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Hölderlin — oder eine Kanonisierung ohne Ort?

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Part of the book series: Germanistische Symposien Berichtsbände ((GERMSYMP))

Zusammenfassung

Von den drei Kanonisierungstypen, die Ulrich Schulz-Buschhaus zu unterscheiden vorschlägt,1 übergehe ich den ersten (d. h. den Musterkanon bloß griechischer und lateinischer Autoren), zumal er mir unter systematischen Gesichtspunkten mit dem zweiten (d.h. dem Musterkanon, der volkssprachliche Autoren einbezieht) eng verwandt zu sein scheint. Entscheidend wäre dann die Dichotomie zwischen transhistorischem Musterkanon und ›geschichtlich-pluralem‹, ich werde im folgenden sagen: historizistischem2 Kanon (Typ drei bei Schulz-Buschhaus). Zum ersten Kanontyp gewinnt ein Autor oder ein Text Zutritt dank einer angenommenen ästhetischen Spitzenqualität, die von der historischen Konjunktur unabhängig gedacht ist. Schillers Kriterium aus dem Wallenstein-Prolog,

Denn wer den Besten seiner Zeit genug

Getan, der hat gelebt für alle Zeiten —

reicht als Eintrittskarte in den Musterkanon nicht aus. In einem Musterkanon können die Lücken ganzer ›finsterer Jahrhunderte‹, ja Jahrtausende klaffen, in denen sich sozusagen ›nichts getan hat‹. Das ist beim historizistischen Kanon, der im Prinzip spätestens seit Herder dominiert und der auch in den meisten Literaturgeschichten seither mehr oder weniger tonangebend ist, nicht möglich. In den historizistischen Kanon werden auch Autoren und Texte aufgenommen, die manchmal kaum mehr als eine bestimmte ›Epoche‹, ›Periode‹ oder sogar ›Phase‹ repräsentieren, wie etwa Gryphius und Lohenstein als Vertreter eines ›deutschen Barock‹.

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Notizen

  1. Ulrich Schulz-Buschhaus, »Kanonbildung in Europa«, in: Hans-Joachim Simm (Hrsg.), Literarische Klassik, Frankfurt a.M. 1988, 45–68, hier bes. 52–58.

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Renate von Heydebrand

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Link, J. (1998). Hölderlin — oder eine Kanonisierung ohne Ort?. In: von Heydebrand, R. (eds) Kanon Macht Kultur. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05564-4_20

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