Zusammenfassung
Von der Ägyptomanie des späten 15. und 16. Jahrhunderts bis zur Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen durch Champollion im Jahre 1822 bezeichnete man mit ›Hieroglyphik‹ in unregelmäßig weiter Differenzierung eine Schrift aus Bildelementen, deren Sinn in neuerer Zeit verlorengegangen oder von Anfang an als Priesterweisheit esoterisch verschlüsselt gewesen sei.1 Was im Buchdruck von Hora- pollon bis zu Giovanni Pierio Valeriano an Hieroglyphik zugänglich war, enthielt auch nichtägyptische ikonologisch-signifikative Elemente neuerer Jahrhunderte, verschmolz insgesamt zu einer Vorstellung von kostbarer, in Bildern verschlüsselter alter heiliger Weisheit, deren Sinn vielleicht doch erschlossen werden könne. Wohl am systematischsten, wenn auch unter christlich-exegetischen Auspizien, hat es der Polyhistor Athanasius Kircher um die Mitte des 17. Jahrhunderts unternommen, dem Geheimnis von Hieroglyphen näherzukommen.2
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Notizen
Siehe Karl Giehlow, »Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance, besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I.«, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses 32 (1915), S. 1–232
Eric Iversen, The Myth of Egypt and its Hieroglyphics in European Tradition, Kopenhagen 1961
Liselotte Dieckmann, Hieroglyphics. A History of a Literary Symbol, St. Louis 1970
Werner Waterschoot, »Hieroglyphica te Gent in 1584«, Vers lagen en Mededelingen van de Koninklijke Academie voor Nederlandse Taalen Letterkunde 1978/1, S. 47–85
vgl. Jean Gérard Lapacherie, »Der Text als ein Gefüge aus Schrift«, in: Volker Bohn (Hrsg.), Bildlichkeit, Frankfurt/M. 1990, S. 69–88, hier: S. 73–75
zu einer stärkeren Annäherung von Hieroglyphe und vorwiegend negativ eingeschätzter Allegorie siehe Hans Körner, »Die Sprachen der Künste. Die Hieroglyphe als Denkmodell in den kunsttheoretischen Schriften Diderots«, in: Wolfgang Harms (Hrsg.), Text und Bild, Bild und Text. DFG-Symposion 1988, Germanistische-Symposien-Berichtsbände 11, Stuttgart 1990, S. 385–398
eine Relativierung der Beziehungen zwischen Emblematik und Hieroglyphik nimmt mit Recht vor Daniel S. Russell, »Emblems and Hieroglyphics: Some Observations in the Beginnings and Nature of Emblematic Forms«, Emblematica 1 (1986), S. 227–243.
Athanasius Kircher, Obeliscus Pamphilius, hoc est, interpretatio nova […], Rom 1650.
Vgl. auch die Einordnung bei dem Jesuiten Jacob Masen, Speculum imaginum veritatis occultae, exhibens symbola, emblemata, hieroglyphica, aenigmata, omni tarn materiae, quam formae varietate […], 3. Aufl., Köln 1681.
Nach Klaus Köhnke, ›Hieroglyphenschrift‹. Untersuchungen zu Eichendorffs Erzählungen, Aurora-Buchreihe 5, Sigmaringen 1986, S. 30, vgl. dort S. 30–35 weitere Belege
vgl. a. Alexander von Bormann, Natura loquitur. Naturpoesie und emblematische Formel bei Joseph von Eichendorff, Studien zur deutschen Literatur 12, Tübingen 1968, S. 1–17.
Joseph von Eichendorff, Ahnung und Gegenwart, Werke, hrsg. Wolfgang Frühwald, Brigitte Schillbach u. Hartwig Schultz, Frankfurt a.M. 1985, Bd. I, S. 81.
Joseph von Eichendorff, Über die Folgen von der Aufhebung der Landeshoheit der Bischöfe und der Klöster in Deutschland, Werke (Anm. 4), Frankfurt/M. 1993, Bd. V, S. 467.
Barthold Heinrich Brockes, Die Welt, in: ders., Auszug der vornehmsten Gedichte aus dem Irdischen Vergnügen in Gott, Nachdruck d.Ausg. 1738 hrsg. Dietrich Bode, Stuttgart 1965, S. 337–344, hier: S. 341.
Vgl. Sara Stebbins, Maxima in minimis. Zum Empirie- und Autoritätsverständnis in der physikotheologischen Literatur der Frühaufklärung, Frankfurt/M. [u.a.] 1980, zu den Heuschrecken als Sittenlehrern der Menschheit S. 183.
Siehe zuletzt Hellmut Rosenfeld, »Figureninitialen«, in: Lexikon des gesamten Buchwesens, 2. Aufl., Stuttgart 1989, Bd. II, S. 583 f.
davor u.a. Dietmar Debes, Das Figurenalphabet, München 1968.
Einen Überblick mit vielen Abbildungen vermitteln u. a. Carl Nordenfalk, Die spätantiken Zierbuchstaben, Stockholm 1970
Robert Massin, Buchstabenbilder und Bildalphabete, Ravensburg 1970, S. 32–46
Jonathan J.G. Alexander, Initialen aus großen Handschriften, München 1978
Robert G. Calkins, Illuminated books of the middle ages, Ithaca 1983
Otto Pächt, Buchmalerei des Mittelalters. Eine Einführung, München 1984, S. 51–62 u. passim
Andreas Weiner, Die Initialornamentik der deutsch-insularen Schulen im Bereich von Fulda, Würzburg und Mainz, Würzburg 1994 (Diss. München 1992), bes. S. 78–80 u. S. 96–101.
