Zusammenfassung
Die Biologie des 18. Jahrhunderts war im wesentlichen spezielle und allgemeine Naturgeschichte: als spezielle versuchte sie, die bunte Vielfalt der Dinge der Natur, der Naturalien, zu sammeln und zu beschreiben, als allgemeine, sie nach Prinzipien zu ordnen und zu erklären. Anthropologie war und ist der Versuch, das Wesen und die Stellung des Menschen in der Ordnung des Ganzen zu finden, sei es in Anbindung oder Abgrenzung zur nicht-menschlichen Natur. Zur Frage nach dem ganzen Menschen gehört auch die Frage nach seinem Verhältnis zu Tieren und Pflanzen. Dieses Verhältnis erscheint den Heutigen zumeist als anthropomorph und wäre insofern ein Thema einer Anthropomorphologie. Was aber sind die Gegenstände einer Anthropomorphologie der philosophischen und naturgeschichtlichen Wahrnehmung der Tier- und Pflanzenseele? Beginnen wir bei scheinbaren Äußerlichkeiten. Während der Wandel im Naturverständnis des 17. Jahrhunderts (Galilei, Descartes, Newton) sich vor allem auf Dinge der außermenschlichen Natur erstreckte, ergriff er im Laufe des 18. Jahrhunderts den Menschen selbst. Der Mensch zieht materialiter und formaliter in die ›Natur‹ ein, d.h. nicht nur als vollkommen mechanisch erklärbares Naturobjekt, als lebendige Maschine wie in der Jahrhundertmitte bei La Mettrie, sondern schon zuvor — weit weniger spektakulär — als Mitglied der lebendigen Vielfalt im System der Ordnung des Lebendigen: Linné fügte schon 1735 den Menschen zusammen mit den Affen und Faultieren als Ordnung »Anthropomorpha« ins Tierreich ein, um ihn schließlich in der 10.
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Anmerkungen
Zitat aus der Übersetzung von H.J. Schaltenbrand: Buffon’s sämmtliche Werke. 1. Bd. Köln 1837, 86.
Siehe Sutter (1988) bes. 3. Kap. : »Natürliche Maschinen und immaterieller Automat bei Leibniz« (s. Lit. in Anm. 4).
Père G.-H. Bougeant (1690–1743): Amusement philosophique sur le langage des bêtes (1739) nach Krauss 1979, 144f. (s. Anm. 4).
Siehe Lovejoy, A.O.: Die große Kette der Wesen. Frankfurt a.M. 1985 (1. A.: The Great Chain of Being. 1936).
D.-R. Boullier (1699–1759): Essai philosophique sur l’âme des bêtes … (1727); nach Krauss 1979, 147ff. (s. Anm.4).
H. S. Reimarus: Allgemeine Betrachtungen über die Triebe der Thiere, hauptsächlich über ihre Kunsttriebe (1762) II. 31.
G.F. Meier: Versuch eines neuen Lehrgebäudes von den Seelen der Thiere. Halle 1749 § 1.
Rousseau, J.-J.: Über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen (1755). Berlin 1955, 41.
Bentham, J.: Introduction to the principles of morals and legislation. (1789). Kap. 17. Abschn. 1 § 4, Anm. S.a. Peter Singer: Verteidigt die Tiere. Wien 1986.
Süßmilch, J. P.: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts, […]. Erster Theil, 2. A., Berlin 1761, Zitate aus der Einleitung § 11, 41–45.
Siehe Rotschuh, K.E.: Physiologie. Der Wandel ihrer Konzepte. Freiburg 1968, 169.
Siehe Zimmermann, W.: Evolution. Die Geschichte ihrer Probleme und Erkenntnisse. Freiburg 1953, 241ff.
T. H. Huxley: Man’s place in nature. London 1863.
Siehe Webster, P. C.: The Recognition of Plant sensitivity by English Botanists in the seventeenth century. ISIS, 1966 Bd. 57 N. 187, 5–23; Als ›Sinn-Kraut‹ wird sie z.B. in Zedlers Universallexikon bezeichnet, gemäß dem lateinischen »herba sensitiva« bzw. dem englischen ›sensitive herbe‹ in dem Kräuterbuch von Thomas Johnson (London 1633).
H. Regius: Philosophia naturalis. Amsterdam 1661; Antoine Le Grand: Historia naturae. London. 1673; 5. A. Nürnberg 1702.
Michael Alberti: Abhandlung von der Seele des Menschen, der Thiere und der Pflantzen … Halle. 1721. Anderer Theil. 244.
Übersetzung nach: Anker, J. u. S. Dahl: Werdegang der Biologie. Leipzig 1938. S. 278.
Linné, C. v.: Von den Hochzeiten der Pflanzen (lat. 1746) dt. 1776, 230.
Unzer, J.A.: Sammlung kleiner Schriften. 2 Bde. Physicalische. Rinteln u. Leipzig 1766.
Jahn, Ilse und Konrad Senglaub: Carl von Linné. Leipzig 1978, 45f.
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Ingensiep, H.W. (1994). Der Mensch im Spiegel der Tier- und Pflanzenseele. In: Schings, HJ. (eds) Der ganze Mensch: Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05560-6_4
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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