboleth. Pour Paul Celan. Paris 1986.

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  • Dowland, John: Flow My Tears. In: Ders: The second Book of Songes (1600). https://imslp.org/wiki/Flow_My_Tears_(Dowland,_John) (29.09.2019).

  • Haverkamp, Anselm/Lachmann, Renate (Hg.): Gedächtniskunst: Raum-Bild-Schrift. Studien zur Mnemotechnik. Frankfurt a. M. 1991.

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  • Haverkamp, Anselm: Verschwiegener Lorbeer. In: Ders.: Laub voll Trauer. Hölderlins späte Allegorie. München 1991.

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  • Henrich, Dieter: Sein oder Nichts. Erkundungen um Samuel Beckett und Hölderlin. München 2016.

    Google Scholar 

  • Hölderlin, Friedrich: Sämtliche Werke und Briefe. Münchner Ausgabe (MA). Hg. von Michael Knaupp. München 1992.

    Google Scholar 

  • Hölderlin, Friedrich: Sämtliche Werke. ‚Frankfurter Ausgabe‘ (FHA). Bd. 5 („Oden II“). Hg. von D. E. Sattler und Michael Knaupp. Frankfurt a. M. 1984.

    Google Scholar 

  • Hölderlin, Friedrich: Sämtliche Werke. ‚Frankfurter Ausgabe‘ (FHA). Bd. 9 („Dichtungen nach 1806 – Mündliches“). Hg. von Dietrich E. Sattler. Frankfurt a. M. 1984.

    Google Scholar 

  • Mayröcker, Friederike: Scardanelli. Frankfurt a. M. 2009.

    Google Scholar 

  • Schiller, Friedrich: Über naive und sentimentalische Dichtung. In: Ders. Werke. Nationalsausgabe. Hg. von Lieselotte Blumenthal und Benno von Wiese. Bd. 20. Weimar 1962, 413–503.

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  • Winkler, Eugen Gottlob: Der späte Hölderlin. In: Eugen Gottlob Winkler. Ausgewählt und eingeleitet von Walter Jens. Frankfurt a. M. und Hamburg 1960, 134–152.

    Google Scholar 

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Philipsen, B. (2020). „Knallharte Gedächtniskunst“. In: Arteel, I., De Felip, E. (eds) Fragen zum Lyrischen in Friederike Mayröckers Poesie. Abhandlungen zur Literaturwissenschaft. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05725-9_7

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  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-05724-2

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