Einen Überblick vor allem hierüber, ohne Figureninitialen im engeren Sinne einzubezie-hen, zuletzt bei Jonathan J. G. Alexander, Medieval illuminators and their methods of work, New Haven u. London 1992.
Ina Schabert, »Buchstäblicher Doppelsinn: Bildbuchstaben und Text«, in: Klaus Dirscherl (Hrsg.), Bild und Text im Dialog, Passau 1993, S. 129–144, hier: S. 131 ff.
Siehe ein beispielhaftes Feld von Initial-, Bild- und Textverknüpfungen bei Rudolf Suntrup, »Teigitur-Initialen und Kanonbilder in mittelalterlichen Sakramentarhandschriften«, in: Christel Meier u. Uwe Ruberg (Hrsg.), Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, Wiesbaden 1980, S. 278–382
Zur Vorstellung von den Buchstaben als den Atomen des Wortkörpers in der Antike siehe Hans Blumenberg, Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt/M. 1981, S. 37 f.
und mit detaillierten Belegen aus antiken Grammatikern Gregor Vogt-Spira, »Vox und littera. Der Buchstabe zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der grammatischen Tradition«, Poetica 23 (1991), S. 295–327
Migne PL 206, 182 B, nach Roswitha Klinck, Die lateinische Etymologie des Mittelalters, München 1970, S. 69, mit dem weiteren Zusammenhang dort.
Siehe Wolfgang Harms, »Funktionen etymologischer Verfahrensweisen mittelalterlicher Tradition in der Literatur der frühen Neuzeit«, in: ders. u. Jean-Marie Valentin (Hrsg.), Mittelalterliche Denk- und Schreibmodelle in der deutschen Literatur der frühen Neuzeit, Amsterdam u. Atlanta 1993, S. 1–18
Geofroy Tory, Champ fleury, Nachdruck d. Ausg. 1529, New York 1970, zu Entfaltungen des ›A‹ siehe Schabert (Anm. 13), S. 133 u. 140
zum ›Y‹ Wolfgang Harms, Homo viator in bivio. Studien zur Bildlichkeit des Weges, München 1970, S. 50–57
[Johann Niess], Alphabetum Diaboli seu vitia quae adolescentes perdunt, München 1618, S. 431
so zuletzt bei Sabine Gross, Lese-Zeichen. Kognition, Medium und Materialität im Leseprozeß, Darmstadt 1994, u.a. S. 54 f
Siehe die Abbildungen und die Kommentare von Albrecht Juergens in: Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, hrsg. Wolfgang Harms, Tübingen 1989, Bd. III, Nr. 12 (Christus) u. 32 (Maria; hiernach Abb. I); ich folge Juergens’ detaillierten Identifizierungen.
siehe hierzu auch Heimo Reinitzer, »Kinder des Pelikans«, in: ders. (Hrsg.), All Geschöpf ist Zung’ und Mund, Vestigia Bibliae 6, Hamburg 1984, S. 191–260, hier: S. 202 f
Zu Daniel Cramer siehe zuletzt Sabine Mödersheim, ›Domini doctrina coronat‹. Die geistliche Emblematik Daniel Cramers (1568–1637), Frankfurt/M. [u. a.] 1994.
Siehe zuletzt Dirk Kampmann, Das Rebusflugblatt. Studien zum Konnex von literarischer Gattung und publizistischem Medium, Köln [u.a.] 1993.
Ein benachbartes weites Gebiet der Schriftinszenierung wird repräsentiert durch Jeremy Adler u. Ulrich Ernst, Text als Figur. Visuelle Poesie von der Antike bis zur Moderne, Ausstellungskatalog Wolfenbüttel, 3. Aufl., Weinheim 1990
Ulrich Ernst, Carmen figuratum. Geschichte des Figurengedichts von den antiken Ursprüngen bis zum Ausgang des Mittelalters, Köln [u.a.] 1991
Johann Bödiker, Emblemata Exequiarum Hieroglyphica, Berlin-Kölln 1675
Zur Staatsschiff-Metaphorik vgl. Dietmar Peil, Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart, München 1983, S. 700–870, zum Anker (auch zu Griendl) S. 715 ff.
Johann Lassenius, Verliebte Sulamithin, Kopenhagen 1706, posthum zuerst 1699 (er starb 1692) von seiner Witwe herausgegeben;
Nach Heinz Meyer, »Überlegungen zu Herders Metaphern für die Geschichte«, Archiv für Begriffsgeschichte 25 (1981) S. 88–114, hier: S. 103.
[Andreas Georg Friedrich von Rebmann], Hans-Kiek-in-die-Welts Reisen in alle vier Welttheile, 1. Aufl., Leipzig u.Gera 1794, Titelblatt von Johann Carl Dornheim, 1780–1810 in Gotha und Leipzig tätig.
Jean Paul, Vorschule der Ästhetik [1813], in: ders., Vorschule der Ästhetik. Kleine Nachschule zur ästhetischen Vorschule, hrsg. Norbert Miller, 2. Aufl., München 1974, S. 7–456, hier: S. 47
siehe dazu Friedrich Ohly, »Das Buch der Natur bei Jean Paul«, in: Hans-Joachim Mähl u. Eberhard Mannack (Hrsg.), Studien zur Goethezeit. FS Erich Trunz, Heidelberg 1981, S. 177–232, bes. S. 231
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Harms, W. (1996). In Buchstabenkörpern die Chiffren der Welt lesen. Zur Inszenierung von Wörtern durch figurale oder verdinglichte Buchstaben. In: Müller, JD. (eds) ›Aufführung‹ und ›Schrift‹ in Mittelalter und Früher Neuzeit. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05562-0_29
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05562-0_29
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