Zusammenfassung
In La vida es sueño (1635; drei Akte mit 3319 Versen) lernt man einen anderen Calderón kennen als in der im vorigen Kapitel vorgestellten Dama duende: den Didaktiker, aber auch den barocken Wortkünstler in der Nachfolge Góngoras, der den Zuschauer in Erstaunen versetzt, der seinem Intellekt und seinem Sprachge-fühl aber auch einiges abverlangt. Dem modernen Leser (eine originalgetreue Aufführung kommt heute selbst in Spanien nur noch selten zustande) erschließt sich der Text ohne Hilfe nicht mehr ganz, weil ihm mythologisch-hagiographische Kenntnisse fehlen, die zur Entzifferung der reichen, für unseren Geschmack bisweilen auch überladenen Metaphorik unerlässlich sind. Zwar kann man getrost voraussetzen, dass das Durchschnittspublikum des 17. Jahrhunderts nicht gebildeter war, aber es war mit einem Schatz oft mündlich überlieferter Wissensbestände, Erfahrungsmuster und rhetorischer Figuren vertraut, die uns fremd geworden sind. Und es hatte vor uns Lesern den unschätzbaren Vorteil, dass es sich durch die Anschaulichkeit der Inszenierung und durch den Wohlklang der Verse faszinieren lassen konnte, ohne das Gesagte bis ins Detail gleich verstehen und verarbeiten zu müssen. Die Kunst bestand eben darin, eine Sache im Ganzen verständlich und einsichtig zu machen, und um dies zu gewährleisten, konfrontierte Calderón den Zuschauer mit einer Fülle so starker Eindrücke, dass er im Verlauf der Aufführung sehr wohl begreifen konnte, worauf es ankommt. Zu Recht gilt das bis ins Kleinste durchdachte und sprachlich wie metrisch brillante Stück als vollendetes Beispiel für das barocke Wortkunstwerk.
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Literaturhinweise (s. auch Kap. IX)
Ausgabe: Pedro Calderón de la Barca, La vida es sueno, ed. Martín de Riquer, Barcelona 1954 [mit Kommentar]
Übersetzung: Calderón: Das Leben ist ein Traum, Nachdichtung von Eugen Gürster, Stuttgart 1995
Weitere Literatur
Spanische Literaturgeschichte, S. 176–183, speziell S. 177–179
Kurt und Roswitha Reichenberger: Bibliographisches Handbuch der Calderón-For-schung/Manual bibliográfico calderoniano, mehrere Bände, Kassel 1979–2003
Bernhard Teuber: »Pedro Calderón, La vida es sueño«, in: Volker Roloff/Harald Wentzlaff-Eggebert (Hg.): Das spanische Theater. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Düsseldorf 1988, S. 146–163
Christonh Strosetzki: Calderón. Stuttgart 2001
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Neuschäfer, HJ. (2011). Calderón: La vida es sueño (1635) Lehrstück und barockes Wortkunstwerk. In: Klassische Texte der spanischen Literatur. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05277-3_10
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05277-3_10
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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Online ISBN: 978-3-476-05277-3
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