Zusammenfassung
Die Frage nach der Alterität mittelalterlicher Literatur berührt gewissermaßen den Kernbestand des historischen Verständnisses des Schrifttums dieser Epoche. Die Antworten der Forschung auf die damit aufgeworfene Frage sind — wie nicht anders zu erwarten — durchaus unterschiedlich ausgefallen. Man hat — nicht zuletzt in der Tradition des skeptischen Urteils über die dark ages vor der Wende zum 19. Jahrhundert — gleichermaßen die substantielle Verschiedenheit mittelalterlicher Literatur gegenüber der Literatur der Moderne hervorgehoben; und man hat zum anderen — erinnert sei hier nur an den sog. ›Aufstand der Mediävisten‹ — die Übereinstimmungen zwischen beiden Epochen betont oder doch zumindest im Mittelalter den Keim jener Entwicklungen entdeckt, welche zum eigentlichen Merkmal der Neuzeit werden sollten. Schon dieser knappe Hinweis auf eine fundamentale Divergenz in der Einschätzung des historischen Orts mittelalterlicher Literatur kann belegen, dass das Nachdenken über ihre Alterität im Grunde stets im Kontext eines Konzepts historischer Evolution stattfand. Dies macht nicht zuletzt jenes Begriffspaar deutlich, das sich, anknüpfend an den betreffenden Band von Hans Robert Jauß, man möchte sagen zu einer Formel entwickelt hat: Alterität und Modernität mittelalterlicher Literatur - einer Formel übrigens, die selbst schon die Unmöglichkeit einer eindeutigen Antwort zu erkennen gibt. Die Frage nach der Verschiedenheit oder Vertrautheit mittelalterlicher Literatur ist insofern von der Frage nach dem eigenen historischen Selbstverständnis nicht zu trennen; ja das Mittelalter gerät nachgerade zu jenem Horizont, vor dessen Hintergrund sich das eigene Profil, sei es im Sinne eines Kontrasts, sei es auf der Suche nach dem Ursprung einer sich in der Moderne entfaltenden Entwicklung, vorzugsweise bestimmen ließ.
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Kablitz, A. (2001). Einführung. In: Peters, U. (eds) Text und Kultur. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05567-5_18
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05567-5_18
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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