Zusammenfassung
Der Zusammenhang zwischen Literatur, Ästhetik, Literaturtheorie und Literaturkritik, der im 18. und frühen 19. Jahrhundert noch sehr eng war und die Entwicklung bedeutender Dichter-Kritiker und philosophischer Kritiker beförderte, der sich später aber im Zuge kapitalistischer Arbeitsteilung immer mehr lockerte[l]: dieser Zusammenhang ist in neuerer Zeit sowohl in der Theorie wieder stärker betont als auch in der Praxis nachdrücklich beachtet worden. Gegenüber der grundsätzlichen Trennung zwischen einer Literatur, die sich mehr vom »Gefühl« als vom »Verstand« leiten lassen wollte, einer akademisch betriebenen und vornehmlich an historischen Fragestellungen orientierten Literaturwissenschaft und einer Kritik, die oft dem Tagesjournalismus verhaftet blieb, wird von immer mehr Schriftstellern sowohl der philosophisch intendierte Essay wie die kritische Rezension neuerer Dichtungen gepflegt, hat die Erkenntnis an Raum gewonnen, daß nicht nur die Analyse zeitgenössischer literarischer Prozesse, sondern auch die Besprechung von Werken der Gegenwartsliteratur eine legitime Aufgabe des Literarhistorikers ist, erörtern namhafte Kritiker Fragen von theoretisch übergreifender Bedeutung. Weitgehend unberücksichtigt hingegen blieb der Zusammenhang von Literaturkritik und Philologie.
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Anmerkungen
Belegstellen aus Lessings Werken und Briefen werden — mit der Sigle LM — nach folgender Ausgabe nachgewiesen: Gotthold Ephraim Lessing: Sämtliche Schriften. Hrsg. von Karl Lachmann. 3. Aufl., bes. durch Franz Muncker. Stuttgart [Bd. 1–11], Leipzig [Bd. 12–21], Berlin, Leipzig [Bd. 22–23] 1886–1924.
Vgl. Georg Lukács: Schriftsteller und Kritiker. In: Lukács: Kunst und objektive Wahrheit. Essays zur Literaturtheorie und -geschichte. Leipzig 1977 = Reclams Universal-Bibliothek 701, S. 218–258.
Claus Friedrich Köpp: Literaturwissenschaft. Literaturwissenschaftstheorie, Forschungssystematik und Fachsprache. Berlin 1980, S. 158–160.
Claus Träger: Zur Stellung und Funktion der Germanistik in den Bewegungen unserer Zeit. In: Zeitschrift für Germanistik 9 (1988), S. 389–403.
Theodor Wilhelm Danzel/Gottschalk Eduard Guhrauer: Gotthold Ephraim Lessing. Sein Leben und seine Werke. 2. Aufl. Berlin 1880–1881, Bd. 1, S. 26.
Vgl. Helmut Winter: Literaturtheorie und Literaturkritik. Düsseldorf 1975 = Studienreihe Englisch 19, S. 13.
Vgl. Conrad Bursian: Geschichte der classischen Philologie in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart. München, Leipzig 1883 = Geschichte der Wissenschaften in Deutschland. Neuere Zeit 19, S. 436–454;
John Edwin Sandys: A History of Classical Scholarship. Cambridge 1908, Bd. 3, S. 24–30;
Wilhelm Kroll: Geschichte der klassischen Philologie. 2. Aufl. Berlin, Leipzig 1919 = Sammlung Göschen 367, S.108f.;
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Geschichte der Philologie. Nachdruck der 3. Aufl. (1927). Leipzig 1959, S.47;
Rudolf Pfeiffer: History of Classical Scholarship from 1300 to 1850. Oxford 1976, S. 170 (dt. u. d. T.: Die klassische Philologie von Petrarca bis Mommsen. München 1982 = Beck’sche Elementarbücher, S.211).
Max Kommerell: Lessing und Aristoteles. Untersuchung über die Theorie der Tragödie. 3. Aufl. Frankfurt a. M. 1960, S. 14.
Vgl. Hendrik Birus: »Introite, nam et heic Dii sunt!« Einiges über Lessings Mottoverwendung und das Motto zum »Nathan«. In: Euphorion 75 (1981), S. 379–410.— Derartige Mottos finden sich allerdings in erster Linie in Lessings Dichtungen sowie in seinen theoretischen, historischen und theologiekritischen Schriften; von seinen literaturkritischen Arbeiten stehen nur die »Briefe« (LM 5, 41) unter einem Motto aus dem spätantiken Redner und Epistolographen Symmachus (Symm. epist. 2, 12, 2).
Vgl. Karl Jax: Nachwirkung der homerischen Proömien. In: Bayerische Blätter für das Gymnasial-Schulwesen 63 (1927), S. 353–355;
Werner Jäkel: Aeneis-Interpretationen I. Das Proömium. In: Der altsprachliche Unterricht 5 (1953), S. 5f.;
Vinzenz Buchheit: Vergil über die Sendung Roms. Untersuchungen zum Bellum Poenicum und zur Aeneis. Heidelberg 1963 = Gymnasium. Beihefte 3, S. 13.
Vgl. hierzu: Horst Steinmetz: Der Kritiker Lessing. Zu Form und Methode der »Hamburgischen Dramaturgie«. In: Neophilologus 56 (1968), S. 30–48.
Gotthold Ephraim Lessing: Briefwechsel mit Karl Wilhelm Ramler, Johann Joachim Eschenburg und Friedrich Nicolai. Nebst einigen Anmerkungen über Lessings Briefwechsel mit Moses Mendelssohn. Berlin, Stettin 1794, S. 125 f. — Zit. nach: Richard Daunicht: Lessing im Gespräch, Berichte und Urteile von Freunden und Zeitgenossen. München 1971, S. 77.
Vgl. Jörg Schönert in: Gotthold Ephraim Lessing: Werke. In Zsarb. mit […] hrsg. von Herbert G. Göpfert. München 1970–1978, Bd. 5, S. 798f.; Walter Jens: Lessing und die Antike. Rede zur Eröffnung der 15. Tagung der Mommsen-Gesellschaft in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel am 16. Mai 1978. In: Wolfenbütteler Hefte 7 (1978), S. 25f.
Vgl. Karl S. Guthke: Haller und die Literatur. Göttingen 1962 = Arbeiten aus der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen 4; Hallers Literaturkritik. Hrsg. von Karl S. Guthke. Tübingen 1970 = Freies Deutsches Hochstift. Reihe der Schriften 21.
Wilhelm von Humboldt: Werke in fünf Bänden. Darmstadt 1960–1981, Bd. 5, S. 373.
Vgl. Johann Wolfang Goethe: Berliner Ausgabe. Berlin, Weimar 1960–1978, Bd. 18, S. 7–129.
Heiner Müller: Texte 4. Theaterarbeit. Berlin [West] 1975 = Rotbuch 142, S. 119f. — Vgl. Verf.: Forschungen zum Nachleben der Antike als interdisziplinäre Aufgabe. In: Philologus 134 (1990), S. 152f.
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Riedel, V. (1990). Literaturkritik und klassische Philologie bei Lessing. In: Barner, W. (eds) Literaturkritik — Anspruch und Wirklichkeit. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05557-6_4
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