Zusammenfassung
Die Metaphysik war — das zeigt ein Blick auf die Geschichte dieser Wissenschaft — im wesentlichen seit Aristoteles immer Metaphysik der Natur, und das gilt auch im Hinblick auf den Gottesbegriff. Obwohl sie den Anspruch erhob, das zu thematisieren, was die Einzelwissenschaften als selbstverständlich voraussetzen, nämlich den Begriff des Seienden überhaupt und die ihm als solchem zukommenden Bestimmungen, orientierte sie sich doch weithin einseitig am Sein der Naturdinge. Die Einseitigkeit ist in diesem Jahrhundert besonders durch Heidegger bewußt gemacht worden, aber dasselbe Anliegen ist bereits im letzten Jahrhundert in jenem nachhegelschen Schrifttum deutlich zu erkennen, das sich unter dem Disziplinentitel der ›spekulativen Ethik‹ zusammenfassen läßt, die sich selbst als Nachfolgerin der Kantischen ›Metaphysik der Sit-ten‹ verstand. Die Kantische Schrift ihrerseits steht aber — wie hier nicht gezeigt werden kann — in einer bestimmten schulphilosophischen Tradition, nach der die Metaphysik auch jene Art des Seienden thematisch behandelt, das nicht von Natur aus vorgegeben ist, sondern durch die menschliche Freiheit konstituiert wird. In der Deutschen Schulphilosophie und in der Scholastik wird Seiendes solcher Art ens morale genannt. Der philosophiegeschichtliche Ort, wo die metaphysischen Prinzipien, die Seinsweise und näheren Bestimmungen dieser Seinsart des Moralischen erstmals aufgezeigt werden, ist die Mystik Meister Eckharts. Um das deutlich zu machen, wird in dieser Untersuchung zunächst und erstens der wissenschaftstheoretische Ort der Eckhartschen Lehre zu klären versucht, zweitens einiges zur Geschichte des Begriffs ens bzw. esse morale gesagt, drittens erläutert, was nach Eckhart das Wesen oder der Grundakt des moralischen Seins ist, viertens eine Kategorie des Moralischen, nämlich das »Neue», näher betrachtet, um schließlich fünftens die Mystik Meister Eckharts als Philosophie der konkreten Freiheit charakterisieren zu können.
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Anmerkungen
Vgl. H. Fischer: Meister Eckhart, Freiburg/München 1974, S. 139 ff.
E. Waldschütz: Meister Eckhart. Eine philosophische Interpretation der Traktate, Bonn 1978, S. 250–257.
Vgl. D. Mieth: Die Einheit von vita activa und vita contemplativa in den Deutschen Predigten und Traktaten Meister Eckharts und bei Johannes Tauler, Regensburg 1969, S. 139–141
Meister Eckhart: Authentische Erfahrung als Einheit von Denken, Sein und Leben, in: Das »Einig Ein«. Studien zu Theorie und Sprache der deutschen Mystik, hg. A. M. Haas und H. Stirnimann, Freiburg/Schweiz 1980, S. 54, bzw. ebd. S. 51
H. Bayer: Mystische Ethik und empraktische Denkform. Zur Begriffswelt Meister Eckharts, in: DVjS f. Lit.wiss. u. Geistesgesch. 50 (1976) 377–405.
B. Mojsisch: Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983, bes. S. 6–18.
Vgl. F. Ueberweg-Geyer: Die patristische und scholastische Philosophie, 121951, S. 15 ff.; und Augustinus, Contra Julian. Pelag. IV, 14, 72; vgl. civ. 10, 32.
Vgl. K. Oltmanns: Meister Eckhart, Frankfurt a. M., 21957.
Vgl. F. Pfeiffer (Hg.): Meister Eckhart, Göttingen 1857, S. 379,1 ff.
Vgl. B. Weite: Meister Eckhart. Gedanken zu seinen Gedanken, Freiburg i. Br. 1979, S. 148 ff.
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Kobusch, T. (1986). Mystik als Metaphysik des moralischen Seins. In: Ruh, K. (eds) Abendländische Mystik im Mittelalter. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05554-5_4
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