Zusammenfassung
Grenzen einer Wissenschaft beziehen sich einerseits auf die methodische und sachliche Begrenztheit jeder wissenschaftlichen Disziplin, andererseits auf die Abgrenzung gegenüber anderen Fächern. Ein Plädoyer für die Entgrenzung des Faches Germanistik muss beantworten, inwieweit damit Modifikationen herkömmlicher Methoden bzw. Gegenstände verbunden sind und wie die Grenzziehungen zu anderen Fächern vorgestellt werden. Derartige Überlegungen sind für die Germanistik relevant, weil es um die Raison d’Être einer geisteswissenschaftlichen Disziplin geht. Vermieden werden sollte dabei eine Legitimation der Geisteswissenschaften, die mit dem eigens formulierten Gegensatz zu den Naturwissenschaften operiert, wie etwa O. Marquards Kompensationsthese1. Die nach wie vor geltende Unmöglichkeit der »Aufstellung eines allgemeingültigen Begriffssystems«2 in den Geisteswissenschaften ist nicht durch vermeintliche Kompensation eines naturwissenschaftlichen Weltbilds zu heilen. Vielmehr leitet sich die Daseinsberechtigung der Geisteswissenschaften aus ihrer Existenz an sich ab. Gegenüber der »meist jammervollen, wenn nicht gar jämmerlichen Selbstwahrnehmung«3 der Geisteswissenschaften, ihrer »chronischen Kollektivdepression«4 wird die Befürwortung der germanistischen Wissenschaft hier aus dem gewachsenen Fächerspektrum und den bewährten Methoden philologischen Arbeitens selbst abgeleitet.
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Notizen
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Mittelstraß, Jürgen: Krise und Zukunft der Geisteswissenschaften. Innsbruck 1999, S. 56.
Gumbrecht, Hans: Die Macht der Philologie. Über einen verborgenen Impuls im wissenschaftlichen Umgang mit Texten. Frankfurt a.M. 2003, S. 112.
Knobloch, Clemens: »Über die Schulung des fachgeschichtlichen Blickes: Methodenprobleme bei der Analyse des »semantischen Umbaus« in Sprach- und Literaturwissenschaft«. In: Bollenbeck G./Knobloch C. (Hg.): Semantischer Umbau der Geisteswissenschaften nach 1933 und 1945. Heidelberg 2001, S. 203–235.
Barthes, Roland: »Die Strukturalistische Tätigkeit«. In: Kursbuch 5/5 (1966), S. 191.
Der Diskursbegriff wird nicht nur in unterschiedlichen Wissenschaften nachgerade inflationär gebraucht, sondern trägt auch innerhalb der Sprachwissenschaft unterschiedliche Bedeutung. Wenn hier von Linguistischer Diskursanalyse gesprochen wird, bezieht sich der Diskursbegriff auf die poststrukturalistische Begrifflichkeit von M. Foucault. Prominent ist daneben der Diskursbegriff der funktionalen Pragmatik; vgl. Brünner, Gisela/Graefen, Gabriele (Hg.): Texte und Diskurse. Methoden und Forschungsergebnisse der Funktionalen Pragmatik. Opladen 1994;
Ehlich, Konrad (Hg.): Diskursanalyse in Europa. Berlin et al. 1994.
Busse, Dietrich/Teubert, Wolfgang: »Ist Diskurs ein sprachwissenschaftliches Objekt? Zur Methodenfrage der Historischen Semantik«. In: Busse, Dietrich et al. (Hg.): Begriffsgeschichte und Diskursgeschichte. Opladen 1994, S. 14.
Heinemann, Margot/Heinemann, Wolfgang: Grundlagen der Textlinguistik. Interaktion — Text — Diskurs. Tübingen 2002.
Warnke, Ingo: »Text adieu — Diskurs bienvenue? Über Sinn und Zweck einer post-strukturalistischen Entgrenzung des Textbegriffs«. In: Fix, U./Adamzik, K./ Antos, G./Klemm, M. (Hg.): Brauchen wir einen neuen Textbegriff? Antworten auf eine Preisfrage. Frankfurt a.M. et al. 2002, S. 125–141.
Gumbrecht, Hans Ulrich: »Historische Textpragmatik als Grundlagenwissenschaft der Geschichtsschreibung«. In: Lendemains Vol. 2: 6 (1977) S. 125–136.
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Vgl. jüngst: Koselleck, Reinhart: »Hinweise auf die temporalen Strukturen begriffsgeschichtlichen Wandels«. In: Bödecker, H. (Hg.): Begriffsgeschichte, Diskursgeschichte, Metapherngeschichte. Göttingen 2002, S. 29–47.
Reichardt, Rolf: »Historische Semantik zwischen lexicométrie und New Cultural History. Einführende Bemerkungen zur Standortbestimmung«. In: Zeitschrift für historische Forschung Beiheft 21 (1998), S. 7–28.
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Grunert, Mathias: B. A. auf dem Prüfstand. Zur Akzeptanz geisteswissenschaftlicher Studienprofile auf dem Arbeitsmarkt. Bochum 2001.
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Warnke, I.H. (2004). Diskurslinguistik als Kulturwissenschaft. In: Erhart, W. (eds) Grenzen der Germanistik. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05570-5_19
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